[BSS] Baltisaksa sõnastik

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abfahren V [h/s]
1. Vt de abführen; et ära viima, ära vedama; lv aizvest
die in den Strusen abgebrachten Saten, ehe dieselben ausgeladen und abgefahren werden
den Schutt abfahren lassen
2. Vt de zurücklegen; et läbi sõitma
Die 40 Werst kann man in einem Futter abfahren 'zurücklegen ohne zu füttern, ohne die Pferde rasten zu lassen'
3. Vi de hinunterfahren, hinabfahren; et alla(mäge) sõitma
hier müssen wir abfahren 'vom Berge hinunter'
4. Vi 'von einem Hauptwege in einen Nebenweg kehren' de abbiegen; et ära keerama, kõrvale pöörama
hier fährt man ab nach K. 'man kehrt ein, um nach K. zu gelangen'
5. Vi de abgleiten (schnell); et maha lipsama, otsast ära tulema
das Beil wird vom Stiel abfahren oder ist abgefahren
6. Vi bildl. 'sterben'

DAZU:
mit jmdm. kurz abfahren (id) 'kurze Sprünge mit ihm machen' [Grimm und Hoffmann haben: abfahren lassen, was hier nicht gebräuchlich ist]

QUELLEN

Gutzeit 1859, 5
abfahren 1) sehr gew. st. abführen. Die in den Strusen abgebrachten Saten, ehe dieselben ausgeladen und abgefahren werden, 95; den Schutt abfahren lassen; 2) von einem Hauptwege in einen Nebenweg kehren. Hier fährt man ab nach K.m, d.h. kehrt man ein, um nach K. zu gelangen. 3) schnell abgleiten. Das Beil wird vom Stiel abfahren oder ist abgefahren; 4) mit Jemand kurz abfahren, kurze Sprünge mit ihm machen. Grimm und Hoffmann haben: abfahren lassen, was hier nicht gebräuchlich ist. 5) hinunter od. hinabfahren. Hier müssen wir abfahren, d.h. vom Berge hinunter.

Gutzeit 1886, 5
abfahren 6) Die 40 Werst kann man in einem Futter abf., d.h. zurücklegen ohne zu füttern, ohne die Pferde rasten zu lassen.

Masing 1931, 26
abfahren sterben

Masing DBWB, 40f.
abfahren, st. (ápfārən) 1. mit einem Fuhrwerk wegschaffen. Die Stämme werden … auf Raggen verladen und abgefahren. Grosberg. Meschw. 208. : 2. fahrend eine Strecke zurücklegen. Die 40 Werst kann man in einem Futter a. zurücklegen, ohne die Pferde zu füttern. Gtz. N 1886, 5. _†3. mit jem. kurz a., kurze Sprünge mit ihm machen. Gtz. I, 5.

Abklatsch der
1. de Abdruck, Abguss; et koopia
Der Sohn ist der Abklatsch des Vaters 'Ebenbild, ihm ganz und gar ähnlich'
2. de Abklatschen; et lahtiplaksutamine
man tanzte die Polonaise mit Abklatsch [es stand jedem frei, mitten im Tanze vor das erste Paar zu treten und in die Hände zu klatschen, worauf der tanzende Kavalier seine Dame fahren ließ, sich zum folgenden Paar wandte und ebenfalls klatschte, um seinerseits auch zu einer Dame zu gelangen, was dann immer weiter ging]
siehe auch abklatschen

QUELLEN

Gutzeit 1886, 8
Abklatsch, der, 1) Der Sohn ist der A. des Vaters, d.h. ihm danz und gar ähnlich, der Abdruck, Abguss. - 2) man tanzte die Polonaise mit Abklatsch, 440. IV. 177.

Masing DBWB, 68
Abklatsch, m. (ápklač) 1. Ebenbild. Er ist der A. seines Vaters. Gtz. 1886, 8. _ 2. † Man tanzte die Polonaise mit A. d. h. es stand jedem frei, mitten im Tanze vor das erste Paar zu treten und in die Hände zu klatschen, worauf der tanzende Kavalier seine Dame fahren ließ, sich zum folgenden Paar wandte und ebenfalls klatschte, um seinerseits auch zu einer Dame zu gelangen, was dann immer weiter ging… Bertram BS II, 102/3.

id abnehmendes Licht
‣ Varianten: Abnehmend-Licht
'Zeit des abnehmenden Mondes' de abnehmender Mond; et kahanev kuu, vana kuu
im abnehmenden Licht 'abnehmendem Monde'
‣ Synonyme: abnehmender Monat

DAZU:
KOMM: Nach dem Volksglauben dürfen gewisse Verrichtungen nicht bzw. nur bei abnehmendem Licht vorgenommen werden, je nachdem, ob sie eine Vermehrung Steigerung, Stärkung oder eine Verminderung, Schwächung, Beseitigung von Dingen, Zuständen, Eigenschaften bewirken sollen. Dies gilt besonders für land- und hauswirtschaftliche Arbeiten.

QUELLEN

Gutzeit 1886, 12
abnemend. Im abnehmenden Licht, 328. 15, abnehmenden Monde

Masing DBWB, 93ff.
abnehmend Licht, n. (ápnēmənt liχt) Zeit des abnehmenden Mondes. Nach dem Volksglauben dürfen gewisse Verrichtungen nicht bezw. nur bei abnehmendem Licht vorgenommen werden, je nachdem, ob sie eine Vermehrung Steigerung, Stärkung oder eine Verminderung, Schwächung, Beseitigung von Dingen, Zuständen, Eigenschaften bewirken sollen. Dies gilt besonders für land- und hauswirtschaftliche Arbeiten. Wann ein Haußwirt sein Land pflüget / so nehme er die Zeit in acht / daß er sein Gärstenland im abnehmenden Monat umbpflüge und zuegge /den der alte Mond machet das Land fAuU und mürbe / faulet und vertilget auß die Wurtzeln des Unkrauts / … H. v. Neidenbg. 13/14. Im alten Mond kräncket oder reyset der Habern und wächst nicht wohl /stehet er auff dem Felde in etwas zu lange / so bricht er mit dem Stroh und allem danieder und verschwindet vom Felde / wie der alte Mond / … eb. da 20. Und muß allerhand Saht / die da Wurtzel setzen oder unterwerts wachsen soll / im abnehmenden Mond gesäet werden; eb. da 93. Drey Tage für dem vollen Mond / soll man in den Gärten säen / was hoch über die Erde wachsen soll. Aber Wurtzel-Gewächs / als Burkanen / Rettig und dergleichen 2 oder 3 Tage nach dem vollen Mond. Sal. Gub. 17. Alles Saat-Korn soll man im neuen Licht dreschen / Im alten Licht kan man es wol meyen … eb. da 117. Junge Pferde / junge Bullen … soll man im abnehmenden Licht leichten lassen. eb. da. 18. Haare soll man nicht bei a. Licht schneiden lassen, sonst wachsen sie langsam und gehen später aus. Bei a. L. darf man nicht schlachten, denn das Fleisch wird welk und kraftlos. Auch darf man nicht Tiere bei a. L. zur Begattung zulassen – die Frucht wird kraftlos. Von schwächlichen, vorzeitig alternden Personen sagt man, sie seien bei a. L., bei alt Licht, geboren. Die Zeit des a. L.s empfiehlt mitunter die Volksmedizin für Handlungen, die das Schwinden gewisser Leiden bezwecken. Will man etwas wieder die Würme brauchen, so thue mans im a. L., denn da sind sie schwach. Kurl. Rezepb. 110. vor die schwere Noth … eine … Persohn, so diese Kranckheit hat, … muß … daß … Waßer … im a. L. bekommen … eb. da. 259 f. Ein … Waßer für den Schlag … Grüne Eichen Mispeln im a. Mond genommen … Livl. Rezeptb. 10f. Wenn einem Pferde in den Augenwinckelen innwerts viel roht Fleisch wächset / … / so sol man es im a. Mond schneiden lassen. Sal. Gub. 144. Um Warzen zu vertreiben, muß man bei a. L. frische Fische kochen und mit dem Schaum die Warzen bestreichen. Riga.
¤ abnehmend (es Licht) … u. Allerhand Salat säet man auch mit abnehmenen Licht/ … …Majus. Pflantzen müssen versetzet werden mit abnehmenen Licht / das ist den 20/21/22/23 May. Wer sich verspätigt hat / muß es thun am 18/19/20 Junii. (Kurl. Schr. u. H. Kal. 1693).

Kobolt 1990, 33
abnehmendes Licht nhd. abnehmender Mond

abrennen V [h]
Vr de ablaufen
er rannte sich die Hacken ab, um diese Stelle zu erhalten
renn' dich doch nicht so ab 'ermüde dich nicht durch so eilfertiges Wesen, durch schnelles Gehen'
was rennt er sich bei dir ab? 'weshalb kommt er so häufig, weshalb läuft er sich bei dir die Hacken ab?'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 14
abrennen, sich, ablaufen. Er rannte sich die Hacken ab. um diese Stelle zu erhalten; renn' dich doch nicht so ab, d. h. ermüde dich nicht durch so eilfertiges Wesen, durch schnelles Gehen. Was rennt er sich bei dir ab? d. h. weshalb kommt er so häufig, weshalb läuft er sich bei dir die Hacken ab?.

Masing DBWB, 107
abrennen, sw. (ápren̅ən) sich a., sich müde laufen. Er rannte sich (die Hacken) ab, um diese Stelle zu erhalten. Was rennt er sich bei dir ab? weshalb kommt er so häufig zu dir? Gtz. I, 14.

Kobolt 1990, 33
ablaufen, viel laufen, sich die Hacken ablaufen

abschlagen V [h]
‣ Belege: Estland, Livland, Kurland, Riga
1. Vt 'durch einen Schlag verletzen' de schlagen; et ära lööma
ich habe mir den Kopf abgeschlagen
ich schlug mir schrecklich das Bein, den Arm, den Fuß ab [Dies will nicht bedeuten, dass man sich durch einen Schlag oder Hieb den Körperteil abgetrennt habe. Diese sonderbare Bed. entsteht durch das pleonastisch verstärkende ab; denn abschlagen ist nichts als schlagen, durch ab verstärkt. - Nie sagt man: er hat mir den Kopf abgeschlagen. Ebenso sagt man: sich abschlagen, sich verletzen durch einen Fall, Schlag, Stoß. Sie hat sich tüchtig abgeschlagen. Ganz ebenso verhält sich die Redensart: sich den Kopf zerschlagen, wo ebenfalls kein eigentliches Zerschlagen gemeint ist. Dieses abschlagen steht übrigens nicht ganz vereinzelt da. So führt Grimm an: Die Gurgel, die Kehle vom Vogel abschneiden, was sonderbar genug ist, da Gurgel und Kehle nur durchschnitten werden. Noch sonderbarer sind die ebenfalls von Grimm angeführten Redensarten: sich den Hals abfallen und Vögel, Hühner abschneiden, st. schlachten]
ein Orfey geben dem Gesellen, der sie (das Weib) wiederum abgeschlagen
zwei Fleischerjungen, daß sie des Mahlers S. Jungen auf der Gassen abgeschlagen
einen mit dem Stock abschlagen
sich die Hand, den Kopf, durch einen Schlag, Stoß verletzen [Lange und Stender]
Man bedauert das arme Weib, welches sich schon zum dritten Mal beim Fallen den Kopf abgeschlagen [Riemenschneider in 175. 1858. Nr.5]
(Arithmetische Aufgabe): Wenn die Hagenshoffschen Einwohner täglich einmal auf dem Glatteise der Düna den Kopf sich abschlagen, wievielmal mehr müßten dann Diejenigen, welche das Sandausstreuen unterlassen haben, ihre Köpfe abschlagen?
er hat sich den Kopf, den Finger (?) abgeschlagen, abgestoßen 'statt: zerstoßen (?!), geschlagen' [Hoheisel erklärt diese Redeweise [...] für lettisch und bemerkt, es dürfe uns nicht Wunder nehmen, daß aus dem Lettischen herstammende Provincialismen und lettisch klingende Wörter auch in Estland vorkommen. Seine Annahme ist eine irrige]
siehe auch ab-2
2. Vt de zerschlagen
die Felder sind durch den Hagel ganz abgeschlagen
3. Vt
die Fackeln an keinem gefährlichen Orte abschlagen, sondern mit den Füßen austreten, gleichsam die Flamme ab von der Fackel
4. Vt
der Brantwein hat die Probe abgeschlagen 'hält, gibt keine Perlen mehr, wenn das Probeglas angeschlagen wird' [Wenn die Probe abgeschlagen, gibt der Brantwein mit dem vierten Theil Wasser sog. Halbbrand]
5. Vt
von jedem Schiffpfund soll nicht mehr als 12 3/4 Pfund abgeschlagen werden
den Käufern zum Besten soll von allen nach Riga kommenden Waaren nur 12 1/3 ℔ vom S℔ abgeschlagen und dekurtiret werden [russ. вычитать]
6. Vt de beschlagen
nach der Abwrakung jedes Fass mit einem Stempel abschlagen
7. Vt
den Abschnürfaden abschlagen 'den gehobenen und gespannten Abschnürfaden loslassen'
die Kante einer Bettdecke oder deren Mitte abschlagen 'mit der Kreide bestrichenen Abschnürfaden die Linien für die Stappnat bezeichnen'
8. Vt de abklappen, herabschlagen, herunterschlagen
das Verdeck eines Wagens abschlagen
Kibitka mit einem Verdecke zum Abschlagen
eine abzuschlagende Britschka
einen Tisch abschlagen 'abklappen'
einen Regenschirm abschlagen 'herab- oder herunterschlagen'
9. Vi de schlagen
wir wollen warten, bis alle Thurmuhren abgeschlagen haben
10. Vt
Heuschläge abschlagen und vor Ueberwachsung conserviren 'bedeutet dies: abmähen oder von Strauch befreien?'
11. Vt
nachdem die Stute gehörig gedeckt worden und abgeschlagen
12. Vt de abschäuern, abkleiden, abteilen
der Bodenraum bietet hinreichend Raum, um eine Bodenkammer für den „Ältesten“ (Sohn) „abzuschlagen“, um allerlei Sachen aufzubewaren
siehe auch Abschlag
13. Vt de abladen
die Fuhren auf- und abschlagen [spätere Stellen: die Wahren von den Fuhren abnehmen]
14. Vt de schlagen, bezeichnen
Bootsmasten wraken und mit dem publiken Zeichen abschlagen

QUELLEN

Riemenschneider 1858a, Sp. 74-75
Es wäre, wenn es darauf ankäme, nicht schwer, das hiesige Deutsch nach verschiedenen Stufen zu charakterisiren, welche durch gewisse stehende Redensarten sich sogleich kenntlich machen. Auf die unterste Stufe, bei welcher man aus einer Reihe verkehrt oder halb ausgesprochener Wörter nur mit Mühe den Sinn des Satzes errathen kann, folgt eine höhere, auf welcher man von Längde und Wärmde reden hört, wo man sich so selbig befindet, noch höher bedauert man das arme Kind, welches sich schon zum dritten Mal beim Fallen den Kopf abgeschlagen, noch höher geht man Licht fragen und legt den Leuchter auf den Tisch oder bleibt in einer Gesellschaft (so lange), bis man sich amüsirt; noch höher macht man das Fenster fest und die Thür los, ja selbst der Mund wird losgemacht und es gilt für eine Unbequemlichkeit, daß die Nase fest ist, noch höher schließt man jeden Satz mit würde und möchte, u.s.w. - Genug, schlechtes Deutsch kann man bei uns überall hören, von dem Undeutsch (oder Gesindedeutsch) und dem Halbdeutsch an bis zum Conversationsdeutsch und Salondeutsch: unten sind die Volkssprachen, oben die modernen Verkehrssprachen sehr bald herauszuhören.

Gutzeit 1859, 16f.
abschlagen, 1) schlagen, durch einen Schlag verletzen. Hier sind die den Ostseeprovinzen eigentümlichen Redeweisen anzuführen: ich habe mir den Kopf abgeschlagen; hier kann man sich den Kopf abschlagen; ich schlag mir schrecklich das Bein, den Arm, den Fuß ab. Dies will nicht bedeuten, dass man sich durch einen Schlag oder Hieb den Körpertheil abgetrennt habe, sondern dass man ihn verletzt habe. Diese sonderbare Bed. entsteht durch das pleonastisch verstärkende ab; denn abschlagen ist nichts als schlagen, durch ab verstärkt. — Nie sagt man: er hat mir den Kopf abgeschlagen, oder hat mir den Fuß abgeschlagen. Ebenso sagt man: sich abschlagen, sich verletzen durch einen Fall, Schlag, Stoß. Sie hat sich tüchtig abgeschlagen. Ganz ebenso verhält sich die Redensart: sich den Kopf zerschlagen, wo ebenfalls kein eigentliches Zerschlagen gemeint ist. Dieses abschlagen steht übrigens nicht ganz vereinzelt da. So führt Grimm an: Die Gurgel, die Kehle vom Vogel abschneiden, was sonderbar genug ist, da Gurgel und Kehle nur durchschnitten werden. Noch sonderbarer sind die ebenfalls von Grimm angeführten Redensarten: sich den Hals abfallen und Vögel, Hühner abschneiden, st. schlachten.
2) zerschlagen. Die Felder sind durch den Hagel ganz abgeschlagen.
3) Die Fackeln an keinem gefährlichen Orte abschlagen, sondern mit den Füßen austreten, gleichsam die Flamme ab von der Fackel, 90.
4) der Brantweinhat die Probe abgeschlagen, d. h. hält, gibt keine Probe mehr, zeigt keine Perlen mehr, wenn das Probeglas angeschlagen wird. Wenn die Probe abgeschlagen, gibt der Brantwein mit dem vierten Theil Wasser sog. Halbbrand.
5) von jedem Schiffpfund soll nicht mehr als 12 Pfund abgeschlagen werden, 149.
6) nach der Abwrakung jedes Fass mit einem Stempel abschlagen, beschlagen, 137.
7) den Abschnürfaden, den gehobenen und gespannten Abschnürfaden loslassen; die Kante einer Bettdecke oder deren Mitte abschlagen, mit dem Kreide bestrichenen Abschnürfaden die Linien für die Steppnat bezeichnen.
8) das Verdeck eines Wagens. Kibitka mit einem Verdecke zum Abschlagen 172. 1797. 422; eine abzuschlagende Britschka, 172. 1804. 580; einen Tisch abschlagen, abklappen. Schon bei Bg. 210; einen Regenschirm, herab- oder herunterschlagen.
9) Wir wollen warten, bis alle Thurmuhren abgeschlagen baben, geschlagen.
10) Heuschläge. Heuschläge abschlagen und vor Ueberwachsung conserviren, 193. II. 2. 1214. Bedeutet dies: abmähen oder von Strauch befreien?
11) von einer Stute. Nachdem die Stute gehörig gedeckt worden und abgeschlagen. 172. 1795. 119. —
13) abschäuern, abkleiden. S. Abschlag.

Hoheisel 1860, 24
abschlagen, abstoßen: Er hat sich den Kopf, den Finger abgeschlagen, abgestoßen st. zerschlagen, gestoßen (lettisch *).

Sallmann 1880, 110
Eigentümlich sind auch die durch Zusammensetzung mit an, ab gebildeten Redensarten, wonach sich einer den Kopf abschlägt, die Zehe abtritt, den Finger absticht, das Ohr abfällt, die Nase abstößt, die Hände abfriert, d. h. durch Anschlagen, Treten, Stechen, Fallen, Stoßen, Frieren verletzt, […]

Gutzeit 1886, 14f.
abschlagen, 1) schlagen. Ein Orfen geben dem Gesellen, der sie (das Weib) wiederum abgeschlagen. 349. XXV. 1. J. 1671/2; zwei Fleischerjungen, daß sie des Mahlers S. Jungen auf der Gassen abgeschlagen, ebda. 1665/6; einen, mit einem Stock, 365. J. 1666, schlagen. Sich die Hand, den Kopf, durch einen Schlag, Stoß verletzen, Lange und Stender. — Man bedauert das arme Weib, welches sich schon zum dritten Mal beim Fallen den Kopf abgeschlagen, Riemenschneider in 175. 1658. N 5. — Ein Eingesandt in rig. Ztg. 1884. 50 enthält ein Non plus ultra: „(Arithmetische Aufgabe). Wenn die Hagenshoffschen Einwohner täglich einmal auf dem Glatteise der Dünn den Kopf sich abschlagen, wieviel mal mehr müßten dann Diejenigen, welche das Sand ausstreuen unterlassen haben, ihre Köpfe abschlagen?“ Hoheisel (322. 24) erklärt die Redeweise: er hat sich den Kopf, den Finger (?) abgeschlagen, abgestoßen, statt: zerstoßen (?!), geschlagen für lettisch und bemerkt, es dürfe uns abschlägig — nicht Wunder nehmen, daß aus dem Lettischen herstammende Provincialismen und lettisch klingende Wörter auch in Estland vorkommen. Seine Annahme ist eine irrige. —
5) Den Käufern zum Besten soll von allen nach Riga kommenden Waaren nur 12 3/4 ℔. vom S℔. abgeschlagen und dekurtiret werden, 149, russ. вычитать. —
13) abschäuern, abteilen. Der Bodenraum bietet hinreichend Raum, um eine Bodenkammer für den „Ältesten“ (Sohn)„abzuschlagen“; im Vorhause ein Kammerchen abschlagen, um allerlei Sachen aufzubewaren. —
14) abladen. Die Fuhren auf- und abschlagen, 306. Spätere Stellen: die Wahren von den Fuhren abnehmen. —
15) schlagen, bezeichnen. Bootsmasten wraken und mit dem publiken Zeichen abschlagen, 283.

Eckhardt 1896, 31
sich den Kopf abschlagen

Eckardt 1904, 45, 48
Was weinst du Junge? - „Ich bin heruntergefallen.“ - Herunter? Von wo herunter? Der Knabe machte ein verdutztes Gesicht. „Auf der Diele, und da hab ich mir den Kopf abgeschlagen.“ - Den Kopf abgeschlagen? - Kein Wort mitleidigen Trostes kam über die Lippen des jungen Magisters. Er schmunzelte vergnügt und zog sein Notizbuch aus der Brusttasche hervor. _ Was hustest du denn so erbärmlich, Karl? _ „Ich - ich habe mich verschluckt, Herr Mezer!“ - Was? dich - verschluckt? Wieder ein Sonnenblick in des Magisters nebelgrauer Schulatmosphäre und wieder ward das Notizbuch um einen Schatz reicher.
Man schlägt sich in Riga so gut den Kopf ab wie in Pernau oder Reval, verschluckt sich hier wie dort ein paar Mal des Tages, ohne an seinem Wohlbefinden Schaden zu nehmen. In Riga so gut wie in Mitau oder am Embach setzt man sich con amore in den Fuhrmann oder auf den Fuhrmann und beide Teile sind es zufrieden. Mit all derlei Arten oder Unarten der Lebensführung, zu denen wir uns als gute Balten gemeinsam bekennen, haben wir es hier also nicht zu tun, wir belauschen dagegen unsre mit unverfälschtem Dünawasser getauften Mitbürger in ihrer harmlosen Unterhaltung und achten lediglich auf jeden Laut und jede Wendung, die auch uns Provinzlern ungewohnt und fremd ans Ohr klingen.

Seemann von Jesersky 1913, 99
verletzen: Ich habe mir den Kopf abgeschlagen. Hast du dich abgeschlagen?

Stegmann von Pritzwald 1952, 421
ich habe mir den Kopf abgeschlagen = gestoßen, geschlagen

Masing DBWB, 1178ff.
abschlagen, st. (ápslāʒən) 1. † verprügeln. Catrin Spillmansche, eine(n) spilman tapfer abgeschlagen – 36 Mk. Rig. Vogt. Rechn. 1625. … dann wan sie betroffen würden, schlugen des Teufels … Wächter sie mit einer … langen Peitschen … grimmig ab … Livl. Landger. akten. № 99, 4 (1692). 2. † zerschlagen. Die Felder sind durch den Hagel ganz abgeschlagen. Gtz. I, 17. _ 3. Fackeln a., sie durch Schlagen auf dem Boden löschen. Die Fackeln an keinem gefährlichen Orte a., sondern mit den Füßen austreten. Der Königl. Stadt Reval erneuerte Feuerordnung 1698 (nach Gtz. I, 17). _ 4. Eidotter a., sie nach dem Zerschlagen der Eierschalen in ein Gefäß gleiten lassen. Die Eidotter werden in einen Topf abgeschlagen, das Eiweiß zu Schaum geschlagen. Handschriftl. Rezept. Kurl. um 1850. _ 5. Holzgegenstände a., mit einem Schlageisen stempeln. Bootsmasten zu wraaken und … mit dem publiquen Zeichen abzuschlagen. Taxa Mwr. Riga. 1800, 9. _ 6. den Abschnürfaden a., den gehobenen und gespannten Faden loslassen; die Kante einer Bettdecke oder deren Mitte a., mit dem mit Kreide bestrichenen Abschnürfaden die Linien für die Steppnaht bezeichnen. Gtz. I, 17. _ 7. † (hinabklappen) Stiefelschäfte, Tischplatten, das Verdeck eines Fuhrwerks, einen Regenschirm a., hinabklappen. … ein par Stiefeln, welche nach englischer Art abgeschlagen sind. Rig. Anz. 1773, 80. Ein … engl. Wagen … , dessen Verdeck auch abzuschlagen ist. (Rig. Anz.) eb. da. 1781, 133. Eine wohlkonditionirte, … , abzuschlagende Pritschka … eb. da. 1804, 580. … eine … Mütze mit einer … Brehm zum A. Mit. Ztg. 25. II. 1794. _ 8. † Heuschläge a., abmähen. Wenn ein Gesinde wüste wird, … ,so muß das dazu gehörige Korn-Land allerdings ruhen, die Heuschläge aber jährlich abgeschlagen und für Üeberwachsung conserviret werden. Buddenbr. Landr. II, 1214 (1696). _ 9. zu Ende schlagen. Wir wollen warten, bis alle Thuruhren abgeschlagen haben. Gtz. I, 17. _ 10. abschäuern (s.d.) Der Bodenraum bietet hinreichend Raum, um eine Bodenkammer … abzuschlagen. Gtz. N 1886, 15. _ 11. † abladen. Die Fuhren auf- und abschlagen. Taxa und Ligger 1859 nach Gtz. N 1886, 15. _ 12. † abgießen. Wen daß fleisch ist halb gekocht, so schlegt man daß Waßer ab undt richtet eß zu mitt Wein … Kochbüchlein 71. _ 13. ┌ einen kalten (Bauern) a., (ejaculationem seminis efficere) sperma eicere. _ 14. coitum repellere … nachdem die Stute gehörig gedeckt und ageschlagen … Rig. Anz. 1795, 119. _ 15. † abziehen, abrechnen. … dasz in den Wagen weiterhin nicht mehr 1Lll vom Sll den Trembden abgeschlagen noch 6 Cent von dem Getreyde genommen werden solte … Bulm. AuU I, 156 (1712). (…?) … wozu und wie lange einige Lieszpfunde in der Wage abgeschlagen werden … eb. da 521 (1723). _ 16. der Branntwein hat die Probe abgeschlagen, hält, gibt keine Probe mehr, zeigt keine Perlen mehr, wenn das Probeglas angeschlagen wird. Wenn die Probe abgeschlagen, gibt der Branntwein mit dem vierten Teil Wasser sogen. Halbbrand. Gtz. I, 17. _ 17. sich a., durch einen Fall, Stoß oder Schlag verletzen. Er rannte im Dunkeln gegen einen Schrank und schlug sich tüchtig ab. Bevor eine Braut zum erstenmal in der Kirche aufgeboten wurde (von der Kanzel fiel), pflegten ihr die Freundinnen ein Kästchen zu schenken, in dem auf einem kleinen Kissen eine Miniaturkrücke und ein zierlicher Stäbchen (meist aus Elfenbein gedrechselt) lagen In Mitau wurde außerdem folgendes Verschen hinzugefügt: „Hold Liebchen, heut´ fällst du von der Kanzel herab; Leg´ unter das Kissen, sonst schlägst du dich ab!” Dieser Brauch erhielt sich bis zum Beginn des Weltkrieges lebendig. sich die Hand, den Kopf usw. a., verletzen. … bedauert man das arme Kind, welches sich schon zum dritten Mal beim Fallen den Kopf abgeschlagen. Inland 1858, 74. _ 18. part. abgeschlagen, ermattet, entkräftet: a. sein oder sich fühlen. Gtz. I, 17.

Masing DBWB, 120
abschlagen, Ferner gehört es sich, daß de Teig zuerst in der Backschüssel (Mulde) abgechlagen wird, bis er sich schält, dann wirkt man ihn auf einem mit Mehl besträuten Backbrette aus, wobei man ihn tüchtig klopft, um das Gähren zu befördern, und setzt ihn dann, leicht gedeckt, einer mäßigen Wärme aus. Mit. Kochb. 1876, 298.
¤ abschlagen, Nim junge hüner, wen sie halb gesotten, schlage den meinsten Teil davon ab, … (Kochbüchlein 73).
¤ Probe abschlagen, Um die Stärke des aus den Röhren fließenden Strahls zu rechter Zeit mäßigen und das Feuer darnach dämpfen zu können; auch ziemlich genau zu bestimmen, wie vielen Branntwein man erhalten werde, muß der aus den Röhren laufende Branntwein öfters probirt werden. Dies geschieht, wenn man ein kleines Gläschen … vor dem Auslauf hält und halb voll laufen läßt … (157). Wenn man nun dieses, oben mit dem Finger zugehaltene, Gläschen einmal schüttelt oder anschlägt; so sieht man gleich, ob es Probe hält, das heißt, ob Perlen entstehen. Hiebey muß man sich merken, daß auch der erste stärkeste Spiritus … keine Probe hält; und so lange muß er auch am stärkesten laufen; darauf …. hält er Probe, und muß derweilen mittelmäßig (nämlich eines Strohhalmes dick) laufen: dann aber hört erbald auf, Probe au halten, oder, nach der Kunstsprache: er hat die Probe abgeschlagen, das heißt, er hält keine Perlen mehr, wenn es angeschlagen wird; das Feuer muß alsdann sogleich sehr ermäßigt, und das im Vorlagefaß vorhandenes Quantum gemessen werden, um ungefähr zu wissen, wie viel man noch dazu könne laufen lassen, und wie viel guten Branntwein man überhaupt zu bekommen Hoffnung habe: … (Hupel, Oek. Handb. II, 156/7, Fußnote 82).
¤ abschlagen, sich, Wenn ein Fisch blau gekocht werden soll, muß man dafür sorgen, daß er im Wasser bleibe, nicht trocken gebracht werde, und sich den zarten Schleim nicht abschlage, vermöge dessen er nur blau werden kann. (LKWb 1817, 204).

Nottbeck 1987, 16
Ich habe mir den Kopf am Fenster abgeschlagen - gestoßen /E. K. L. R.


QUELLEN (Informanten)
Weinert, Paul: Riga
durch Stoß verletzt: Ich habe mich abgeschlagen.

ach Interj
mit Ach und Krach, ach und wie
1. de (bedauernd, klagend); et ah!
Ach! da brach der zarte Alabaster
2. de (staunend); et ohoh!
welches dem Beschauer ein staunendes „Ach!” abnötigte
3. de (wirkliches oder fingiertes Interesse an einer Mitteilung des Gesprächspartners ausdrückend); et ah nii?
„Was Sie sagen!” Ja, ein Graf Groot…”, warf er Gefragte lässig hin. Der Balte sagte nicht als: „Ach?” Vielleicht verschlug Bewunderung ihm die Rede.
4. de (zur Einleitung einer Vergewisserungsfrage); et ah
Ach, die beiden, die immer so fein gekleidet herumliefen, die meinen sie?
Fängt er Fische? Ach nicht?
5. de (zur Einleitung einer Bitte)
Ach, reichen sie mir doch, bitte, die Butter! [Ein alter baltischer Edelmann soll seine Kinder folgendermaßen ermahnt haben: „Kinder, seid freundlich zu den Dienstboten! Sagt nicht: „Bringen Sie…!”, sondern: „Bitte, bringen Sie …!”, und wenn euch das zu schwer wird, dann sagt wenigstens: „Ach, ….!”]
6. de (bei unwilliger Ablehnung einer unberechtigten oder lästigen Zumutung); et ah
Ach, laß mich zufrieden!
7. de (bei der Zurückweisung einer wenig glaubhaften Mitteilung oder wenig plausiblen Erklärung); et ah
„Ach, geh doch,” sagt Carl ungläubig, „wie wird nur der Kater sich auf den Tisch schlafen gelegt haben…”
8. de (in Antworten und Erwiderungen, um eine Angelegenheit als harmlos, bedeutungslos, unkompliziert zu kennzeichnen); et ah
„Ach, Strunt,” entgegnete Nanny
Ach, es ist nichts Besonders. Ich wollte Ihnen nur sagen […]
„Was führt Sei her, womit kann ich …?” „Ach, wissen Sie, eigentlich komme ich so selbstig, wie der Kurländer am liebsten kommt.”
„Seit wann bist du denn zu dieser Überzeugung gekommen?” „Ach, schon immer…”
9. de (im Sinn von beiläufig, übrigens); et ahjaa
Ach, was ich noch sagen wollte
Ach, das hätte ich beinah vergessen
10. de (zum Ausdruck beginnenden Verstehens) (⁓ so)
Ach so, Sie rauchen Zigaretten, meinetwegen…
11. de (zusammenfassend und abschließend, mit dem Nebenton der Resignation) (⁓ ja)
Ach ja, man hat´s nicht leicht
„Ach ja”, sprach sie und starb (eines seligen Todes; ihr letztes Wort war „Schnaps!”).
12. de (in Verbindung mit einer scheltenden Anrede)
„Ach du Grünschnabel”, war die entrüstete Antwort…
13. de (ebenso in Form und Sinn, aber auf eine dritte Person bezogen)
Ach du Schubjack (einer)! 'so ein Schubjack!'
14. de (ebenso, aber ohne Beziehung auf eine Person – eine Art Stoßseufzer oder Verwünschung); et ah sa, oh (sa)
Ach du liebe Zeit!
Ach du meine Güte!
Einmal sprang er auf und sagte: „Ach du Draht!” das wußten wir, daß er etwas vergessen hatte.
Ach du Deiwel!
Ach du Schmerz!
Ach du Gemeinheit!
Ach du Pest!

DAZU:
Ach du lieber Augustchen (-ing) (id) [die Endung des Namens Augustin wird als Diminutivendung aufgefast und iŋ gesprochen oder durch –chen ersetzt]
Ach Gottchen, sprach Lottchen, sieben Kinder und kein Mann (was fang ich Arme an?)! (id)
Ach Gottchen, sprach Lottchen und schwang sich aufs Pottchen (id)
siehe auch Interjektionen

QUELLEN

Masing DBWB, 169ff.
ach, interj. (ax) 1. bedauernd, klagend. Ach! da brach der zarte Alabaster, … Dah. bild. 45.
2. staunende … welches dem Beschauer ein staunendes „Ach!” abnötigte. Dah. bild. 45.
3. wirkliches oder fingiertes Interesse an einer Mitteilung des Gesprächspartners ausdrückend, etwa im Sinn von: „Was Sie sagen!” Ja, ein Graf Groot…”, warf er Gefragte lässig hin. Der Balte sagte nicht als: „Ach?” Vielleicht verschlug Bewunderung ihm die Rede. Holm. M.G.a.V. 10.
4. zur Einleitung einer Vergewisserungsfrage. Ach, die beiden, die immer so fein gekleidet herumliefen, die meinen sie? Rig. Rdsch. 7.IX.1937. Fängt er Fische? Ach nicht? ebda. 6.IV.1935.
5. zur Einleitung einer Bitte. Ach, reichen sie mir doch, bitte, die Butter! Ein alter baltischer Edelmann soll seine Kinder folgendermaßen ermahnt haben: „Kinder, seid freundlich zu den Dienstboten! Sagt nicht: „Bringen Sie…!”, sondern: „Bitte, bringen Sie …!”, und wenn euch das zu schwer wird, dann sagt wenigstens: „Ach, ….!”
6. bei unwilliger Ablehnung einer unberechtigten oder lästigen Zumutung. Ach, laß mich zufrieden! Worms, Th. fr. 111.
7. bei der Zurückweisung einer wenig glaubhaften Mitteilung oder wenig plausiblen Erklärung. „Ach, geh doch,” sagt Carl ungläubig, „wie wird nur der Kater sich auf den Tisch schlafen gelegt haben…” T. Alice, I.M. 92.
8. in Antworten und Erwiderungen, um eine Angelegenheit als harmlos, bedeutungslos, unkompliziert zu kennzeichnen. „Ach, Strunt,” entgegnete Nanny. Dorn, A., 88. Ach, es ist nichts Besonders. Ich wollte Ihnen nur sagen …. Pantenius, I. B. d. V., 233. „Was führt Sei her, womit kann ich …?” „Ach, wissen Sie, eigentlich komme ich so selbstig, wie der Kurländer am liebsten kommt.” Worms, Erdk. 192. „Seit wann bist du denn zu dieser Überzeugung gekommen?” „Ach, schon immer…” Holm, Kerkh. 473.
9. im Sinn von beiläufig, übrigens. Ach, was ich noch sagen wollte. Ach, das hätte ich beinah vergessen.
10. a. (so), zum Ausdruck beginnenden Verstehens. Ach so, Sie rauchen Zigaretten, meinetwegen… Pantenius. IBdV, 48.
11. ach ja, zusammenfassend und abschließend, mit dem Nebenton der Resignation. A. ja, man hat´s nicht leicht. R.a. „Ach ja”, sprach sie und starb (eines seligen Todes; ihr letztes wort war „Schnaps!”).
12. in Verbindung mit einer scheltenden Anrede. „Ach du Grünschnabel”, war die entrüstete Antwort… Pantenius, I.B.d.V., 64.
13. ebenso in Form und Sinn, aber auf eine dritte Person bezogen. Ach du Schubjack (einer)! so ein Sch.!
14. ebenso, aber ohne Beziehung auf eine Person – eine Art Stoßseufzer oder Verwünschung. Ach du liebeZeit! Ach du meine Güte! – Einmal sprang er auf und sagte: „Ach du Draht!” das wußten wir, daß er etwas vergessen hatte. Beibl. z. K.E. 1931, 183. Ach du Deiwel! Ach du Schmerz! Ach du Gemeinheit! Ach du Pest!
15. Mit Ach und Krach, mit genauer Not. Und da kam er auch mit A. u. Kr. Bertram B.Sk. III. 106.
16. ach und wie, „Wenn er nur könnte, so würde er schon”, sagt der eine, und der andere bekräftigt mit: ach und wie! Gtz. N 1886, 22. Ach du lieber Augustchen (-ing): die endung des Namens Augustin wird als Diminutivendung aufgefast und iŋ gesprochen oder durch –chen ersetzt. _ Ach Gottchen, sprach Lottchen, sieben kinder und kein Mann (was fang ich Arme an?)! _ Ach Gottchen, sprach Lottchen und schwang sich aufs Pottchen.

Alfanzerei die
de Albernheit; et lapsikus, veiderdamine

QUELLEN

Sallmann 1880, 28
Alfanzerei plattdeutsche Entlehnung

Gutzeit 1886, 27f.
Alfanzerei, die. Von den verschiedenen Ausdrücken Alfanz, alfanzen u.s.w. allein gebräuchlich. Die Bedeutung: närrisches, albernes Tun oder Sein.
Die Herleitung von Alfanz aus ital. all'avanzo zum Vorteil mutet ebensowenig an wie die von al, el fremd und fanzen reden, fenzen spotten; wenig auch die Annahme, dass Alifanz den fremden Schalk, Landstreicher, Schelm bezeichne. Die ältesten Schreibungen des Wortes beweisen durch ihre Verschiedenheit, dass es nicht als deutsches herausgefült wurde; dasselbe erweist auch der Doppelbegriff des Wortes Alfanz, welches teils für eine Person, theils für eine Sache verwandt wurde und wird - was der deutschen Sprache wol fremd und kaum anders als aus dem Unverstandenen des Wortes zu erklären sein dürfte; das männliche Geschlecht des Wortes ließ dieses ebenso wol für eine Sache als für eine Person verwenden. Ich mögte Alfanz als entstanden vermuten aus franz. élégant. Dass die ungehobelten Deutschen des Mittelalters den französischen Elegant für einen geckenhaften Narren hielten und als solchen ihn und sein Auftreten bespöttelten, hat nichts gegen sich; kommt das ja noch heute oft genug vor! Sie konnten den französischen Gecken oder Narren zwar auch mit einem deutschen Ausdrucke benennen, zogen aber den fremden vor, um den Franzosen und seine französische Eigenschaft besser zu kennzeichnen. Dass der deutsche Mund das französische Wort nur entstellt wiederzugeben vermochte, dafür finden sich eine Menge Beispiele, so in Wolfram's Parsifal und Wilhelm. Sie schrieben französische Wörter nach deer ihrem Ohre vernehmbaren Aussprache und gemäß der seltsamen, damals üblichen Schreibweise. So entstanden: Terdelaschoye, Schastel, marveille, Munsalvasch, Munschoy, Munlêûn, Blanscheflur, in denen es schwer wird, das franz. Wort herauszuerkennen. Bei der Wiedergabe des franz. Elegant war es daher möglich, dass das erste e zu a wurde, dass das zweite é teils e blieb, teils in a, i, en, an, sich verwandelte, g aber in deutschtümliches f. Das Ganze gewann ein heimisches, deutscheres Gepräge. In den ältesten und alten Gestaltungen des Wortes iist dies noch weniger erkennbar als in den neueren; die ältesten und alten lassen noch das zweite e des franz. Wortes in a, e und i, an und en erscheinen; die neuere und neueste hat den zwischenlaufenden Selbstlaut ausgestoßen, wodurch Alfanz entstanden und dem Ganzen ein noch deutscheres Aussehen verliehen ist. Die Endung fanz ist daher wol ebenso wenig wie in Firlefanz und Popanz mit deutschem Fanz oder Fant zusammenzubringen, vgl. Firlefanz.

alles1 Pron
all1

nicht um Alles werde ich das thun! 'um nichts in der Welt, um keinen Preis'
nicht um Alles in der Welt
um Alles in der Welt unterlaß das! 'thu' es um Gottes Willen nicht'
Was kann oder will er denn nóch Alles von mir verlangen?
Was Alles will man denn nóch von mir? [als Antwort, wenn man eigener Ueberzeugung nach, schon Alles erfüllt hat, auf Alles eingegangen ist.]
Ich hatte gegessen und Alles, und konnte davon fahren

QUELLEN

Gutzeit 1859, 29
alles sehr gew. in folgenden Redensarten. Wo bist du alles gewesen? Wo sollt' ich denn alles gewesen sein? Wohin sollt' ich denn alles gehen? Wo hat er sie denn alles gesucht?
dies alles verklärt das wo oder wohin, und hat den Sinn von überall. Grimm führt unter all (212. III. 4.) ein ähnliches alles mit was verbunden auf, das auch bei uns gewöhnlich ist. - Die Handschrift 209 führt als ein gewöhnliches Anhängsel an: und alles das. Noch jetzt hört man nicht selten: alles abgemacht, alles gethan. Z.B. Ich hatte gegessen und Alles, und konnte davon fahren.

Gutzeit 1894, 1
alles. Nicht um Alles werde ich das thun! d. h. um nichts in der Welt, um keinen Preis. Auch: nicht um Alles in der Welt. Um Alles in der Welt unterlaß das! d. h. thu' es um Gottes Willen nicht. — Was kann oder will er denn noch Alles von mir verlangen? Oder: was Alles will man denn noch von mir? Als Antwort, wenn man, eigener Ueberzeugung nach, schon Alles erfüllt hat, auf Alles eingegangen ist. Gew. s. Wörterschatz.

alles2 Adv
de überall
wo bist du alles gewesen?
wo sollt' ich alles gewesen sein?
wohin sollt' ich denn alles gehen?
wo hat er sie denn alles gesucht? [dies alles verklärt das wo oder wohin, und hat den Sinn von überall.]
siehe auch all2

QUELLEN

Gutzeit 1859, 29
alles sehr gew. in folgenden Redensarten. Wo bist du alles gewesen? Wo sollt' ich denn alles gewesen sein? Wohin sollt' ich denn alles gehen? Wo hat er sie denn alles gesucht?
dies alles verklärt das wo oder wohin, und hat den Sinn von überall. Grimm führt unter all (212. III. 4.) ein ähnliches alles mit was verbunden auf, das auch bei uns gewöhnlich ist. - Die Handschrift 209 führt als ein gewöhnliches Anhängsel an: und alles das. Noch jetzt hört man nicht selten: alles abgemacht, alles gethan. Z.B. Ich hatte gegessen und Alles, und konnte davon fahren.

Gutzeit 1894, 1
alles. Nicht um Alles werde ich das thun! d. h. um nichts in der Welt, um keinen Preis. Auch: nicht um Alles in der Welt. Um Alles in der Welt unterlaß das! d. h. thu' es um Gottes Willen nicht. — Was kann oder will er denn noch Alles von mir verlangen? Oder: was Alles will man denn noch von mir? Als Antwort, wenn man, eigener Ueberzeugung nach, schon Alles erfüllt hat, auf Alles eingegangen ist. Gew. s. Wörterschatz.

Kobolt 1990, 37
alles Adv. überall, z.B.: Wo bist du alles gewesen? eigenständige deutsch-balt. Redewendung; auch im Estnischen

amborstig Adj
‣ Belege: Kurland
de engbrüstig

QUELLEN

???, 130
im Kurland, 18. Jh.

Ostpreußenblatt 1955, 10
Ambarschtig In Ostpreußen mussten Bauer und Landarbeiter schwer arbeiten; dies bedingte die kürzere Vegetationsperiode gegenüber den durch das Klima bevorzugten Gegenden im „Reich“. Die Ackerbestellung, die Aussaat, die Aust mussten schnell verrichtet werden. Vom ersten Sonnenstrahl bis zum Sonnenuntergang währte die Arbeitszeit. Wurde aber ein Fest im Familien- und Nachbarkreise gefeiert, so griff man ebenso herzhaft wie auf dem Felde oder im Fach zu; setzte doch die Hausfrau ihre Ehre darin, aufzutischen, was Küche und Keller nur bieten konnten, „Öck heww mi rein ambarschtig gefräte!“ berichtete dann, voll Wohlbehagen sich auf den Magen klopfend, am nächsten Morgen ein Teilnehmer an dem reichlichen Mahl. - Ambarschtig (auch amborschtig und anbarschtig) bedeutet etwa: zum Platzen voll, dick, gefüllt nach starkem Essen. In der Gegend um Pr.-Eylau war auch die Wortverbindung „ambarschtig sein“ geläufig, was unfreundlich sein, sich ärgern, hieß. Auch „sich ambarschtig arbeiten“ konnte man beim allzu eifrigen Zupacken. Aus der niederländischen Sprache ist amborstig mit engbrüstig zu übersetzen. Der Wortsinn bleibt der gleiche, denn wer sich sehr voll gegessen hat, holt ebenso schwer Atem wie der engbrüstige.

an1 Präp Akk, Dat
1. de (statt einfachem Dativ)
sag es an ihn
er hat es an mir gesagt
gib es an ihn
2. de (oft in Konstruktionen mit Dativ statt Akkusativ)
an der Thür klopfen, poltern
ich will das an der Wand anstellen
keine von den Russen an der Stadt gebrachte Waren auflegen
3. de (in Konstruktionen mit Akkusativ statt Dativ)
die Reihe ist an mich

DAZU:
Loch an Loch, Riss an Riss, Blüte an Blüte an einem Zweig
Er hat doch nichts àn sich, wodurch er lächerlich erscheinen könnte (id)
es ist an dém (id) 'es verhält sich so'
an was ist er gestorben? 'woran ist er gestorben?'
ich habe viele Worte an mir für angenommen
siehe auch Rektion

QUELLEN

Bergmann 1785, 3
an ich habe viele Worte an mir für angenommen; die Reihe ist an mich, st. an mir

Petri 1802, 82
an gieb es an ihn; sag es an ihn; er hat es an mir gesagt

Gutzeit 1859, 34
an Die ältere Sprache gebrauchte häufig die Construction mit dem Dativ, wo die hochdeutsche den Accusativ fordert. Beispiele finden sich eine Menge in allen ältern Druckschriften Rigas, so in den Verordnungen für die Handelsämter. Wenn nasses Gut an der Wage gebracht wird; keine von den Russen an der Stadt gebrachte Waren auflegen u.s.w. - So wie man früher sprach und schrieb, schreibt man gegenwärtig nicht mehr; in der gewöhnlichen Umgangssprache findet sich aber diese Dativ-Constrution ebenso allgemein bei an, wie bei auf und in. Namentlich wird noch gern der Dativ gebraucht, wenn auch das Zw. mit an zusammengesetzt ist, z.B. ich will das an der Wand anstellen, st. an die Wand stellen.

Gutzeit 1886, 37f.
an mit Acc. statt einfachem Dativ. Etwas an einen sagen, statt einem sagen. Storch, (454.II.440) sagt, diese Redensart höre man zuweilen sogar unter gebildeten Leuten in Petersburg; er meint, sie sei ein Ruthenismus. In Livland ist derselbe gewönlich, in ähnlichen Wendungen, z.B. er hat das an mich [ge]geschrieben, an mich geschickt; gib das an Karl, sag' das an Ernst, leih das an Fritz. In diesen Wendungen ist an nicht russisch; die russische Sprache kennt sogar diese Wendung nicht und gebraucht den Dativ. Überdies sind die angef. Wendungen auch hochdeutsch, wenn gleich nicht edel.
In der gewönl. Sprechweise oft mit Dativ statt Accusativ. An der Thür klopfen, poltern, seinen Namen (an) schreiben.
In Rechnungen: an ein Frack angefertigt; an 4 Lucht Fenstern; an gelieferte 50 Faden Balken; an das Hausschild geschrieben, an 2 Zimmer ausgestrichen 6 rbl; an 4 Räme 2 Mal gestrichen 80 Kop.
Loch an Loch, Riss an Riss, Blüte an Blüte an einem Zweig.
Er hat doch nichts àn sich, wodurch er lächerlich erscheinen könnte.
Es ist an dém, d.h. verhält sich so. Schon in Russow Chronik 66a. ydt ys an dem.
an waß, nd. an wat, st. woran. In 476: an was ist er gestorben? - Bei uns ebenso gew. wie auf was, um was u.a.

Gutzeit 1886, 32
am Bei Zeitbestimmungen wird st. am oft der Accusativ benutzt. Er traf den 17. August in Riga ein. Die Megde und Ammenkoste sollen den Abent (d) anfangen, 309. 3.

anhoien V [h]
‣ Varianten: anhuien
Vt 'mit Hoi anrufen'
das Anhoien des Schiffes geschah in Folge

DAZU:
einen anhoien (id) 'sich betrinken'
KOMM: Was die altertümliche Interjektion hui betrifft, so brauchen die rigischen Hutmacher noch heute das Wort anhuien im Sinne von „einen fremden Gesellen nach seinen Personalien fragen“; aus der Handwerkersprache ist dieses Wort in etwas allgemeinerer Bedeutung ('jemand anrufen, um ihn etwas zu fragen oder sich mit ihm zu unterhalten') und in leicht geänderter Form als anhoien in die Sprache der dörptschen Studenten eingedrungen.

QUELLEN

Gutzeit 1886, 44
anhoien, mit Hoi anrufen. Das Anhoien des Schiffes geschah in Folge, rig. Ztg. 1875. 174.

Masing 1931, 15
Was die altertümliche Interjektion hui betrifft, so brauchen die rigischen Hutmacher noch heute das Wort anhuien im Sinne von „einen fremden Gesellen nach seinen Personalien fragen“; aus der Handwerkersprache ist dieses Wort in etwas allgemeinerer Bedeutung ('jemand anrufen, um ihn etwas zu fragen oder sich mit ihm zu unterhalten') und in leicht geänderter Form als anhoien in die Sprache der dörptschen Studenten eingedrungen.

ankeilen V [h]
1. Vt de anschleudern, anschlagen; et virutama, põrutama
bei einem Geld ankeilen 'ihn anquetschen'
‣ Synonyme: anknallen, anfeuern, anbrennen
2. Vt Stud. de anwerben (einen Fuchs [Studenten] zu einer Verbindung)

QUELLEN

Gutzeit 1859, 39
ankeilen, was anknallen, anfeuern, anbrennen. — Bei einem um Geld, ihn anquetschen.

Sallmann 1880, 81
ankeilen dasselbe was ankacheln.

Gutzeit 1886, 44
ankeilen, einen Fuchs (Studenten) zu einer Verbindung, anwerben, 324; einen um Geld, anquetschen.

Ankerneek der
‣ Varianten: Ankernek, Ankerniek
{lett. enkurneeks Eckhardt 1896, 28}
'Dünalotse'

QUELLEN

Gadebusch 1780b, 211
Ankerneken, ein Wort, welches in der rigischen Handelsordnung § 39, Nr. 5 vorkommt.

Gutzeit 1859, 40
Ankernek Ankerneken sind in Riga Leute, die sich mit dem Flößen von Holz abgeben. Es besteht in Riga ein besonderes Ankerneken-Amt, und eine besondere Verordnung für dasselbe (116). Man schreibt gewöhnlich wie im Lettischen Ankerneek: ein deutsches Wort mit lettischer Endung.

Eckhardt 1896, 28
Ankerneek a. d. Lett.

Eckardt 1904, 64
Bei dem bösen Drunter und Drüber, im eigentlichen Sinne des Wortes, wo sich die wild gewordenen Balken wie Kraut und Rüben ineinander mengen, unter und übereinander verschieben, habeern n dann die „Ankerneeken“ alle Hände voll zu tun, um, soweit solches erreichbar ist, aus dem Gewirr notdürftig wieder ins Gleis zu kommen. Die „Ankerneeken“ mit ihrem „Ankerneekenamt“ und allem, was dem zugehörig ist, stellen sich, sprachlich genommen, als ein eigenartiges, deutsch-lettisches Zwittergeschlecht dar, dem in seiner weitgreifenden Berufssphäre keine unwichtige Rolle im Rigaer Verkehrsleben zugefallen ist. Stilvoll und beyeichnend für die nationale Verbrüderung, die durch den Namen der Innung angedeutet wird, heißt seit Jahr und Tag eine ihrer bewährtesten Firmen. „Strauch und Kruhming“.

Seemann von Jesersky 1913, 102
Ankerneek let., enkurneeks. Empfänger und Beförderer der Flösse durch Festlegen bei der Ankunft und darauf Abfertigung an ihrem Bestimmungsort. Amt.

Maltz 1955, 34
die Ankerneeken - lett. Flusslotsen

Pantenius 1959, 21
die Ankerneeken stam[m]ten von lettischen zu Riga gehörenden Dünafischern ab. Für Ihre Vorrechte musten sie dem Rigaschen Rat verschiedene Dienstleistungen ableisten, z. B. Bergung und Suche nach Ertrunkenen, bei Eisgang und Überschwemmungen usw.


QUELLEN (Informanten)
Weinert, Paul: Riga
Die Ankernieken waren ursprünglich lettische Dünafischer, die seit Jahrhunderten zu Riga gehörten. Sie lebten am Ufer der Düna in Überdüna, auf den Rigaschen Dünaholmen, in der Moskauer Vorstadt am Dünaufer. Sie waren verpflichtet dem Rat beim Eisgang, Überschwemmungen, bei Schiffshavarien auf der Düna bei der Suche nach Ertrunkenen Hilfe zu leisten. Es waren sehr anständige an harte Arbeit gewöhnte Menschen. Sie bauten im Winter die Stossschlittenbahn auf dem Dünaeise nach Hagensberg. Sie beförderten gegen Entgelt Personen auf Stossschlitten. Sie trugen Schlittschuhe und stiessen die Schlitten in rasender Fahrt hinüber und herüber.

an was
de woran
an was ist er gestorben?

QUELLEN

Gutzeit 1886, 38
an was, nd. an wat, st. woran. In 476: an was ist er gestorben? - Bei uns ebenso gew. wie auf was, um was u.a.

anwerben V [h]
Vt
Wir haben, was ihr uns durch Kanzler anwerben lassen, vernommen 'ansuchen'
wenn bei den Fürsten ihre Unterthanen sich anwerben lassen, diese nicht lange zu warten haben
ich bin zum Kanzler gekommen u. habe ihm angeworben 'um Vorlass sich bewerben'

QUELLEN

Gutzeit 1886, 53
anwerben Wir haben, was ihr uns durch Kanzler anwerben lassen, vernommen, 351. XVII. 46. Nicht: vortragen, melden, sondern: ansuchen; wenn bei den Fürsten ihre Unterthanen sich anwerben lassen, diese nicht lange zu warten haben, 349. IV. II: um Vorlass sich bewerben; ich bin zum Kanzler gekommen u. habe ihm angeworben, 351. XVII. 42, nach Brotze: vorgetragen.

aus-3 Präf
1. 'heraus, hinaus'
ausreiten, ausfahren
2. 'bei Verben der Bewegung und Hilfszeitwörtern elliptisch'
ausdürfen, auswollen, auswünschen usw. [Häufig sind die Verbindungen mit Hilfszeitwörtern und einigen anderen, bei welchen, um den Sinn richtig zu fassen, ein ergänzendes Zeitwort hinzudenken ist. So dürfen, können, mögen, sein, sollen, müssen, wollen, werden, wünschen. Meist ist zu ergänzen: aus der Stadt aufs Land, aus dem Haus, aus dem Bett, auf das geheime Gemach. Der Gebrauch dieser Ergänzung fordernden Zeitwörter ist viel ausgedehnter, als er im Hochd. zu sein scheint.]
siehe auch ausbrauchen
3. 'pleonastisch'
die Gänse müssen besser ausgemästet werden
das Leder kann besser ausgeschmiert werden
4. 'im Innern, von innen heraus, nach innen'
eine Form mit Butter ausstreichen, mit Reibbrot ausstreuen
ein Casseroll mit Speckscheiben auslegen [Im Hochd. hat man ähnliche Verbindungen, nur in beschränkterer Zahl, so: einen Ofen ausschmieren, eine Form mit Fett ausschmieren. Flache Geschirre werden belegt, bestreut, bestrichen, tiefe ausgelegt, ausgestreut, ausgestrichen]
5. 'verstärkend = ab, ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens'
6. 'auseinander'
siehe auch ausblättern, ausreffeln
7. 'inchoativisch'
8. 'zur Bezeichnung der Vollendung oder Beendigung'

DAZU:
ausgehen
KOMM: Da aus in zahlreichen Zusammensetzungen, wie wir gesehen haben, euphemistisch die Bedeutung „zu Stuhl“ gewinnt, so hat sich ein aus Deutschland Kommender zu hüten, daß er nicht etwa vor fremden Ohren die Absicht laut werden läßt auszugehn, oder von einem augenblicklich von Haus Abwesenden, nach dem gefragt wird, die Auskunft ertheilt: er ist aus. Ueberall, wo eine Zweideutigkeit möglich ist, wird „von Haus“ gesagt. Man braucht also wohl ausreiten, ausfahren, aber nicht ausgehn = spazieren gehen, aussein = von Haus, auf einem Spaziergang abwesend sein, sondern statt dessen „von Haus gehen, von Haus sein“.

QUELLEN

Petri 1802, 82
aus, für heraus, z.B. komm aus! wann eher ausgekommen? d.h. wann sind Sie herausgekommen? er ist aus, statt draußen

Gutzeit 1859, 67
aus In Verbindung mit Zeitwörtern oder ohne dieselben häufig st. heraus oder hinaus, was, außerdem dass die Rede gekürzt wird, noch mit gewissen Vorzügen verbunden ist. Im Hochd. ist dieser Gebrauch viel eingeschränkter, findet sich aber in manchen Redensarten, wo unsre Sprache hinaus oder heraus verlangt. So bei dem Zw. ausbringen, unter welchem Grimm anführt: Du bringst mich heute nicht aus (der Stube); ein Landstreicher wurde ausgebracht. In beiden Fällen sagen wir hinausbringen. Hierzu gehören auch diejenigen Wörter, bei denen aus die Bedeutung von: aus der Stadt hinaus od. heraus hat. Er kann zu dir auskommen: aus der Stadt auf’s Höfchen; er kann zu dir ausfahren, ausgehen: aus der Stadt auf’s Höfchen hinaus; er kann das Geld zu dir ausbringen: aus der Stadt aufs Höfchen oder in die Vorstadt hinaus. – 2) aus in Verbindung mit Zeitwörtern leiht ihnen häufig eine pleonastische Verstärkung. Die Gänse müssen besser ausgemästet werden; das Leder kann besser ausgeschmiert werden. 3) mit Zeitwörtern, die eine Bewegung, Handverrichtung bezeichnen, bedeutet es weder (wie bei ziellosen) von innen her, noch (bei zielhaften) von außen her (vgl. Grimm aus 9. a), sondern im Innern, inwendig. Eine Form mit Butter ausstreichen, mit Reibbrot ausstreuen, ein Casseroll mit Speckscheiben auslegen. Im Hochd. hat man ähnliche Verbindungen, nur in beschränkterer Zahl, so: einen Ofen ausschmieren, eine Form mit Fett ausschmieren. – Flache Geschirre werden belegt, bestreut, bestrichen, tiefe ausgelegt, ausgestreut, ausgestrichen. - 4) häufig sind die Verbindungen mit Hilfszeitwörtern und einigen anderen, bei welchen, um den Sinn richtig zu fassen, ein ergänzendes Zeitwort hinzudenken ist. So dürfen, können, mögen, sein, sollen, müssen, wollen, werden, wünschen. Der Gebrauch dieser Ergänzung fordernden Zeitwörter ist viel ausgedehnter, als er im Hochd. zu sein scheint. 5) in der Bedeutung von: auseinander, so in: ausblättern, ausreffeln u.s.w. Bemerkenswert sind folgende Wendungen. Hecht aus seiner Suppe gekocht, Enten aus ihrer eignen Suppe kochen, st. in oder mit. In der Küche, 155. – Man muss aus dem Gelenke hauen, nicht mit dem ganzen Arm. Fechtkunst. – Aus den Schiffen, oder aus den Kellern Salz messen: beim Einkauf aus den Schiffen, beim Verkauf aus den Kellern, 149. Kein Gast noch Fremder soll aus den Schiffen Salz und Hering kaufen, 7. Wenn Jemand begehrete aus’m Schiffe zu löschen, 148; seine Sache aus dem Gefängnisse ausführen: im Gefängniss befindlich, von dort her, 148 (in den abg. Artikeln). – Die Möbeln sind aus dem Leim gegangen: die Verleimung hat sich gelös’t und die Möbeln sind dadurch auseinander gegangen. Tischlerei. 7) Nebenwörtlich und mit Weglassung des Zeitworts: a. zu Stul gewesen. In Tagebüchern: heute 3 Mal aus; etwas, viel, mit Schmerz, dick, schleimig aus; b. aus dem Hause gewesen. Heute aus, morgen aus, alle Tage wollen Sie aus! c. aus! ruft man in verschiedenen Spielen; das Theater heute um 11 aus.

Sallmann 1880, 88, 110f.
aus, häufiger als sonst auch in Verbindung mit Substantiven vorkommend, steht in Zusammensetzungen 1) = heraus, hinaus 2) bei Verben der Bewegung und Hilfszeitwörtern elliptisch (meist ist zu ergänzen: aus der Stadt aufs Land, aus dem Haus, aus dem Bett, auf das geheime Gemach) 3) pleonastisch 4) = im Innern, von innen heraus, nach innen 5) verstärkend = ab, ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens 6) = aus einander 7) inchoativisch 8) zur Bezeichnung der Vollendung oder Beendigung.
Da aus in zahlreichen Zusammensetzungen, wie wir gesehen haben, euphemistisch die Bedeutung „zu Stuhl“ gewinnt, so hat sich ein aus Deutschland Kommender zu hüten, daß er nicht etwa vor fremden Ohren die Absicht laut werden läßt auszugehn, oder von einem augenblicklich von Haus Abwesenden, nach dem gefragt wird, die Auskunft ertheilt: er ist aus. Ueberall, wo eine Zweideutigkeit möglich ist, wird „von Haus“ gesagt. Man braucht also wohl ausreiten, ausfahren, aber nicht ausgehn = spazieren gehen, aussein = von Haus, auf einem Spaziergang abwesend sein, sondern statt dessen „von Haus gehen, von Haus sein“.

Gutzeit 1886, 76
aus Mit Zeitwörtern verbunden verstärkend für ab u. ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens, 390c. 88; zur Bezeichnung der Vollendung od. Beendigung, ebda. – In rig. Ztg. 1880. 50: kommt der Diener spät nach Haus‘, so ist es gleich ganz aus, d.h. ist die Herrschaft ganz böse, aus Rand und Band.
Nicht ein nicht aus wissen, sich nicht zu retten u. zu helfen wissen. Bei Stender: er weiß nicht wo aus, wo ein, d.h. weiß nicht, wo bleiben od. wo sich lassen.

Ausgebäude das
‣ Varianten: Ausbau, Ausbaulis, Ausbausel
‣ Belege: Riga
'ein an die Mauer des Hauses angesetztes kleines Gebäude'
die an den Häusern hervorstehenden Ausgebäude, Kellerhälse (od. Ausbaulisse, wie man sie gewöhnlich nannte)
in vorigen Zeiten fielen mit Vorrückung der Häuser, Ausgebäuden u. Erweiterung der Wohnungen viele Mißbräuche vor
die Behauptung, die Einquartirung zu schwed. Zeiten habe die An- und Ausgebäude in Riga veranlasst
die kleinen Rathen (Ausgebäude) u. Steinhäuser, die den Straßen den Raum benehmen

QUELLEN

Hupel 1795a, 12
Ausgebäude oder Ausbaulis oder Ausbausel, bedeutet in Riga, wie Gadeb. meldet, ein an die Mauer des Hauses angesetztes kleines Gebäude.

Gutzeit 1859, 74
Ausgebäude Nach Gadebusch (151) gebraucht man dies Wort in Riga, um die an die Hauptmauern der Häuser angeflickten kleinen Gebäude zu bezeichnen. Auch jetzt. Übrigens dasselbe was Ausbau, Ausbauliss, Ausbausel. - An diesen Ausgebäuden keine Reparatur vornehmen, 172. 1789. 157; die an den Häusern hervorstehenden Ausgebäude, Kellerhälse (od. Ausbaulisse, wie man sie gewöhnlich nannte). 208. 184. - Grimm hat dies Wort nur nach Hippel. Es fragt sich daher, ob dieser es aus Liv- oder Kurland her kannte, oder ob es auch im übrigen Deutschland, wenigstens in Oberpreußen gebräuchlich ist.

Gutzeit 1886, 80
Ausgebäude Brotze in 174. 1812. 63 sagt: In vorigen Zeiten fielen mit Vorrückung der Häuser, Ausgebäuden u. Erweiterung der Wohnungen viele Mißbräuche vor. Schon 1502 kam diese Sache zur Sprache u. daher folgende Verordnungen: die Brüder des heil. Geistes haben gröblich ausgesetzet, sollen einrücken und das Haus mit den 5 Kammern abbrechen; die kleine Gildstube eine Wohnung zu beiden Seiten ab, item die alten Baginnen eine Wohnung ab. - Die Behauptung, die Einquartirung zu schwed. Zeiten habe die An- und Ausgebäude in Riga veranlasst, 174. 1814. 134; die kleinen Rathen (Ausgebäude) u. Steinhäuser, die den Straßen den Raum benehmen, 174. 1816. 311; an den Ausgebäuden von Mauerwerk, 174. 1814. 138. - Jetzt ungebräuchlich.

ausstricken V [h]
Vt 'zu Ende stricken, was auf ihr an Maschen sich befindet'
eine Stricknadel ausstricken [beim Stricken mit 4 Nadeln den vierten Teil des Strumpfumfangs, bei 3 Nadeln den dritten Teil]
ich muß, sagt eine Dame, die Nadel ausstricken, um den Strumpf zusammenlegen zu können.

QUELLEN

Gutzeit 1894, 4
ausstricken eine Stricknadel, zu Ende stricken, was auf ihr an Maschen sich befindet, beim Stricken mit 4 Nadeln den vierten Teil des Strumpfumfangs, bei 3 Nadeln den dritten Teil. Ich muß, sagt eine Dame, die Nadel ausstricken, um den Strumpf zusammenlegen zu können.

berufen V [h]
Vt
siehe auch ha

QUELLEN

Gutzeit 1859, 119
berufen 1) einen wegen etwas, ihm durch Zurufen Unzufriedenheit ausdrücken, ihm durch Zuruf bedeuten, etwas nicht zu thun. Wenn ein Schüler während des Unterrichts sich zu laut verhält, so beruft ihn der Lehrer od. so wird er berufen; wenn die Tochter krumm auf einem Stul sitzt, so ruft die Mutter ihr zu: Kind, wie sitzest du! und beruft sie. Welche Schande, die jüngere Schwester muss die ältere beruftn, d.h. ihr andeuten, dies oder jenes nicht zu thun. Der Lehrer berief den Knaben, dass er nichtr soviel plaudere: er berief die Kinder, dass der Vatere schlafen könnte. - Man beruft wegen einer Handlung, wegen eines Wortes, wegen unruhigen, ungebürlichen Betragens. Bei Hoffm. fehlt diese hier gewöhnliche Bed. ganz; Grimm zieht als hierher gehörig aus Goethe einige Stellen an, welche aber doch nur ähnlichen Sinn geben. Denn wegen einer Flasche, wegen einsamer Spaziergänge, über eine gewisse Würde, wegen einer geringen Zustimmung beruft man bei uns nicht Freunde, sondern tadelt sie dafür, setzt sie zur Ruhe. -
2) einen Bär od. Wolf. Jagdausdruck, den schon Stender anf. Vom „Berufen des Wildes“ sollte in der Baumann-Kriese'schen Jagdlehre gehandelt werden. vgl. 176.1827.60.

Sallmann 1880
berufen durch strafenden Zuruf schaden

Gutzeit 1886, 131
berufen 2) Es wird ein Fuchs berufen, 333.25; erschoß ein Pferd und berief es als geschossenes Elen, 332.V.6; ein allgemeines fröhliches Berufen endete dem ersten Akt des Lustspiels, Kriese in 175.1848.359, d.h. des ersten Jagderfolges (ein getödteter Fuchs). -
3) das Amt durch den Ältermann berufen lassen, 249; durch den Landboten berufen werden, Hilcher's Landr. Entw. v. 1599. [?]

Gutzeit 1892b, 8
berufen Herren und Diener ritten (auf der Jagd) bald durch einander und jagten vorbei, um dem Zuge des Wildes vorzukommen, welches von jedem, der es sah oder nicht traf mit lautem Rufen bezeichnet werden mußte (berufen), damit man wisse, was gejagt werde und die Hunde animirt würden, E.v.Rechenberg-Linten, Zustände Kurlands S. 41; zum obgedachten „Berufen“ des Wildes wurden eigentümliche Ausdrücke gebraucht und zwar für einen Hasen - „Halet“. Ebenda S. 42. vgl. Wörterschatz.

Gutzeit 1894, 6
berufen Nicht berufen! d.h. durch lebende Bemerkungen dem Gelobten Schaden zufügen, Krankhaft heraufbeschwören. In Grimms Wtb.: unberufen.
Als Jagdausdruck. vgl. Wörterschatz I und Nachträge von 1886 und 1892. Damit die Schützen, sowie der die Jagd führende Jäger, der Piqueur, sich darnach richten können, muß jeder Schütze jedes Wild, auf das er einen Schuß abgegeben hat, oder dessen er auch nur ansichtig geworden ist, berufen, und zwar mit der für jede Wildart vorgeschriebenen Benennung. Die Benennungen für die verschiedenen Wildarten sind jagdgebräuchlich folgende: der Bär wird berufen mit „ho Bär“, der Wolf „ho Schabar“, das Elen „ho Lang“, der Luchs „ho Bunt“, das Reh ha flink“, der Fuchs „ha Fuhl“, der Hase „ha lett“, der Dachs „ha Gräber“. Baron F. Nolde, Jagd und Hege, II.82. S., der bei einer Elensjagd sein eigenes gesatteltes Pferd, so sich losgerissen hatte, statt eines Elens, erschoß, und es auch als geschossenes Elen berief!! Eine Augenverblendung! 332.III.

???
Wenn ein alter baltischer Jäger hören würde, daß man heutzutage von einer Treiberwehr spricht, die im dritten oder vierten Treiben sich gut gehalten, so würde besagter alter baltischer Jäger wohl mit einem herzhaften Dojahn zur Hand sein und erklären, daß es wohl „Juchzer“ und „Masten“, nicht aber Treiberwehren und Treiber gibt. Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „grob und fein gehälsten“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“, damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Hasachabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sedin „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Kobolt 1990, 64
berufen st.V. zur (schulischen) Ordnung rufen
mnd. beropen 'ersuchen, schelten'; plattd. beroupen 'anrufen und erinnern'.

besser komp Adj

siehe auch beste

DAZU:
besser ist besser! (id) 'besser ist mehr als gut, oder das Bessere ist vorzuziehen.'

QUELLEN

Gutzeit 1886, 138
besser goth. batiza, batizô. Man kann zu diesem Worte u. zu bass (besser) stellen das slaw. u. russ. паче, das aber nicht die Bed. von besser, sondern von mehr hat; тѣмъ паче ist: um so mehr, desto mehr, was nahe an: desto besser liegt. Zu erinnern ist auch an griech. βέλτερος.

Seemann von Jesersky 1913, 105
lieber: Komm mir besser nicht in die Nägde. Da bleib ich besser zu Hause.

Nottbeck 1987, 21
statt lieber / E.K.L.
Komm mir besser nicht nahe, ich bin sehr erkältet.

blasen V [h]
Vt

QUELLEN

Petri 1802, 83
Blus, fuhl, fung, für ich blies, fiel, fieng. Pöbelhaft.

Gutzeit 1859, 135
einen Brettstein, pusten, souffler.

Gutzeit 1886, 150
2) Daß es sich in der Nacht nach Hause blasen lassen, 349. XXI. 1. J. 1633/4, mit Hörnern od. Trompeten nach Hause geleiten lassen? - 3) einem etwas. Ich werde ihm was blasen! nicht das tun, was er erwartet. - 4) von Pferden, die am Dampf leiden, sagt man, dass sie blasen, wenn sie angestrengt werden: keichen; gejagte (getriebene) und stark atmende Tauben pusten od. prusten, blasen aber nicht; Sterbende, deren Einatmen schwach und kurz, deren Ausatmung stark und lang wird, blasen. - Man pustet od. bläst auf oder in heißes Getränk, um es abzukülen. Sie bläst mir das dritte Glas Baldrianthee kalt, 361. 1885. J. Beil. 1.

Kobolt 1990, 67
st. V. im Brettspiel einen Stein nehmen, mit dem der Spielpartner zu schlagen übersehen hat. (Pernauer Ausdruck).

Brage die
‣ Varianten: Braag, Braak, Brach, Brache, Brack2, Bracke2, Brag, Brahe, Brak, Brake
‣ Belege: Estland, Kurland
de Branntweinspülicht; et praak <gen praaga>

QUELLEN

Bergmann 1785, 11
die Brage, das Spülicht. Brack, schlechtes untaugliches Gut. Es kommt in die Brake, oder in die Badstub, es ist untauglich, wird vom Guten abgesondert.

Hupel 1795a, 29
Braak und Brack s. Brage und Brake.

Hupel 1795a, 30
Brage, die, st. Branteweinspülicht oder Branteweintrank. Fischer nennt sie ganz ungewöhnlich Brahe und Branteweinträbern; fast durchgängig hört man sie hier den Braak nennen.

Hupel 1796, I 174
Brage (Branntweinspülicht) Wir sagen gemeiniglich der Braak, welches Einige auch Brack schreiben.

Petri 1809, 426
Brag Der Abfall von der Branntweinbrennerey Brack genannt.

Gutzeit 1859, 144
Brach. In zusammengesetzten Wörtern bei früheren Schriftstellern häufig zu lesen statt Brag, so z.B. Brachkäbel st. Bragkübel.

Gutzeit 1859, 144
Bracke Früher häufig geschrieben st. Brage (Brantweinspülicht) und Brake (Wrake).

Gutzeit 1859, 145
Brag (¯), Brantweinspülicht, Brage. In ältern Schriften findet man dafür häufig: braak, Braack, Brack und Brak. Durch solche Schreibart sind Verwechselungen mit Brack = Wrack, Ausschuss, und Brake = Wrake unvermeidlich. Selbst Gadebusch, der so richtig schrieb, schreibt noch Brack (180. IV. 1. 434): was im Kessel zurückbleibt (beim Brantweinsbrande) und in Livland Brack genannt wird. - Der heiße Brag ist ein gewöhnliches Viehmästungsmittel. - Gesprochen wie Brach mit langem a, hier und da auch wie Brak, und vielleicht auch noch wie Brack.

Gutzeit 1859, 145
Brag, der („), Brantweinspülicht, Brage. In ältern Schriften findet man dafür häufig: Braak, Braack, Brack und Brak. Durch solche Schreibart sind Verwechslungen mit Brack = Wrack, Ausschuss und Brake = Wrake unvermeidlich. Selbst Gadebusch, der so richtig schrieb, schreibt noch Brack (180. IV. 1. 434): was im Kessel zurückbleibt, (beim Brantweinsbrande) und in Livland Brack genannt wird. − Der heiße Brag ist ein gewöhnliches Viehmästungsmittel. _ Gesprochen wie Brach mit langem a, hier und da auch wie Brak, und vielleicht auch noch wie Brack.

Gutzeit 1859, 145
Brage, die, ′Brantweinspülicht′. Das hier gewöhnlichste Wort. Schweine, die bei Brage gehalten werden; bei Mastungen mit Brage. Früher häufig dafür geschrieben: Brake, welches Verwechslung zulässt mit Brake = Wrake u. Brechen (des Flachses). Auch eine Mz. kommt vor. Die Bragen Nr. 1-5, d.h. Arten von Brage. – Während im vorigen Jahrh. in Livland Brak od. Brake geschrieben und gesprochen wurde, scheint gegenwärtig Brage allgemein üblich. – Hupel schweigt über die Abstammung. Man könnte versucht sein, sie dem Lettischen zuzusprechen ( brahga). Zweifel dagegen entstehn durch die Berücksichtigung, dass die Sprechweise früher zwischen Brack, Brak und Brake schwankte, und der Begriff des Wortes den Letten durch die Deutschen bekannt wurde. In einem Theil Russlands ist Brage eine Art Bier, bei welchem Wort man auf bresti brodit′, ′gären′, geleitet wird, aber auch auf die deutschen brauen, brodeln. Vielleicht ist Brage oder Brag auf Brak, Brack, Wrak, Wrack, ′Auswurf, Ausschuss′ zurückzuführen.

Gutzeit 1859
Brage, die. ′Schlempe, Restbestand beim Brennereiprozeß′, als Kraftfutter für das Vieh genutzt. Udo Baron Freytag-L. M. v. Stael, Wierland+Reval

Gutzeit 1859, 145
Brak, der, st. Brag. Nach Hupel fast durchgängig st. Brage zu hören.

Sallmann 1880, 24
Bei Brage ′Brantweinspülicht′ – kann es zweifelhaft sein, ob wir das Wort aus lett. brahga oder nd. Brack, Wrack ′Auswurf′ – ableiten sollen.

Sallmann 1880, 60
Brage ′Brantweinschlempe′, estn. prak, g. praga, wohl zusammenhängend mit bracken; oder ist an nd. brak ′bitter, salzig′ zu denken?

Gutzeit 1886, 166
Brage, die, ′der flüssige Rückstand beim Branntweinsbrande, Schlempe, Brantweintrank oder Spülicht′, unrichtig auch, selbst von Stender, mit Mesche od. Meische erklärt, welche poln. brzeczka od. brze̦czka, sorab. brazka heißt, während Brage poln. durch braha, bracha u. braga, russ. durch барда wiedergegeben wird; lett. brahga und dranķis. – Die verschiedene Aussprache dieses Wortes erklärt auch die verschiedene Schreibung. So haben die Älteren rig. Anzeigen: Brag, 172. 1795. 418, Braag, 172. 1785. 451, Brack, 172, 1799. 551, Brach, 172. 1812. 49. Bei Hupel (182. II) Brak, w.s. In den Buchstaben u. der Bed. entsprechend poln. braha, bracha und braga. Linde leitet diese poln. W. aus deutschem brauen und Brühe. Diese Herleitung ist gezwungen und unwahrscheinlich; auch das deutsche Wort lässt sich nicht mit brauen oder Brühe zusammenbringen. Unser Brage steht auch außer Zusammenhang mit schweiz. Brägel, Art Brei von dickgekochten Früchten, u. wol ebensosehr mit des Plinius brace, nlat. bracium und braxare, franz. brasser ′brauen′ (vgl. Ducange) und ir. gäl. braich ′Mehl, Malz′, und franz. brai ′geschrotene Gerste der Brauer′. Es bleiben daher nur 2 Möglichkeiten 1) Brage als Brack, Brok ′Ausschuss, Abgängsel beim Branntweinbrennen′ anzugehen, oder 2) slawischen Ursprung anzunemen. Für das zweite spricht zwar nicht die Bedeutung des poln. und russ. Wortes, welches letztere erst in neuerer Zeit den Begriff von Branntweinspülicht erhalten hat, wol aber die vollkommene Gleichlautigkeit mit dem was russ. und poln. braga heißt, nämlich ein Spülwasser ähnliches Getränk od. Bier aus Roggenmehl, hirse od. Gerste. Zur Verwandtschaft dürfte auch zu rechnen sein franz. drague, ′Träber′ (beim Bierbrauen). Dies drague verhält sich zu unserem Brage, wie lett. dranķis (Dranke) zu Brank, derselbe Wechsel von b und d. s. Brahe. – In 476: Brâgen, der, und Brâk, Rest (Spülicht), der bei der Branntweinbrennerei vom Maische zurückbleibt, litt. bróga u. brógas. – Ersichtlich kann das preuß. Brâgen-Brâk nicht vom lit. bróga herkommen. s. Brak.

Gutzeit 1886, 165
Brache, (–), die, zuweilen st. Brage

Gutzeit 1886, 166f.
Brak, der, Brantweinschlempe, die älteste Wortgestalt für das in Liv- und Kurland jetzt übliche Brage. Bei Gadebusch Brack: was im Kessel zurückbleibt; bei Lange Braak, bei Hupel (1780) Braak u. Brake. Wenn Brak, wie Gadebusch meinte, auf Brack (Abgängsel, Schlechtes) zurückginge, so wäre die Schreibung u. Aussprache Brage schlecht u. wahrscheinlich durch lett. Einfluss entstanden. Russisch брага f. Schlempe kommt nicht in Betracht. Denn in diesem Sinn begegnet es in keinem russ. Wtb. vor 1840; der eigentliche russ. Ausdruck für unser Brage ist бáрда; im Sinn von einer Art Hirsebier wird брага aber schon früher erwänt. Um sicherer die Herkunft von Brak (Brag) oder Brage festzustellen, wäre norwendig, auf die ältesten lettischen u. littauischen u. estnischen Wörterbücher von Adolfi, Elvert, Arends zurückzugehen. - Brage, wie es scheint, zuerst bei Stender und heute gewönlich, selbst in Estland. Denn Sallmann (390c. 24) fürt Brage Brantweinspülicht an. Es kann, sagt er, zweifelhaft sein, ob wir das Wort aus lett. brahga oder nd. Brack, Wrack, Auswurf ableiten sollen. Auf S. 143 sieht er dagegen das weibliche Seschlecht des Wortes als eine Abweichung von dem richtigen (männlichen) an, bei welcher Verweiblichung ein e angehängt u. dadurch eine Neubildung hervorgebracht wurde, ebenso wie bei Breze. Das ist unwahrscheinlich. - Die älteste hierortige Schreibung: Brack, Brak, Braak deutet darauf hin, dass Gadebusch, Lange u. Hupel nur Brack, d.h. Auswurf, Ausschuss, Rückstand im Auge hatten, den Spülicht nur als solchen ansehen. Ist dies der Fall, so ist lett. brahga, wie poln. u. russ. braga eine Entstellung des deutschen Brack, ebenso wie estn. praag od. praag, Brantweinspülicht nach Hupel - eine Bed., die ausschließlich gangbar ist. - Von russ. брага (Art Bier) werden gebildet бражникъ Schlemmer u.a. In Pawlowsky-Asmuß russ. Wtb. wird брага, auffallender weise, auch mit Maisch, Maische erklärt. Dass unser Brage dem Russ. entlehnt sein sollte, ist unwahrscheinlich, weil der Brantweinsbrand nicht von Russland hieher bekannt wurde, sondern von Westen dorthin gelangte.

Gutzeit 1886, 166
Brahe, f. Brage, durchweg in J. B. Fischer (447). Brandweins Brahe, ebda. 167.

Kiparsky 1936, 148
Brage [brāgə] f. ′Branntweinspülicht′ ‹r.брага ′Maische′. Die im 18.-19. Jh. üblichen Formen Brag, Braag, Brach, Brack u.s.w., die Gutzeit I, 145; N.86 166-167 zweifelnd mit nd. Brak, Wrak ′Auswurf′ in Verbindung bringt, könnten am ehesten mit opr. Bragen, Brak ′Rest (Spülicht bei der Branntweinbrennerei′ zusammengehören, wobei es freilich dahingestellt bleibt, woher das opr. Wort stammt. Poln. braha ′Branntweinspülicht′ passt wegen des h als Quelle nicht. Entlehnung der opr. und der bd. Formen aus lett. brāgs ′Branntweinspülicht′ (‹ Russ.) ist aus Verbreitungsgründen bedenklich anzunehmen (vgl. Sallmann V. 12; N. 24; Nesselmann Apr. Monatsschr. VIII, 675).

Nottbeck 1987, 22
Brage ′Abfall von Brennereien′ / E.K. Die Brage wurde zu Viehfutter aufbereitet.


QUELLEN (Informanten)
Freytag-Löringhoff, Udo Baron: Gut. Rawen (Kurland); Stael von Holstein, Marie Louise Baronesse: Gut Samm (Wierland), Reval
Schlempe, Restbestand beim Brennereiprozeß, als Kraftfutter für das Vieh genutzt.

Brauttanz der

QUELLEN

Hupel 1795a, 33
Brauttanz Der letzte Tanz, der den Hochzeitstag gleichsam beschließt, und zwar, dass entweder die Gäste das Brautpar in die Brautkammer (Schlafzimmer) tanzend begleiten, welches man „die Braut zu Bette tanzen“ nennt; oder dass sie um die Braut in einem Kreise umhertanzen, wobei ihr, wenn sie nicht Wittwe war, der Kranz od. die Krone unter Gaukeleien abgenommen wird, was „die Braut abtanzen“ heißt. „Um die Braut tanzen“ heißt zuweilen auch: sich um ein Frauenzimmer bewerben.

Gutzeit 1859, 149
Brauttanz Der letzte Tanz, der den Hochzeitstag gleichsam beschließt, und zwar, dass entweder die Gäste das Brautpar in die Brautkammer (Schlafzimmer) tanzend begleiten, welches man „die Braut zu Bette tanzen“ nennt; oder dass sie um die Braut in einem Kreise umhertanzen, wobei ihr, wenn sie nicht Wittwe war, der Kranz od. die Krone unter Gaukeleien abgenommen wird, was „die Braut abtanzen“ heißt. „Um die Braut tanzen“ heißt zuweilen auch: sich um ein Frauenzimmer bewerben. Nach Hupel.

Gutzeit 1886, 173
Brauttanz Der Brauttanz soll zu 7 Uhren anfangen, 309. 28; mit Abrede der Morgengabe u. Bollenführung des Brauttanzes, ebda 8; sobald Schlag 8 Uhr der B. geendigt u. die Braut nach Hause begleitet ist; Bräutigam u. Braut sollen sich der Ordnung gemäß verhalten, damit ihnen die gewönliche Ehre im Trockh und mit Vollführung des Brauttanzes von der Obrigkeit widerfahren und kein Schimpf begegnen möge, ebda (J. 1598). vgl. 174. 1816. 308 u. 309. In einer Hochzeitso. v. 1639 ist gesagt: um 8 Uhr (Abends) sollen die Spielleute anschlagen zum Brauttanze, dem langweiligen u. verdrießlichen, und er soll verkürzet werden. vgl. 174. 1814. 282. In Grimms Wtb. ist nur eine Stelle aus Rückert; in Hoffmanns Wtb. felt das Wort ganz; hier ist es ein sehr altes u. gewönliches u. eine Menge besondrer Gebräuche und Missbräuche dabei vorgekommen.

brennen V [h]
Vt

QUELLEN

Hupel 1795a, 34
das Land brennen - Küttis oder Rödung machen

Gutzeit 1859, 150f.
1) ein gew. Wort von gleichem Sinne mit dämmern, knallen, feuern, keilen, sowol zielh. als ziellos: mit Gewalt oder Geräusch schlagen, werfen, stoßen, schleudern. Er brannte die Thür entzwei, zerschlug oder zerschmetterte sie; er brannte ihn gegen die Wand, stieß, schleuderte; er brannte mit dem Kopf gegen die Mauer, stieß, fiel, schlug, stürzte; ein Stein brannte ins Feuer, fiel; 2) nahestehend der vorigen Bed. ist: einem eins brennen, d.h. einen Schlag versetzen. Ich brannte ihm eins, dass ihm Hören und Sehen verging; ich brannte ihm eins an die Ohren; ich brannte ihm eine Ohrfeige. Grimm führt [brennen, 2) unter es brennt mich] auch die Redensart an: einem eins auf den Pelz brennen; Hoffm. hat es (unter Nr. 10) angeführt: mittelst des Feuers einen oder etwas beschädigen. Es scheint aber, nach der einzigen aus Goethe angezogenen Stelle zu urteilen, diese Redeweise in Deutschland unüblich. 3) die Sauce brennt, der Braten brennt, heißt nicht: anbrennen, sondern durch zu starke Erhitzung stark zu rauchen anfangen. 4) im Kartenspiel. Es brennt, wir brennen, sie brannten: Karten gleichen Werts, wie 2 Könige, zwei Achten liegen auf dem Tisch und veranlassen noch ein Mal eine Karte zu ziehen. Es kam zum Brennen. 5) Land, d.h. Küttis od. Rödung machen. - 6) bei den Handelsämtern zuweilen st. bebrennen. Die angezeigtermaßen gebrannten Gefäße, 106. - 7) die gew. Redensart: als ob ihm der Kopf brannte, so lief er, findet sich nicht unter den vielen, die Grimm anführt. - 8) im Kartenspiel: spielen oder zuwerfen. Brenn' Ass, Brenn' Coeur! Diese Bed. folgt aus der ersten. - 9) von Kranken. Der Kranke, seine Haut brennt, od. brennt wie Feuer. - 10) von den Sonnenstralen. Die Sonne brennt oder brannte auf dem (das) Fenster, Hause, Dache, d.h. warf ihre glühenden Stralen dahin. Man scheint sogar zu unterscheiden. Die Sonne brennt auf das Dach, schießt dahin brennende Stralen; die Sonne brennt auf dem Dach, die durch die Sonne daselbst hervorgebrachte Wärme ist brennend. Starklof, in s. Sirena hat: die Sonne brannte auf das Dach. 11) das Gut mag den Kindern weder sinken noch brennen, 193. II. 453. Ein rechtswissensch. Sprüchwort, so viel als: weder verloren gehen, noch durch Unglück aufgerieben werden. 12) Ein Pferd von schwarz-brauner Farbe mit gebrannten Mäulern, 172. 1770. 317; Pferd mit leicht gebrannten Nüstern, ebenda 1795. 505. In welcher Bed.? Anders ist die Bed. in der Stelle 172. 1799. 346: beide Pferde haben gebrannte Zeichen, d.h. eingebrannte.

Hoheisel 1860, 30
der Ofen brennt, die Theemaschine kocht, statt: das Holz im Ofen brennt, das Wasser in der Theemaschine kocht.

Sallmann 1880, 61
von Land, abbrennen, röden
trs. und intr., wuchtig schlagen, mit Gewalt gegen etwas fallen.

Gutzeit 1886, 175
1) Hüte mit Wildwaaren füttern oder zu brennen, 242; einen Köller brennen, ebda. - 4) es brennt, im Blindekuhspiel. s. Blindekuh u. Grimms Wrb. unter bunt, Sp. 528. - 7) die Arbeit brennt mir unter den Fingern (Händen), d.h. ich muss eilen, mit ihr fertig zu werden. Ihm (ihn) brennt es, sie zu sehen; es brennt ihm, zu uns zu kommen; ihr brennt es ins Theater (zu gehen) - heißes Verlangen haben. Brennt es denn so? d.h. ist die Angelegenheit so dringend? - 7) die Finger brennen ihm, d.h. er mögte gern, es brennt ihn (das zu tun). 8) im Kartenspiel. Brenn' den König! d.h. nimm ihn mit Ass oder Trumpf. - 12) ein junger Hühnerhund, schwarz mit braun gebrannt, rig. Ztg. 1871. 145; Pferd mit leicht gebrannten Niestern, 172. 1797. 505; Hengst mit hochgebrannten Nistern, ebda 1767. 94. - 18) brennen auf etwas, heftiges Verlangen haben. Er brennt auf diese Sache, auf diesen Menschen, d.h. will sie durchaus haben; ich brenne auf den Braten, ich brenne gar nicht auf diesen Kuchen. s. Brenner 4). Was mich nicht brennt, darf ich nicht löschen, Stender, d.h. um fremde Angelegenheiten hab' ich mich nicht zu kümmern.

Gutzeit 1892b, 10
st. bebrennen, ein Zeichen aufbrennen. Sie (die Talchwraker) brenneten die Tonnen nicht eher, bis sie selbige gebohret, und also das Talch gewraket, 365. 1682; die Löse sollen alle sowohl mit der Chroh- als auch mit der Stadt Zeichen gebrandt und gemerket werden. 365. 1701.

Kobolt 1990, 74
st. V. wuchtig schlagen. im Baltikum verbreitet. pr. brennen schlagen.


QUELLEN (Informanten)
Wachtsmuth, Wolfgang: Riga
jdm eins brennen - jdm ein versetzen a) körperlich, z.b. eine Ohrfeige; 2) übertragen, z.B. in einer Debatte.

briezen V [h/s]
Vt, Vi

QUELLEN

Gutzeit 1859, 153
1) was brintschen, d.h. um etwas bringen oder kommen. Er war darum gebriezt. 2) was brietschen. Eine Ohrfeige briezen; vom Dache briezen, stürzen; die Thür briezen, werfen, zuschmeißen

Butter die

Kasansche Butter 'russische ausgeschmelzte, tiefgelbe Butter'
russische Butter 'Butter, die nicht geschlagen, sondern am Feuer gemacht ist; auch geschmolzene Butter genannt'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 164
Zu Butter werden, zu nichte werden. Das ist ihm zu Butter geworden. Gew. - Butter klopfen führt schon Bg. (210) an.

Gutzeit 1886, 201
Man unterscheidet Küchenbutter (nicht: Koch-butter), Tisch- oder Tafelbutter (letzteres bei hiesigen Ausländern) u. russische Butter, welch letztere, tief gelb, bereits ausgelassen (geschmolzen) in den Handel kommt. [Sallmann (1880) 117: ebenso, aber Tisch- (nicht Tafel-)] Sie ist nicht geschlagen, sondern am Feuer bereitet und schmalzähnlich. In Livland zum Backen einzelner Gebäcke benutzt; in Russland die gewönl. Küchenbutter. - Dicke Butter besteht aus Butter, Mel, Eigelb, Zwiebeln, Sardellen u. Bouillon. Wird benutzt, um Fleischspeisen zu überziehen, 155. 2. S. 10. - Tummige Butter besteht aus süßen Schmand und Butter, auf dem Feuer solange gerührt, bis das Gemenge dick od. sehmig wird, 155. 2. S. 59 u. 9. - Zerlassene Butter, was ausgelassene. Butter wird ausgewaschen, teils um sie von üblem Beigeschmack zu reinigen. Bei Bäckern u. zu allerlei Backwerk eine notwendige Arbeit.

Dockmann der
‣ Belege: Riga, Dorpat, Walk, Fellin, Werro

QUELLEN

Lindner 1762, 225
der unter der Docke staht, die Würde eines hiesigen Bürgers, ehe er in die Aeltestenbank gezogen wird, und an die Bürger in den Gilden das Wort führen muß, wobey er unter einer kleinen Puppe stehet, und daher den Namen hat.

Provinzialrecht II
§ 1084: In jeder Gilde haben die nicht zur Ältestenbank gehörige, behufs ihrer gemeinsamen Angelegenheiten, einen besonderen Wortführer und Vertreter, der Dockmann heißt. (Riga)
§ 1097: Wahl (Riga)
§ 1099: je Gilde: 2 Dockmänner (Dorpat)
§ 1102: auf Lebenszeit gewählt (Dorpat)
§ 1109: Vorstand der Handwerkergilde (Walk, Fellin, Werro)

Gutzeit 1864, 190
ist der Sprecher der gemeinen Bürgerschaft gegenüber der Ältestenbank. Plönnies nennt ihn: der Brüderschaft Fürsprach, den Mittelsmann zwischen Ältestenbank und Gemeine, der Bürger Worthalter, welcher der Bürger Mund und Anbringer sein soll. 349. IV.11. - So genannt, weil seit 1600 der Wortführer od. Sprecher der großgildschen Bürgerschaft, bei seinen Ansprachen an dieselbe, sich an die Docke stellte und ér diesen Platz noch jetzt einnimmt. Nach dem Gildeschragen v. 1613 und noch jetzt wird d. Gockmann aus der Bürger- und Brüderschaft, welche aus ihrem Mittel 3 Candidaten vorstellt, von der Ältestenbank und dem dazu auf der Gildestube versammelten Rat um Michäli jedes Jahres erwält, tritt aber erst zu Fastnacht des nachfolgenden Jahres sein Amt an, das er éin Jahr verwaltet. - Der Dockmann geroßer Gilde ward 1604 eine gesetzliche und gewälte Person; schon früher jedoch kommt er unter dem Namen Ausspeiser vor, und Dockmann und Ausspeiser war längere Zeit gleichbedeutend. So heißt es in 349. IV. 11: also muß auch die Brüderschaft sowohl die Vorsteher (Ältesten) als den Ausspeiser (Dockmann) wälen. Ebenda sagt Plönnies: sieder Ao. 1604 wollte man den Dockmann od. Ausspeiser von dem Wortführer der Bürgerschaft unterscheiden; von jenem annehmen, dass er vom Rate u. der ganzen Bürgerschaft, dieser aber von der Bürgerschaft allein erwält werden müsse. In diesem Sinne fragt Plönnies: was hat das Amt der Ausspeisung mit dem Bürger Worthalter ... für Gemeinschaft? - In der Mitte des 17. Jahrh. hatte die große Gilde Rigas 2 Dockmänner, von denen der eine wortführender, der andre Dockmann schlechtweg genannt wurde. Der Dockmann bürgerte sich auch bei der kleinen Gilde Rigas und in verschiedenen Städten Livlands ein, namentlich in Dorpat, wo in jeder der 2 Gilden 2 Dockmänner, unter der Benennung Dockmann und Vicedockmann bestehen.
In der Mz. Dockmänner und Dockleute. vgl. 174. 1862. 7.

Eckhardt 1896, 31
Bezeichnung der Wortführer beider Gilden. bd. Neubildung.

Masing 1926b, 73
Wortführer der Bürgerschaft Grosser Gilde, der bei seinen Ansprachen den Platz bei dem Marienbild, der Docke, einnimmt (mnd. docke 'Puppe, Figur').

Pantenius 1959, 66
Die große oder St. Mariengilde war die der Großkaufleute... Die Gilden waren vertreten durch die 'Ältesten', deren es, glaube ich, vierzig in jeder Körperschaft gab, mit einem Ältermann an der Spitze. Der 'Sprecher' in den Versammlungen der Kaufmannschaft und ihr Vertreter gegenüber der Ältestenbank war der 'Dockmann'. Dieser Name war auch sehr alt und erklärte sich daraus, daß er seinen Platz in der Gilde unter der 'Docke', der Statue der Muttergottes, hatte. Er trat bei Vakanz ohne Wahl in die Ältestenbank ein. Mein Vater war auch zuerst Dockmann gewesen.

Düna die

vgl Kleine Düna

QUELLEN

Gutzeit 1864, 205f.
Nach der rig. Ztg. von 1860 wird in Okens Isis 1823. 3. das Wort skandinavisch gedeutet als Dun - â, rauschender Strom, von dynia, tönen). - In den Sendungen der kurl. Gesellschaft 3. 1 u 2 findet sich zuerst die Erklärung Dün-Aa, Aa der Dünen. Diese Erklärung wird in 192. V. 118 von E. Pabst wiederholt, der Folgendes sagt: die echtesten Formen des Wortes sind offenbar (?) Duna (bei Heinrich d. Letten) und Düna (nd. u. gegenwärtig). Aus ihnen entstanden andre vielfach wechselnde Formen, als Dune (Alnpeke), Düne, Düenstrom, Duina, Duine, Duyne, Duynstrom, Düyne, Dyna, Dina; Dunaw, Donow, Dwina, Dwine u.s.w., Dormen, die sich theils aus Eigenthümlichkeiten derj. Sprachen, in die sie aufgenommen wurden, theils aus schwankenden Gewonheiten der Wortschreibung (so im Plattd. ui, üe, uy, üy = ü), zum geringsten Theil aber aus einer Verwechselung mit dem Namen der Donau, des Dons u. der Dwina erklären lassen. Die oben genannten echten Formen sind, fährt E. Papst fort, durch Zusammensetzung der bekannten Wörter Aha, Aa, A mit Dune, Düne entstanden. Die Sanddünen im untersten Bett des Flusses u. bei seiner Mündung scheinen schon in uralten Zeiten dermaßen auffällig und anstößig gewesen, dass dem Flusse nach ihnen der Name gegeben wurde. - Gegen diese Erklärungen mit Aa muss bemerkt werden, dass in dem Worte Duna od. Düna niemals die Endung aha od. Ahe vorkommt, welche Aa bei uns zeigt; dass die Endung e in der plattd. Zeit fast allein (Dune u. Düne), und bloßes e st. Aa nie vorkommt. Die wahrscheinlichste Ableitung hat J.B.v.Fischer in Winter- u. Sommerluft, Riga 1745, geliefert. Das Wort Dun, sagt er auf S. 200, ist bei allen Völkern Europas u. Asiens zur Benennung eines Stroms gebraucht, nur der Selbstlaut wechselnd: Dun, Dün, Din, Dan u. Don. - Derselben Ansicht ist Schaffarik, welcher eine Wurzel Dan, Don u. dergl. = Fluss, Wasser, als Stamm der Wörter Tanais, Don, Danubius, Donau, Duna u.s.w. vermutet. Auch die Dwina im Gouvern. Archangel'sk findet wahrscheinlicher ihre Wurzel in einem solchen Worte als in Dwoina, Doppelstrom. — Vgl. noch H.Neus in 175. 1854. Nr. 4 u. 35.
Man unterscheidet die sog. alte Düna, das ehemalige Fahrwasser rechterhand zwischen Magnusholm u. dem Festlande. Daher wurde auch dort das Schloss Dünamünde angelegt, um den Handel der Stadtin der Gewalt zu haben. Düna schlechtweg oder große Düna, der eigentliche Fluss; kleine Düna, der Dünaarm bei Großklüversholm u. weiter bis Heiligengeisthof; die todte Düna, der ausgetrocknete Arm des Flusses bei Dahlholm, von Rathleff (orograph. Skizze) kleine od. trockne Düna genannt; die rote Düna, früher ausschließlich, jetzt nur noch in Lotsenberichten, die Stelle des Flusses rechts zwischen Sode- u. Mülgraben, oder, nach der Bestimmung in 174. 1861. 21, der Arm des Flusses zwischen Schusters- und Pferdeholm und dem östlichen Ufer von dem Ausflüsse des Sodegrabens an; im gew. Leben jetzt das, was früher Kül- od. Sodegraben hieß. — Seit einiger Zeit nennen Einige ganz irrtümlich unsre Düna westliche Düna. Diese Bezeichnung kann nur im Russischen gelten; wir kennen ebenso wenig eine westliche als nördliche Düna.
Eigentümlich sind folgende gew. Redeweisen. Die Düna geht, st. das Eis in ders., wie im Lett: daugava jau eet; die Düna gebt durchschnittlich Ende März aus, d. h. bricht auf. Die D. ist zu od. fest, zugefroren; auf, offen od. los; letzter Ausdruck schon in 345: um Reminiscere ward die Düna los. Jetzt wird die D. festgehen, zufrieren; die D. ging zu bei stillem Wetter, 176. 1836. Seltner ist zulegen. So sagt Brotze in 174. 1812. 161: den 17ten Oktober ist die D. zugelegt worden; sie legte sich zu zum dritten Male; bei Zulegung u. Ausgang der D., nach einer Nachricht von 1682 in 174. 1816. Die Düna brach zuerst näher ihrem Ausflüsse, 176. 1836. 62, st. das Eis; die D. fing an zu rücken, staute sich aber bald, 174. 1810. 133, st. das Eis.
Viel getadelt und belächelt ist der Ausdruck: über Düna. Es hat in Riga nicht gleiche Bed. mit über der od. die Düna. Nur die Gegend auf der linken Seite des Flusses bei Riga, und nur in einem gewissen Umkreise, führt diesen Namen. Nur diej., welche sich auf der rechten Seite d. Flusses befinden, können sprechen, dass sie „über Düna“ gehn; nur diej., welche auf d. linken Seite „des Flusses wohnen, wohnen „über Düna“. Der Ausdruck gewinnt sogar etwas Hauptwörtliches, und man spricht: auf über Düna wohnen, st. über Düna schlechtweg; nach über Düna gehn, fahren, st. über Düna; ganz über Düna war überschwemmt; Einwohner von über Düna; ja sogar: die Einwohner der Über-Düna! 172. 1813. 39. In allen diesen Fällen könnte man nicht sprechen: auf über der Düna wohnen, ganz über der Düna. - Bewohner des linken Ufers gehn „über die Düna“ od. hinüber auf die andere Seite zur Stadt u.s.w. - Über Düna begreift namentlich die Gegend von Torensberg, Hagens-, Schwarzen- u. Sassenhof, also diej. Örtlichkeiten, welche den Rigischen zum Sommeraufenthalte dienen; Groß- und Kleinklüwersholm, Heiligengeisthof (Ilgezeem) werden nur in eingeschränkter Weise über Düna genannt. - Der so gew. Ausdruck „über Düna“, für den Gebildete „über der Düna“ sich zu sprechen bemühen, ist schon frühe nachzuweisen. So in einer Nachricht von 1474 (vgl. 174. 1834. 81): man fohr ewer Dune. Später braucht den Ausdruck oft z.B. Schievelbein in sein. Tagebuche (350. XXVIII.): der Graf ist über Düna vei Dumpe angelangt; bis über Düna begleitet; unweit Hagelshof über Düna. (In dieser Verbindung braucht Schievelbein immer Düna, nicht das ihm sonst geläufige Duna od. Dune).
Auch „über der Düna“ st. auf dem linken Ufer derselben kommt schon früh u. oft vor. So heißt es in 335. 227 (J. 1572): auer der Duna up den lantstraten, wyt und na; in 68: alle die sowohl in der Vorstadt als über der Düna wohnen (1699); in 350. XXVIII.: über der Düna (J. 1719)
Die Düna versenken: st. Versenkungen in ders. machen, um das Fahrwasser zu sperren. Ein alter Ausdruck, der noch in neuster Zeit zu lesen ist! Die Düna fegen oder reinigen, das Eis vor der Stadt reinfegen (ehedem): die Düna zulassen, bei Jakobstadt, besteht darin, dass man vom Eise am Ufer ein langes Stück abschneidet u. das obere Ende desselben so in den Strom dreht, dass es an dem gegenüber stehenden Ufereise stehn bleibt. 176. 1834. 15.
In Zusammensetzungen früher Dun-, Dün-, Dunen- und Dünen-, jetzt nur Düna-.
Von Düna bildet man dünasch, dünisch u. dünsch; überdünasch, überdünisch, überdünsch. Einige, wie Sonntag in 174, glauben besser u. richtiger dünaisch zu bilden. Das ist eine unnütze Verlängerung, die niemand gebraucht, ebenso wie rigaisch.

Gutzeit 1886, 223
Zu denjenigen, welche diese Benennung als eine Bezeichnung v. Fluss ansehen, gehörte schon der Akademiker Theophil Siegfr. Bayer († 1733). In Comment. acad. petrop. IX. 375 sagt er: Ich glaube, das Tan, Ton, Don, Dunai in der Sprache der alten Völker nichts anderes als Fluss oder Wasser bedeutet habe, und dass von demselben Worte der Tanais, Danubius, die Düna, die Dwina u. des Ptolomäus Ρούδων (in seiner Endung) ihren Namen erhalten haben. Abweichend hiervon sagt Ed. Pabst in 487. 62: die Düna heißt livisch Vena u. Ven, dörptestnisch wäinä; vom altliv. veina, jetzt vena und ven, die zuerst eine breite Flußmündung, auch Sund (estn. wäin) bedeuten, kommen russisch Dwina, deutsch Dwina, Duine, Dune und Düna, lat. duna her. - Das ist sehr zu bezweifeln.
Um die (welche) Zeit gemeiniglich die Dyna falsch ist (im Frühjahr, wo d. Eisdecke schwach ist). Aus d. J. 1637 in 174. 1841. 9-11. - Nachdem sich Frost eingestellt hatte, ging d. Düna mit Grundeis, rig. Kal. v. 1822. - Die Düna steht, sagt man zu Anfang des Winters, st. ist eben zugefroren. - Dem sämmtlichen Adelstande von beiden Seiten der Düna, 350. XI. 1. 43, d.h. im dies- und jenseitigen Livland (Liv- und Kurland).

Gutzeit 1892b, 14
vgl. Wörterschatz und Nachträge v. 1886. Dem Akademiker Bayer († 1735) folgend, hat J.B.v.Fischer in 477. S. 159 u. f. die Benennung erläutert (J. 1745). Er macht darauf aufmerksam, dass in der Bourgogne es einen kleinen Fluss geben der Dune, lat. Duna heißt.

Gutzeit 1894, 11
Die einander widersprechenden Mutmaßungen, welche über den Ursprung dieser Benennung noch neuerlichst in Bielensteins Grenzen des lett. Volkskammers an verschiedenen Stellen, insbesondere S. 489-90 und S. 492 sich finden, erlauben, nicht als überflüssig anzusehen, auf den Wörterschatz I. 205 und Nachträge von 1886 und 1892 hinzuweisen. Zu bemerken wäre noch Folgendes: 1) daß die von Akademiker Bayer, später von Schafarik gegebene Aufstellung, Tan, Ton, Don, Donau, Dunai, Tanais, Danubius, Düna, Dwina und des Ptolemäus Ρούδων (in der Endung) bedeute nichts anderes als Fluß oder Wasser, die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat; 2) daß schwerlich das russische Dwina den verschiedenen Gestaltungen der Benennung in den verschiedenen Sprachen zu Grunde liegt. Entspringt auch jetzt die Düna auf slawischem Grunde und Boden, durchfließt sie jetzt slawisches Gebiet bis in Livland hinein, so ist es doch ganz zweifelhaft, daß dies auch ursprünglich stattgefunden hat. Der russische Name wird überdies erst später, als der altnordische bekannt, der ebensowol für die westliche als nördliche Düna begegnet; 3) daß eine Uebertragung der Benennung Düna (западная Двина) wahrscheinlich von Nowgorod aus auf die nördliche Dwina stattgefunden, sehr zu bezweifeln ist. Denn welcher Grund konnte für die Nowgoroder vorliegen, dem Flusse des Nordens, der Dwina, den Namen der (westlichen) Düna zu geben? Wahrscheinlicher, dünkt mich, ist der Name Dwina im nördlichen finnischen Russland Entstellung der finnischen Benennung in jener Gegend und zugleich dem Namen der bekannten (westlichen) Düna angeglichen worden; 4) das finnische Vena, estn. wäina, - bei Heinrich dem Letten: Livones Veinalenses - ist wol nicht entstanden durch Abfall des anlautenden D, sondern wird seinen Grund haben in einer Eigenschaft der finnischen Sprachen, welche statt des in anderen Sprachen begegnenden D in Düna, Duna, Dyna, Dwina ein B hervorbrachte. Das finnische Vena ist also ebensowenig aus Dune, Dyna u.s.w. entstanden, wie umgekehrt diese aus Vena; 5) als lettische Benennung findet sich in einem Schriftstück des 18. Jahrhunderts neben Daugawa auch Dauga als Hauptgestalt. Dieses Dauga erinnert in auffallender Weise an das a.a.O. S. 492. 196 angefürte Dougav. In awa des lett. Daugawa (Düna) hat zuerst Pastor G. Vierhuff (451. 1876. 61) und dann auch A. Bielenstein (die Grenzen d. Lett. B.) ein angeblich lettisches awa fließendes Wasser erkennen wollen und demzufolge Daugawa mit Dauds-awa Vielwasser, Großwasser erklärt. In derselben Weise sah Pastor Vierhuff und ebenso A. Bielenstein in der Benennung eines Landgebiets im alten Livland Tolova ein Wort Tul-awa Nahwasser oder Flussnähe, als eine Gegend, ringsum von der awa (Aa) umflossen. Meines Dafürhaltens sind diese Deutungen ganz zu bezweifeln, und es scheint mir, dass in awa und owa kein Hauptwort, sondern ein reines Anend zu erkennen ist, welches dem slawischen awa und owa in Fluss- und Ortsbenennungen entspricht, doch der lettischen Sprache ebenso angehört wie z.B. die Infinitiv-Endungen aht - russ. ать, eht - russ. еть und ѣть, iht - russ. ить und oht - russ. оть.

Gutzeit 1898, 8
Daß das awa in Daugawa nicht auf ein angenommenes lettisches awe Wasser zurückgeht, sondern eine Endung ist, entsprechend dem slaw. awa oder owa, ergibt sich aus Ortsbenennungen in Kurland, welche nicht mit einem Wasser in Verbindung stehen. In Kurland sind die auf awa ausgehenden Benennungen von Flüssen häufiger, als die von Orten; in Livland kann vielleicht nur das Nahewasser gedeutete Tolova und Sessowe genannt werden.
Auffallend, daß bisher auf das Zusammenfallen der Benennung Düna und Swine bei Stettin nicht aufmerksam gemacht worden. Swine macht gewissermaßen den Übergang von poln. Dzwina aus Dwina; Swine erscheint wie das poln. Dzwina ohne D. - vgl. Düna in I. 205, in d. Nachträgen v. 1886. 223, 1892. 14 und 1894. 11.
Die Düna steht, oft im Sinne von: ist zugefroren. vgl. 205.

Vegesack 1935, 182
ein Fluss

Maltz 1957, 9
„Kleine Düna“ - Dünaarm zwischen Hagensberg und Kiefenholm gelegen in der Mitauer Vorstadt Rigas

e1

DAZU:
siehe auch Aussprache

QUELLEN

Krüger 1832, 324
1) Das offene (gedehnte) und das geschlossene e werden häufig verwirrt. Stetig, stets, bequem sollten nicht gedehnt werden. - Nicht Wenige machen nach Hamburger Weise jedes offene e zum geschlossenen; sie geeben lieber Eere, Leeben und Leeber darum, nur ja kein ä hören zu lassen. Dahingegen auf dem Lande, zumal im Tuckumschen, das offene e zum hässlichsten äh (fast ah) hinüber artet. Aehrlich und rädlich, Sähgeltuch, entwähder lähbend oder todt. Dieses ist sehr hart, jenes sehr geziert. - Nur Kegel hat allgemein ein unrichtiges geschlossenes e.

Gutzeit 1864, 215f.
Die Aussprache unsres E festzustellen, ist schwierig, und verschiedne Ansichten sind darüber ausgesprochen. Für ein Werk, das Feststehendes bieten soll, lag die Notwendigkeit nahe, nicht blos eigner Ansicht und eignem Ohr zu folgen, sondern auch Beobachtung und Erfahrung anderer zu benutzen. Aus dieser Ursache wurden verschiedne Gelehrte aufgefordert, ihre Ansichten mitzutheilen. Die bereitwillige Theilnahme, mit welcher sie sich der Sache annahmen, war so groß, dass selbst noch Andere aus ihren Umgangskreisen zu Rate gezogen wurden, um dem Gegenstand Licht und Sicherheit zu verschaffen.
Die Hauptsätze einer Mittheilung aus Riga sind: 1) das gedehnte e streift in Livland nicht mehr als in Deutschland an ä, — etwas mehr in Kurland, wo es indessen nicht überall wie sehr breites ä lautet, — meistens bei Leuten ungebildeten Standes, auch bei Personen, die aus Kurland herüberzogen. Bei wirklich Rigischen fällt die Aussprache ebensowenig auf, als bei Leuten, die auf dem Lande in Lettland geboren u. aufgewachsen sind. 2) wird auch das gedehnte e nicht immer wie reines e lauten, so schwankt doch die Aussprache zwischen dem reinen e und dem an ä streifenden, oder, besser, es hält zwischen beiden die Mitte. Dasselbe gilt von Serben in Lettland. 3) unser gedehntes e ist nicht gleich ä. Wir nähern uns in der Aussprache von Beeren dem reinen e, und in der von Bären dem ä, unterscheiden ebenso lesen von läsen, wehren von währen und dem kürzern wären. In den beiden Reihen: heben, legen, überlegen, regen, bewegen und eben, gelegen, geben, überlegen, Regen, Wegen — die nach Grimm kein hochd. Mund vermischen soll — wird e ohne Unterschied gleich gesprochen. 4) es dürften wol kaum irgendwo, so wie in Riga, die 3 Laute e, ä und äh unterschieden werden.
Die Angaben einer zweiten Mittheilung aus Riga lauten 1) der Ä-Laut herrscht namentlich bei Leuten vor, die der ländlichen Bevölkerung näher stehen; 2) der Ä-Laut ist namentlich den untern Schichten der Bevölkerung eigen und reicht in Riga mit wenigen Ausnahmen. etwa hinauf bis zu den Kaufleuten zweiter Gilde; 3) die Verwechslung des e mit ä ist so ziemlich über ganz Livland verbreitet. Als Beispiel dient das Wort Reval, dessen Aussprache in Riga und Dorpat Rä-wall, in Estland Re-fall ist, mit scharfer, sehr auffallender Betonung des e.
Aus Dorpat. Die Aussprache des e ist sehr unbestimmt und verschieden, je nachdem Schichten der Gesellschaft und deren Heimat und Abstammung. Die Unbestimmtheit der Aussprache ist, durch den Zusammenstoß der verschiednen Völker, größer als irgendwo. — Gedehntes und ungedehntes e (e, ë ee od. ê) streifen allerdings meist an ä und klingen sogar häufig zwischen ä und a, z. B. ebensowol sterben, schmelzen, erben — stärben, schmälzen, ärben, — als Heer, Speer, nehmen, schwer, leer = Här, Spär u. s. w. Ausnahmen gibt's allerdings oft, und auch die Behauptung ist zu hören, dass nirgends das e so rein gesprochen werde, als gerade in Livland und besonders in Dorpat. — Reines, helles e klingt nur in Seele, sehr, mehr, Lehm (wie in Deutschland) und wird von dem e in Heer, nehmen deutlich unterschieden. — Ein Unterschied zwischen dem e in legen, überlegen, regen, Regen, wegen, Wegen ist nicht hörbar, weder bei Ungebildeten noch Gebildeten. Hierüber herscht kein Widerspruch; aber auch in Deutschland dürfte der Unterschied nichtüberall hervortreten, — in Ostpreußen gewiss nicht! — Reines e (wie in Seele, Lehm, sehr) hört man auch, wenigstens bei den meisten der Schüler, da wo es nicht gehört werden sollte, nämlich statt ö, in König, Löwe, Götter, löblich — Kehnich,Lehwe. Jetter, lehblich. Daher klingt lesen = läsen, aber lösen = lehsen; möchte = mechte, aber Mächte = Hechte (an ä streifendes e!). — Das e in tonlosen Sylben ist dumpf, unrein, stumm, und wird entweder kaum gehört, oder klingt wie kurzes ö; von dem geschärften e in Welt, schnell wird es deutlich unterschieden. Daher: Kranke wie Krankö (ᵕ), Kranken aber wie Krank'n.
Die Angabe eines Oberdeutschen in Fellin lautet: in der Aussprache findet sich eine Trennung des e und ä lautes, die jedoch, so bestimmt sie auch bei den Einheimischen ist und haftet, organisch ebenso unrichtig ist und der ältern Aussprache ebenso znwiderlaufend wie im Auslande. 1) Das kurze e, als Umlaut des a, im mhd. e gesprochen, in Fellin getrennt in einen e nnd ä Laut, und zwar jenes (spitzes e), wie es scheint, namentlich vor gg, ll, ss, tt; dieses (trübes e = ä) in den übrigen Fällen. Spitzes daher in: fest, Nett, Elle, Egge, Geselle, Schwelle, Stelle, stellen, zerren, Becken, decken, Hecke, schmecken, Strecke, wecken, Kette, retten, Hetzen, verletzen, netzen, setzen, wetzen, besser, Essig, Nessel, Kessel, Held, schmelzen; trübes in: Hemde, fremd, Menge, prellen, brennen, Henne, kennen, rennen, trennen, wenn, sterben, emsig, Bengel, enge, Engel. — 2) Das kurze e, als Brechung des i. Im mhd. e = ä. Die Aussprache dieses kurzen e verhält sich im Ganzen wie in Oberdeutschland. a) Elaut, selten: melken, Helm, Schelm, schwelgen, Fels, Kerze, dreschen, gestern, Nest, Schwester; b) breites ä: gëlb, hëll, schnëll, Nëffe, Spëck, Flëck, Zwëck, Pëch, Bëcher, brëchen, stëchen,Brëtt. Wëtter, quëllen, Schëlle, Wëlle,Nëffen, lëcken, Heuschrëcke, ëssen, vergëssen, mëssen, gesëssen, Sëssel, sëlbst, hëlfen, gëlt, sëlten, Wëlt, Fëld, Zëlt, Përle, lërnen, Bërg, Wëk, Ërde, wërden, Wërth, Hërz, schmërzen, Fërse, Gërste,Sënf, Rëcht, flëchten, Wëchsel, Fëst. — 3) gedehntes e, a) als Umlaut des a, lautet α) wie ê: Zehrung, dehnen, sehnen, gegen, legen, regen, bewegen, edel, Rede, Esel; β) wie ä: Heer, Meer, Beere, leer, Theer, Scheere, Wehr; so ziemlich nur vor r; — b) als Brechung aus i, aus mhd. kurzem e hervorgegangen. α) wie e. Diese Aussprache wäre in Oberdeutschland unerhört. In: stehlen, Bremen, jener, eben. Eber, Krebs, Leben, Leber, Rebe, Nebel, schweben, weben, Degen, Pflege, Regen, Regel, Segel, Segen, Steg, Weg, geschehen, sehen, zehn, Leder, ledig, Feder, Gebet, Besen, lesen, hehlen, Kehle; β) wie ä in: der, er, begehren, her, Speer; also wiederum vor r; — c) aus mhd. langem e, lautet durchweg spitz: eher, Klee, Reh, See, Schnee, Weh, ewig, Seele, Ehre, hehr, Rückkehr, kehren, lehren, mehren, sehr, wenig, Lehne, Schlehe, Zehe, erste. Nur verdeutschte Letten und Esten bringen vor: äre st. Ehre, här st. Heer, kären, lären, mären, sär, ärste — vor r. — In der Aussprache gelten also 4 e, zwei kurze (e u. ë), und zwei lange (ê u. ..) ; ferner ein breites e (ä) in Meer, Beere, Theer, Scheere, Wehr, der, er, begehren, Heer, Speer u. a. — Ä zeigt doppelte Aussprache. Man hört: Märchen, träfe, Gräfin, gnädig, Bär, wählen, Schädel, und wiederum: Spêne, lêge, kême, Glêschen, Zêne, für Späne, läge, käme, Gläschen, Zähne. — Ö wird von echten Fellinern durchweg wie spitzes e gesprochen: bêse, lêsen, beschwêren, Kênig st. böse, lösen, beschwören, König. Namentlich werden nicht unterschieden: kennen und können, beide lauten kännen; möchte und Mächte, wie mechte; läse, lese u. löse; beschweren u. beschwören u. a. — Im Ganzen hört man das Hochdeutsche nirgend so regelrecht sprechen, wiein Fellin, und man kann als Ueberzeugung aussprechen, dass die Sprachlehrer besser thäten, das livländische Deutsch als Muster hinzustellen, denn das sächsische od. gar Hannover- od. Braunschweigische. Es ist auch gar nicht anders möglich, als dass diese Aussprache hier zu Lande die am meisten reine sein muss, da der hiesigen Sprache alles Mundartliche fehlt. — Eine neue Bestätigung des von dem bairischen Grafen de Bray, der lange in Livland zugebracht hat, in seiner histoire de la Livonie III. 249. Ausgesprochenen: „die ausgezeichnete Aussprache, deren sich die Livländer mit Recht rühmen, rührt vorzugsweise daher, dass das Deutsch fast nur von Leuten guten Standes gesprochen wird.“
Von besonderem Interesse musste das Urteil eines Kurländers sein, der die rigische Aussprache kennt, und seit längerer Zeit Oberlehrer der deutschen Sprache in Reval ist. In der Mittheilung, mit welcher noch C. Hoheisels Einladungsschrift: Einige Eigentümlichkeiten der deutschen Sprache in Estland, l860, Zu vergleichen ist, heißt es: 1) einen Unterschied zwischen der revalschen u. livländischen Aussprache des e vermogte mein Ohr im Allgemeinen nicht herauszufinden. In Kurland freilich wird und wurde das gedehnte e wie ä ausgesprochen. Doch nimmt diese Aussprache bei den Gebildeten des jüngern Geschlechts immer mehr ab, so dass die bei diesen übliche nicht weiter von der in Est- und Livland abweicht. Das Deutsch unsrer Provinzen schreibt sich von dem der deutschen Einwanderungen aus dem Auslande her, die fast alle aus denselben Gegenden, nämlich dem Norden, herkamen. Mithin ist es in allen drei Ostseeprovinzen ursprünglich wol dasselbe gewesen und hat sich aus dem Niederdeutschen entwickelt. Wo Abweichungen vorkommen, wie z. B. bei dem kurischen e, da sind sie wol unzweifelhaft dem Einflusse des Lettischen (und Estnischen) zuzuschreiben (landsche Aussprache). Nur scheint es, dass sich diese Aussprache nicht gerade auf Kurland beschränkt, sondern auch in Livland, soweit man dort lettisch spricht, in denselben gesellschaftlichen Kreisen wie in Kurland, angetroffen werden dürfte, während in dem estnischen Theil Livlands und in Estland selbst, wo diese Einflüsse von Eliten des Estnischen nicht stattfinden, die Aussprache sich reiner erhalten hat. In der That findet sich in Betreff des e ein Unterschied zwischen Riga, welches sich durchaus der kurischen Sprechweise nähert, und etwa Dorpat, welches mit Estland übereinstimmt (?). Der Unterschied zwischen dem hellen, geschlossenen, aus a durch Umlaut entstandenen e, und dem offenen, breiten aus i durch Brechung entstandenen ë wird, so weit meine Beobachtungen sicher strecken, in keiner unsrer Provinzen festgehalten, und lautet in Kur- und Estland meinem Ohr völlig gleich Uebrigens scheint es, als ob auch in Deutschland dieser Unterschied keineswegs mehr so streng beobachtet wird, als es früher (im ältern Deutsch) geschehen sein mag. Nicht allein werden beide e von Ausländern, die ich hier gesprochen habe, verwechselt, nicht allein habe ich bei einer Reise in Deutschland keinen Unterschied in der Aussprache des e und ë bemerkt, sondern auch die Sprachlehren liefern darüber nur verschieden lautende undunbestimmte Angaben - Ein Unterschied in der Aussprache des gedehnten e ist mir indes doch aufgefallen. In den Wörtern: Erde, Werth, Herd, Herde, Pferd, Erbe, Sper, begehren, werden, schwer hat sich das ë in seinem ursprünglichen mehr dem ä sich nähernden und von e in sehr, mehr, kehren, Ehre, wenig, Ehe, edel, Fehde, Seele deutlich unterscheidenden Klange erhalten. — Das geschärfte e lautet, wie es scheint, anders als das gedehnte, nämlich immer fast wie ä. z B. Welt, rennt, dann wie ä in fällt, Ränder, Männer. Ein Unterschied zwischen diesem geschärften e und dem tonlosen, z. B. in den Endsylben der beiden letztgenannten Wörter ist für mein Ohr nicht wahrnehmbar — E, ä und ö werden in allen 3 Provinzen verwechselt oder vielmehr gleich ausgesprochen.
Nach dem Vorstehenden leuchtet die Schwierigkeit ein, unsern e Laut zu kennzeichnen und die hier und da einander widersprecheuden Angaben in Einklang zu bringen. Das Folgende mag die Ansicht des Verfassers zusammenfassen, welche übrigens in den Punkten 1, 2, 6, 7 u 8 sehr allgemein getheilt ist. 1) Die Aussprache des e gleich ä zieht sich durch ganz Kur- und Lettland, überschreitet selbst, nach Norden und Osten hin, die Grenze des lettisehen Lamdgebiets. vgl. die zweite Angabe aus Riga und Hupel in Topograph. Nachr. I. 146. In Kurland, obgleich im Allgemeinen derselben Artung wie in Lettland, weicht die Aussprache doch mehr od. weniger ab von der in Riga und Lettland, häufig in so auffallender Welse, dass man eher Kurlands an seinem e, gleich breitem ä, ebenso zu erkennen ist. wie mancher Estländer an seinem scharfen s. — 2) die Aussprache des gedehnten und ungedehnten e trifft in Riga, Lettland und wol auch Dorpat im Allgemeinen mit der in Norddeutschland zusammen, ist daher dort durchaus nicht auffallend, gewiss aber in Suddeutschland. — 3) Nach sehr verbreiteter Ansicht ist diese Aussprache in Kur- und Lettland lettischem Einflusse zuzuschreiben. Diese Ansicht ist sicher nur zum Theil begründet. Wenn der Einfluss des Lettischen nicht abgeleugnet werden kann bei Leuten, die aus lettischem Stamm sich zu halben od. vollkommnen Deutschen um- und heranbildeten, oder zweitens bei wirklichen Deutschen, die beständig auf dem Lande in lettischer Umgebung leben, so ist doch bei Hiesigend es bessern Standes und den vielen aus Norddeutschland Eingewanderten die e Aussprache eine deutschem Munde eigentümliche. Wir haben zwar alle Tage Gelegenheit an gebildeten Deutschen, die eine Reihe von Jahren in Russland verbracht haben, wahrzunehmen, wie leicht und ihnen ganz unmerkbar und selbst nicht wahrnehmbar ihre Aussprache fremden Klang annimmt Wie aber wiederum dieser russische Anhauch weniger bei unverrussten Deutschen Moskaus und Petersburgs gefunden wird, so ist auch der lettische Anhauch bei den Deutschen Rigas, die den in jeder Hinsicht so sehr überwiegenden Theil der Bevölkerung bilden, nur hier uud da hörbar, indessen wol nur bei den ungebildeten Ständen. Und es scheint daher unzweifelhaft, dass der hiesige e Laut im Allgemeinen ein ursprünglich deutscher ist. — 4) Eine sog. landsche Aussprache, wie sie namentlich in Kurland sich geltend macht, kommt in Livland nur ganz vereinzelt vor, und wird ihre Entstehung lettischem Einflüsse zugeschrieben. Aber selbst für sie wird von beachtenswerter Seite her dieser Einfluss bestritten; so von Harmsen in Libau. Wenn, sagt er, in der lett. Sprache das durch ein stummes h gedehnte e, wie in dehls, Sohn, gedehnt und tief laute, so klinge es dagegen geschärft in besdelinges, Schwalben, u. andern Wörtern, selbst in solchen, welche Verdoppelung des Selbstlauters zeigen, z.B. in pee, bei. — Auch kann nicht unerwähnt bleiben, dass unser e Laut über Ostpreußen bis nach Sachsen hinein sich erstreckt, wo das widerliche ä Dresdens bekannt ist. Freilich kann auch in diesen Gegenden der Einfluss undeutscher Bevölkerungsgrundlage nicht geleugnet werden. — 5) Wir kennen keine durchgreifende Verschiedenheit zwischen dem geschlossenen und offenen e, weder in Riga, noch in Liv-, Kur- oder Estland. Höchstens im Munde Weniger, und dann nur bei gewissen Wörtern mögten Unterschiede vorkommen. So sagt Hupel in sein. Idiotikon, dass — doch wol in der Gegend, wo er lebte — das Wort belegen, als Infinitiv, wie belehgen gesprochen werde, als Particip jedoch wie belägen. Krüger (319) äußert sich hinsichtlich Kurlands folgendermaßen: „das offene (gedehnte) und geschlossene e werden häufig verwirrt; stetig, stets, bequem sollten nicht gedehnt werden. Nicht Wenige machen nach Hamburger Weise jedes offene e zum geschlossenen; sie geeben lieber Eere, Leeben und Leeber darum, um ja kein ä hören zu lassen. Dahingegen auf dem Lande das offne e zum hässlichen ä hinüber artet: ährlich, rädlich, Sähgeltuch, entwäder lähbend od. todt. Nur Kegel hat allgemein ein unrichtiges geschlossenes e.“ — 6) Ist keine durchgreifende Unterscheidung des geschlossenen und offenen e in unfern 3 Provinzen wahrzunehmen, so ist wiederum nicht zu leugnen, dass, wenigstens in Riga und Lettland, die Aussprache des gedehnten e eine dreifach verschiedne ist, selbst in denselben Wörtern: theils wie reines e, theils wie leichtes ä, theils wie breites ä. So kann belegen wie belégen, belêgen (belägen) u. belä-gen klingen. Die erste Aussprache mögte sich finden im Munde einiger Gebildeten; die zweite die hier gewönliche sein, und namentlich vor r stark hervortreten: Erde, wie Ährde, er wie ähr, Ehre wie Ähre, Pferd wie fährt, Beeren wie Bären, mehr wie Meer, mehre wie Meere oder Mähre, sehr, wer u. s. w. Die dritte breite Aussprache fast nur bei Leuten, die beständig unter Letten lebten oder bei verdeutschten Letten. — Nach dem Gesagten kann es nicht auffallen, dass bei uns in der Aussprache französ. Wörter so häufig eine Verwechselung der verschiedenen e und des ai stattfindet. — Die Namen Fersen und Medem werden in Livland gewönlich Ferrsen und Mehdem gesprochen; zuweilen, kurländisch, Fährsen und Mädämm. — 7) Die Aussprache des gedehnten und ungedehnten e, ä und ö ist vollkommen gleich, und lautet wie leichtes ä. Lesen, läsen u. lösen; denen, dehnen, Dänen; reden, rädern, röden; Rheder, Räder u. Röder; jenen, gähnen und höhnen; beschweren, beschwären u. beschwören; Ehre, Ähre u. Öhre; redlich, rätlih u. rötlich; Becher, Fächer u. Köcher; Hechte, Mächte u. mögte geben dazu die nötigen Belege. In Lettland gilt nur zum Theil das, was Hupel in s. topograph. Nachrichten I. 146 äußert: „Meer sprechen wir wie Mähr, Beeren wie Bähren, Esel wie Ösel; aber Klete beinahe wie Klöte, stehen fast wie stöhen; dagegen legen wie lägen, reden wie räden.“ — Besser sprechende bemühen sich ö, und hier und da auch ä, deutlich hören zu lassen, namentlich in Conjunctiven u. ähnlich lautenden Wörtern, so dass zwischen lesen, läsen, lösen, heben und höben, säen und sehen, Säer u. Seher ein deutlicher Unterschied wahrnehmbar wird. Ja, Einige wollen sogar die verschiednen e unterscheiden, verfallen aber dabei in gar häufige Verwechselungen u. Ungereimtheiten. Immer ist diese bessere Aussprache angelernt, angeübt.— 8) Das ungedehnte e lautet meist wie ä: Wette, Lette wie Watte, Latte; als Auslaut oft fast tonlos und an ö streifend, z. B. in Base, Gabe, Liebe, Else, Lise, wähle, Kranke; reiner in: wenige, einige, meinige u. ä. —
Noch ist zu bemerken 1) dass bei weiblichen Hauptwörtern gern mit e verlängerte Formen benutzt werden, z. B. Thüre und Uhre st. Thür u. Uhr. Auch bei verschiednen Nebenwörtern kommt dies vor, z. B. gerne u. vorne st. gern u. vorn. Dies ist aber durchaus nicht mundartlich, wie angegeben wird. In Deutschland, selbst in Büchern, findet es sich sehr gewönlich. — 2) Zeitwörter auf el, er und en unterdrücken das e der Flexion in der gewönlichen Sprache durchweg; die auf em oft. Ich wander', rechen', zeichen', lächel' st. wandre, rechne, zeichne, lächle; es regen't, er zeichen't, ich rechen'te, es hat geregen't; ich atem', aber bewidme, eingeatmet. Dieser Gebrauch kommt schon früh vor. Verordenter Schlossherr auf —, 352. XVI. 6. vgl. Grimm III. S. 4. 3. — 3) in Imperativen bricht das e des Infinitivs häufig nicht in i. Wir sprechen ganz gewönlich: seh, ess. brech, erschreck, helf, schelt, befehl, werf, tret st. sieh, iss u. s. w. Für Kurland schon angeführt in 319 u. 189; in Reval soll, nach 322. 14 zu urteilen, sehe, esse, werfe u. s. w. gesprochen werden. - 4) in der Conjugation mancher Zeitwörter zeigt sich, entgegen der hiesigen Gewonheit, Vorliebe für Umlautung, z. B. sägst, sägt, frägst, frägt, kömmst, kömmt,klägst, klägt, wie das 322 auch für Reval anführt. Käufft aber u. käuft klingt in Riga lächerlich od. jüdisch, und verwährst, verwährt, sähst (?) st. verwahrst sind sehr selten, vgl. dagegen 322. 14. — 5) in der plattd. Zeit lauteten viele Stadt- und Flussnamen auf e. die später auf a ausgingen. Rige st. Riga, Düne st. Düna, Wilde, Narwe st. Wilna, Narwa. Rige u. Düne erscheinen noch ganz gewönlich Mitte des 18ten Jahrh., obgleich Riga u. Düna schon im 16ten Jahrh. auftreten. — 6) die Endung ie in versch. Namen klingt gewönlich ije: Amalie, Natalie wie Amalije, Natalije; Marie gewönlich zweisylbig: Mari. zuweilen Mari-e. — Tragödie u. Comödie sind durchweg dreisylbig; dagegen: Com´ödienzettel. — vgl. ei.

Gutzeit 1886, 227
Wie die anderen Selbstlaute gern geschärft. So in Herberge, Herbergen, beherbergen, gespr. herr—; in Ferse, Verse u. Vers, gespr. Ferrse u. Ferrs; im Familiennamen Fersen gedehnt und gespr.: Fär-sen. Geschärft in den Ortsnamen Selburg u. Semgállen. gespr. Sell- und Semm-. Die Taufnamen Edwin, Edgar und Edmund zeigen stets geschärftes e u. werden gesprochen Edd'win, Edd'gar und Edd'mund; Eduard zeigt stets gedehntes e und wird gesprochen E-dward od. Ed-ward. Nie übliche Schreibung mit u ebenso falsch wie in Balduin.
In Wörtern wie andere wird das vorletzte e gew. nicht gesprochen (an-dre); in anderen u.ä. das letzte e meist verschluckt: bei andern Leuten.
Im Russischen zuweilen Einschaltungslaut. Daher глянецъ aus Glanz.

Eichhorn

QUELLEN

Gutzeit 1886, 229f.
Eichhorn u. Eichhörnchen, richtiger: Eichorn u. Eichörnchen. Die angenommene Entstellung aus sciurus erscheint sehr fraglich. In dem deutschen Worte findet sich kaum ein Buchstabe des lateinischen; das franz. écureil aber ähnelt wenigstens dem nd. ekerken. Will man die deutschen u. altn. Benennungen nicht aus écureil entstellt sein lassen, so ist das e, ei u. ik, ink u. ags. âc geradezu unerklärbar; aus lat. sci konnte sich kein e, ei, ik, âc bilden, sondern nur ein Schi. Die deutschen Wörter deuten alle auf Eiche hin; sollte denn der Volksmund überall sci- in Eich- od. Ek d. h. Eiche verwandelt haben, nur um eine Deutung sich zu gewären u. so denkarm gewesen sein, für ein so häufiges u. auffallendes Tier keine eigene Benennung erfinden zu können? — Das End- orn oder horen lässt sich ebenfalls nicht als eine Entstellung aus den Endbuchstaben von sciurus erkennen u. das ags. vern am Wenigsten. Endlich finden wir in älteren u. ältesten Belegen keine Schreibung, welche den Übergang des deutschen, schwed., altnord., angels., holländischen n. niederd. Wortes aus sciurus verdeutlicht; es erscheint sofort in seiner gegenwärtigen Gestalt: ahd. Eichhorn, nd. ekerken, ags. âcvern, altn. îkorni u. schwed. ekorre u. ickorn. Das Einzige was der deutsche Volksmund sich verständlichte, ist die Endung, welche unrichtig horn geschrieben wird st. orn. s. Eichkatze.
Der Ausdruck Eichorn kann bei uns nur als ein bücherlicher angesehen werden; wir sprechen durchweg Eichörnchen, gleichwie nd. Ekerken gilt, dem es in allen Buchstaben entspricht. Doch auch in anderen Gegenden ist Eichörnchen allein im Munde der Leute. So spricht Prof. Misteli (vgl. Indogermanische Säugethiere im Bericht d. St. Gallischen naturf. Ges. v. 1865/66. S. 159) nur von Eichhörnchen,nicht von Eichhorn, u. ebenso mehre Wörterbücher; Grimms Wtb. hat dagegen Eichhörnchen nur aus Göthe! Prof. Misteli a. a. O. sagt: Eichhörnchen durch Volksetymologie verderbt aus Eich-orn, nord. ik-orn, ags. âc-vern oder auch einfach vern, dessen erster Theil „Eiche,“ der zweite die Wurzel vr oder var enthält; var aber heißt umringen, sich ringeln, und der Name bezieht sich daher auf die rasche Beweglichkeit u. Lenksamkeit des Leibes, die fast an Schlangen erinnert.
O. von Löwis in 416. 1884 gebraucht wiederholt (vgl. ags. vern!) Hörnchen. Jedes dnnkelfarbige Exemplar eines Hörnchen, ebda. 25; Beschaffung dunkelfarbiger Hörnchen, ebda. 26; von einem 1883 geschossenen Hörnchen, ebda. 27. Wenn Eichorn eine Entstellung von sciurus ist, so kann Hörnchen nicht gerechtfertigt werden.

Erhalt der

QUELLEN

???, 83
In Rigaschen Schriftstücken ... „der Erhalt einer Zahlung“

Gutzeit 1864, 263
Erhalt. Der E. an Brantwein ist gering, d. h. was erbrannt wird. — Eine gew. Ausdrucksweise im vorig. Jahrh. war: demnach NN. um Nachgebung eines Proclamsa ngesuchet, zum Erhalt dessen aber an das .. . Gericht verwiesen werden. — Zum E. eines Scheines. 172. 1779; einer Ausfertigung, ebda. 1824.

etwas

DAZU:
siehe auch Satzbau

QUELLEN

Gutzeit 1886, 252
etwas. Der ist auch etwas Rechtes, der hat auch etwas Rechtes gelernt, gesprochen: was Rechtes, d. h. wenig. — Als eine echt baltische Provinzial-Wendung wird von Th. Schiemnnn (rig. Ztg. 1884. 53) angesehen: „Du weißt wohl nicht, daß man von so etwas nicht spricht“. Mit Unrecht! Wir brauchen „so etwas“ in verschiedner Bedeutung u. Betonung. 1) So etwas Hab' ich noch nicht erlebt, st. solch' ein Ding, solch' einen Vorfall u. dgl; so etwas von Dummheit ist unerhört, solch' eine od. eine so große D.; so etwas soll ich ihm sagen? st. das. - 2) Um einen gewissen Zweifel auszudrücken oder einen bestimmten Ausspruch zu vermeiden. Die Nachricht enthält soetwas (von) Unwahrscheinlichkeit, d. h. lässt eine gewisse Unwahrscheinlichkeit annemen, — schwächer als: etwas Unwahrscheinliches od. ein wenig Unwahrscheinlichkeit. Das so u. etwas sind unbetont, der Ton fällt auf das Hauptwort.— In der ersten Bedeutung hört man für so etwas sehr gewönlich: so was. So was habe ich nie erlebt.

Westren-Doll 1921, 179
20) In der Verbindung mit „so“, „noch“, „ganz“ steht das Pronomen „etwas“ stets an zweiter Stelle, z.B. „dat is gants-wat adrs (A)" - das ist etwas ganz anderes. So auch bei uns: "Das ist so was schönes" statt „das ist etwas so schönes“. „Weisst Su noch was Besseres“ statt 'Weisst Du etwas noch Besseres': 'Das ist ganz was neues' statt 'Das ist etwas ganz neues'.


QUELLEN (Informanten)
Lange, Harald: Riga, Südlivland
etwas - kurze Zeit.
Komm etwas zu mir = auf kurze Zeit.

Fahrt die
‣ Varianten: Fart

QUELLEN

Gutzeit 1864, 269f.
Fahrt, die. 1) Fahrwasser. In der F. von Ibro kaiserl. Maj. Garten ab bis nach der Münde zu wurde das Eis in der Düna 1745 aufgehauen, um die Gefahr des Eisganges zu beseitigen. 350. XXV. 1. Namentlich das Fahrwasser in der Mündung der Düna. Die F. der Dünamündung rein erhalten. 350. XI. 63. Beweisen, dass in des Stromes Norderfahrt (nördliche Einfahrt in die Düna) mehr Tiefe gewesen sei, als in der Süderfahrt. 174. 1816. 138; Piehl unternahm es 1686. die F. NNW 10—14 Fuß tief zu machen, ebda. 1835. 316. (Es ist, fügt der Herausgeber Wendt hinzu, wol von der Mündung, dem Seegatt, die Rede); im J. 1704 wurde die F. („wol die Mündung des Flusses, Seegatt“) durch den Eisgang um einige Fuß verbessert, ebda 318. — Diese nördliche Fahrt bildete sich erst in d. letzten Jahrhunderten; vorher ging die F. nahe dem rechten Ufer der Dünamündungu. wurde in d. plattdeutschen Zeit gew. deep, in der hochd. die Tiefe od. Fahrt genannt. Diese spätere Süderfahrt wurde, heißt es, 1608 von den Schweden durch Versenkungen unfahrbar gemacht. In 182. III. ist noch von keinem Seegatt zu lesen, u. das, was jetzt so heißt, aber weiterhin ausgerückt ist, wird daselbst Fahrt genannt. Weißmann versperrte zu Ende vorigen Jahrh.) durch den Fortcometdamm das bis dorthin benutzte, seicht gewordene Fahrwasser und gab der Mündung eine neue Richtung. Es bildete sich darauf zu beiden Seiten der von der Fluss-Mündung liegenden Sandbank eine doppelte Fahrt, von denen die östliche, zwischen Sandbank u. Magnusholm, die tiefere war (1782). Gewönlich ist 2) die Ra.: etwas auf der Fahrt haben, st. in Aussicht, od. auf der Fährte.

Gutzeit 1886, 258
Fart, Flussweg. Man meint, daß die sog. Pernausche Fahrt zu Krieges- od. Pestzeiten versenket u. verschlammet sei und dachte im J. 1650 daran, sie wieder zu eröffnen, 180. III. 1. 331, d. h. Verfur russ. Waren aus Russland über den Peipus, auf dem Embach u. dem Fellinschen Bach nach Pernau. — 2) richtiger Weg. Nicht auf der rechten F. sein, um das zu erreichen. Gew. vgl. Grimms Wtb. 67.

Gutzeit 1892b, 18
Fart, die. Hat das Wasser (beim Eisgänge) nach der Sandpforten-seine Fahrt gehalten, Bodeckers Chr. S. 1. — Oft st. Fahrwasser, Der Anker des Schiffs habe in der Fahrt gelegen, die doch rein und ungehindert sein müsse, 365. 1698.

Gutzeit 1898, 10
Fart, die, bei Wettrennen. Eine lange Reihe edler Renner verrichtete ihre Arbeit, im Schritt und langsamen Trab und dann wieder in fliegender Fahrt, Dünaztg. 1896. 190; in dieser Reihenfolge ging die Fahrt bis zur letzten Biegung, ebda.

Finger der

QUELLEN

Hupel 1795a, 63
Finger, lange, bezeichnen in Sprüchw. den Diebstal z.B. dieser Mensch hat lange Finger, oder läßt die Finger kleben.

Krüger 1832, 335
10) Auch folgende Versehen sind gar nicht selten in den feineren Cirkeln: ebend, Zwirnd, balde, herummer, hereiner, blesirt (statt blessirt), sich parade machen (statt parat machen), Storchenschnabel, Seilentänzer, sich erkündigen (statt erkundigen), Finger (an den Füßen, statt Zehe), sich befreuen (statt erfreuen), sich belassen (statt überlassen), Kirschkörner (statt Kerne) u. dgl.

Gutzeit 1864, 281
Finger. Die Finger von etwas lassen, sich einer Sache enthalten, sich fern von ihr halten, Seine F. kleben lassen, stehlen. Bei Grimm 4: Geld an den Fingern kleben lassen. — Wie ein F. allein sein.

Gutzeit 1886, 270
Finger. In der Sprache Ungebildeter nicht selten für Zehe des Fußes. Schon in 3l9. 335 angemerkt. — „Wie alt sind Sie? — So alt wie mein kleiner Finger“. Wenn man scherzend die Antwort verweigert. — Keinen Finger rüren, d. h. bewegen, in Tätigkeit setzen, nichts tun. Nicht, wie in Grimms Wtb. (16): mit dem Finger anrühren. — An jedem Finger 10 Freier gehabt haben, sagt man von einer Dame, um die Viele angehalten haben. — Einem auf die Finger geben, einen leichten Schlag od. Klapps auf die Finger. Man gibt Kindern auf die F., wenn sie etwas anfassen od. nemen, was sie nicht sollen; den Franzosen ist bei. .tüchtig auf die F. gegeben (geklopft). — Auf die Finger bekommen, kriegen erhalten, Klappse od. Schläge auf die Hand. Kinder, ihr werdet auf die F. bekommen. Die Franzosen haben bei... tüchtig auf die F. bekommen: Haue, auf die Hosen. — Wurden aber vom Feinde auf die Finger geklopft. 174. 1884. 361. J. 1700; als sie mit 300 Mann gekommen, erst die pontons und die Sturmleiter wegzuziehen, haben sie ihnen auf die Finger geklopfet, ebda 372. J. 1700. — Einem auf die Finger sehen, d. h. auf alles, was er tut, ein wachsames Auge haben. Man kann nichts tun (d. h. bei allem was man tut), immer wird einem auf d. Finger gesehen; man muss ihm auf die Finger sehen, sonst stielt er. Gew. vgl. dazu Grimms Wtb. 10) am Schluss, wo der angef. Beleg kaum erläutert ist. Sich in die Finger beißen (müssen), das Nachsehen haben. — Die Finger üben, s. Fingerübung. Ein Clavierstück in den Fingern haben, es gut u. fertig spielen. — Die Finger von etwas lassen, etwas nicht anrüren, und weiter: sich nicht hineinmischen. Die Finger lass davon! d. h. rür sie nicht an, die Sache, das Geld und: befass dich nicht damit, mische dich nicht hinein. Seine Finger rein halten, sich nicht auf Klemmereien, Diebereien einlassen. — Fünf Finger im Marsch. Eine in den 20 u. 30-er Jahren häufige, jetzt selten od. gar nicht zu hörende Redensart ist: ja, 5 Finger im Marsch (Arsch) d. h. ja, was nicht noch!

Gutzeit 1892b, 19
Finger. Etwas aus den Fingern saugen, erdenken. Das wird er doch nicht aus den Fingern gesogen haben, d. h. erdacht, ohne allen Grund gesagt haben. Zu Grimms Wtb. 13).

Gutzeit 1894, 14
Finger. Ich kenne die Wirkung oder Nachwirkung dieser Arzneimittel wie meine fünf Finger, 372. I. 318.

Gutzeit 1898, 11
Finger. Das abgelöste Karnies war auf die darunter befindlichen Stellagen gestürzt und hatte dabei die Holzverbindungen, die sog. Finger, durch welche die Stellagen in der Mauer befestigt sind, durchbrochen, 361. 1896. 178.

Kiparsky 1936, 121
Finger [fiŋǝr] m. 'Zehe' ~ lett. pìrksts 'Finger, Zehe' ~ r. палецъ id. Nach Krüger Kurl. deutsche Mda S. 335 sollte es auch „in den feineren Cirkeln“ und „gar nicht selten“ vorgekommen sein. Da es sich um Anfang des 19. Jhs und um Kurland handelt, ist hier lett. Vorbild bei weitem wahrscheinlicher, als russ. - Heute selten.

geben V [h]
Vt

QUELLEN

Petri 1802, 85
gebe, esse, nehme für gieb, iß, nimm.

Hoheisel 1860, 26
geben: sich Zeit geben st. „sich Zeit nehmen“ (franz. se donner le temps).

Gutzeit 1877, 316
geben. 1) mit Infinitiv. Einem zu essen, zu trinken geben, Speise und Trank geben, wie lat. dare bibere und in anderen Sprachen. Den Pferden zu fressen, zu saufen geben, sie füttern und tränken. — Einem zu schlafen geben, schlafen lassen, am Schlafen nicht hindern, wie russ. дать кому спать, vgl. ähnliche Infinitivwendungen in Grimms Wtb. II. 24. 6. ß und d. ß. —
2) sich geben. Die Stifeln werden sich geben sich ausweiten. Grimms Wtb. ll. 22. 3. — Sich geben, nach einer Richtung hin: ausweichen, neigen, sich herausgeben, senken. Die Lage des Zimmers hat sich gegeben, nach unten gesenkt; die Hauswand hat sich (nach Innen, nach Außen) gegeben, sich herausgegeben, hervorgebaucht. — Sich auseinander geben oder sich von einander geben: auseinander weichen, sich trennen, sich spalten u. dgl. —
3) von sich geben, etwas Genossenes, durch Erbrechen. Was er auch genießt, alles gibt er wieder von sich, muss er von sich geben. Zu Grimms Wtb. II. 12. g.
Statt: einem geben hört man nicht selten: an einen geben. Ich habe das Buch an ihn gegeben. Sallmann (390c. 25) schreibt dies französischem Einfluss zu. Das ist unwahrscheinlich. In derselben Weise — aber auch im Lateinischen (dare literas ad aliquem) — wird gesprochen: einem u. an einen schreiben, schenken, sagen, liefern; das an entschä-digt gewissermaßen für die felende Beugungsendung in Fällen wie: ich habe das an Jakob, an R. N. gegeben u. s. w. Häufig zeugt dieser Gebrauch von einer Unreife im Sprechen, aus welcher Unreife sich auch erklären: an und für etwas st. woran u. wofür; um was st.worum; nicht wo st. nirgends; durch dem dass st. dadurch dass, auch die Imperative (bei Sprechenlernenden) geb, ess, die später lauten gib, iss. Die Annahme eines französ. Einflusses widerlegt sich schon dadurch, dass das franz. à in donner à ql. oder emprunter à ql. keineswegs an bezeichnet u. dass Kinder ebensowol deutscher als lettischer Herkunft donnez-moi wiedergeben mit: geben Sie an mich. Das Geben „an mich“ hört mit den Kinderschuhen auf; doch ist: ein Buch an A. geben, leihen, an einen schreiben u. s. w. selbst bei Bestsprechenden gang u. gäbe. Das in Grimms Wtb. als „merkwürdig“ bezeichnete: „die Flucht geben“ (Sp. 1716. g. α.) ist wol ebenso wie das: „sich der Flucht geben“ (ebda ß) u. „sich in die Flucht geben“, nur eine dem Deutschen widerstrebende Wiedergabe von fugam dare, fugae se dare u. in fugam se dare.
Übersehen in Grimms Wtb. scheint die Formel in Kaiserl. Befehlen: Gegeben zu Zarskoje Sselo den 18. Februar. Wie lat. datum, franz. donné, russ. данъ, lett. dots, estn, antud. Etwas Überhöhung scheint: Gegeben im Tuckumschen Stadtmagistrate auf dem Rathhause zu Tuckum am 29. Jan. 1881, 173. 1881. S. 135.
Die auswärtige Verwandtschaft von geben, bemerkt Grimms Wtb. Sp. 1668. 3, ist noch nicht sicher gefunden; man führt dazu an κέω gieße, litt. gabenu bringe u. kelt. gabt nemen. Man könnte hinzufügen russ. давать geben,in welchem д statt deutschem g sich findet, w aber dem hessischen gäwen (Grimms Wtb. 1703. c. g.), altfries. geva. dän. give, mnd. u. mnl. geven entspricht. Auch sind die Präterita goth. gaf, mhd. gap, gaben, nol. gaf, gaven und das Hauptw. Gabe mit ihrem a in Betracht zu ziehen. Wie endlich das verlängerte давать zu дать steht, so finden wir wiederum mundartlich das b ausgefallen od. felend: gän u. gên Das russ. дать deckt sich wieder mit lat. dare.

Sallmann 1880, 25
geben, schenken an jemand; Platz geben, d.h. nehmen, sich die Zeit geben, d.h. nehmen (frz. Einfluß)

Kobolt 1990, 111
geben st. V. mit Eigenheiten in der Aussprache: II. Sing.Präs.: gipst mit kurzem Vokal; III. Sing.Präs.: gipt mit kurzem Vokal; II. Sing.Imperat.: gipp! plattd. Imperat.: mit kurzem Vokal gif!

Grütze die
‣ Varianten: Grütz

DAZU:
saure Grütze (id)
vgl rote Grütze, russische Grütze, saure Grütze, schwarze Grütze

QUELLEN

Hupel 1795a, 83
Grütz oder Grütze heißt oft Grützbrey, z.B. wir essen heute dicken Grütz (eigentlich dicke Grütze).

Bergengruen 1923
wie wir unsere Speckkuchen, unsere saure Grütze ... liebten

Sass 1963, 68
[Bouillon mit Klimpchen] ... Kaseraggengräten drin oder mit angeschimmelten Dörrgemüse. Abends einen Teller Roggenbrei, salzlos, in Wasser gegart, voller Schlauben. Ab und an ein Extrabrötchen aus Kartoffel- und Schnittkohlschalen, ein begehrter Leckerbissen, um der Gerechtigkeit willen auf der Briefwaage abgewogen. Zuweilen gelang es den Müttern (Väter gab es kaum; sie waren in den Freicorps), etwas Eßbares gegen Kleinodien einzutauschen ... Wahllos kaufte man, was angeboten wurde. Unbesehen verschlangen wir Hummer statt Brot, Haselhuhn statt Grütze, Neunaugen anstelle von Kartoffeln und Gemüse. Einmal, erinnert Nora, gab es sogar eine ganze Tafel Schokolade. ...


QUELLEN (Informanten)
Transehe, N. von: Wolmar
Grütze - Brei

Haarwerk das
‣ Varianten: Harwerk

QUELLEN

Gutzeit 1889a, 5
Harwerk, bezeichnet nicht ausgezogene Hare eines Pelzwerks, sondern Rauch- oder Pelzwerk (vgl. 451. J. 1884. S. 40). Prof. L. Stieda meint, es bedeute Hasenfell, und weist auf engl., schwed. und dänisch Kars Hase. Im nd. heißt aber der Hase Käse u. nur ein nd. Wort wäre heranzuziehen.

Gutzeit 1894, 17
[Harwerk, eine besondere Gattung Pelzwerkes. Ehemals. Ist erklärt worden: aus dem Pelzwerk ausgezogene Hare. Es handelt sich aber nicht um ausgezogene Hare, was dadurch erwiesen wird, daß das Harwerk nach Zimmern (40 Stück) gekauft wurde. Die in 451. 1884. 40 gegebene Erklärung: Rauch- oder Pelzwerk kann nicht durch die Ansicht beseitigt werden, daß Harwerk mit Hasenfell zu erklären sei, da engl., schwed. und dän. hare einen Hasen bedeute. Eine solche Zusammensetzung von hare mit Werk ist ganz unwahrscheinlich, da wir es mit einem nd. Wort zu tun haben und die Zusammensetzung hare(n)werk, nicht Harwerk gelautet hätte. Daß Harwerk Rauch- oder Pelzwerk überhaupt bezeichnet, geht auch aus dem Genitiv des Wortes in dem Belege hervor: VII timmer poppelen unde III timmer harwerkes. — Gleicher Bedeutung mit Harwerk ist Harding.]

haflick Interj

QUELLEN

Grosberg 1931
Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälften“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit "Haflick" berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

haful Interj
ha

siehe auch berufen

QUELLEN

Pantenius 1872, 152
Haful der Fuchs ist tot

Grosberg 1931
Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälften“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit "Haful", das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Haken der
‣ Varianten: Haaken, Hocken

DAZU:
einen Haken haben (id) 'eine Vorliebe haben'

QUELLEN

Bergmann 1785, 28
hacken - die eigentliche Name des itzigen in Livland üblichen Pfluges, vor alters mens [?] genannt, eine rigische Hakenkufe ist ohngefähr so viel Land das 200 Thaler jährlich austrägt.

Hupel 1795a, 84ff.
Haaken, der, ist noch jetzt der einzige aber höchst unsichere Maßstab, nach welchem die Größe der Landgüter und deren öffentliche Lasten berechnet werden. Ohne die Verschiedenheit auf Oesel, oder gar das ehemalige Längenmaß zu berühren, so erfordert man zu einem liefländischen Haaken, für 60 Thaler oder Rubel Abgaben und Frohndienste der Bauern, doch nach einer äusserst niedrigen Taxe (bey Kronsgütern werden auch Hofsfelder u.d.g. mit in Anschlag gedracht;) hingegen zu einem ehstländischen 5, an etlichen Orten auch mehrere, arbeitsame Mannspersonen von Bauerstande: und dies heißt in beiden Herzogtümern ein Revisions-Haaken, weil ihn die Revisions-Commission bestimmet. *)
Ein Bauer-Haaken hingegen besteht in den Ländereien, welche man unter der schwedischen Regierung für einen Haaken erkante. Derjenige Bauer welcher z.B. die Hälfte davon nutzet, heißt ein Halbhääkner: ein solcher mußte damals die ganze Woche hindurch mit einem Anspanne frohnen; jetzt leistet auf Privatgütern zuweilen ¼ Haaken eben so viel, wo nicht gar mehr. - Uebrigens hatte man schon in Ordenszeit in Liefland, Haaken; vielleicht brachte der aus Westphalen damals häusig hieher ziehende Adel diesen Ausdruck mit: wenigstens finde ich ihn in von Steinen's westphälischen Geschichte z.B. im 2. Th. S. 1562 u.a.O.m. unter andern vom Jahr 1385. - Neuerlicht hat man angefangen, auch nach Seelen, d.i. nach mähhlichen Köpfen, wie in Rußland, die Größe der Landgüter zu bestimmen: aber auch dieser Maaßstab thut keine Gefüge.
*) Neuerlichst sagte Snell in seiner Beschreib. der rußischen Provinzen an der Ostsee, ein Haaken Landes sey ein Platz auf welchem sich 10 Bauerfamilien nähren können!!

Hupel 1795a, 87, 88
Hacken Landes st. Haaken, ist eine falsche Schreibart.
Haken und Orse (Wie im Brand.) sollten eigentlich Geft und Schlinge oder Ohr heißen.

Gutzeit 1877
Haken, der, früher oft Hacken oder Haacken geschrieben. 1) die ursprüngliche Benennung des jetzt sog. Hakenpflugs. Arndt (179. I. 92) sagt: Haken, uncus, nannte man anfänglich, wegen seines Haupttheils, einen Pflug, hernach ein Stück Landes, so viel nämlich 2 Pferde in einem Tage umackern können. Bergmann (164) bemerkt: Haken, der eigentliche Name des itzigen in Livland üblichen Pflugs, vor Alters uncus genannt. Hueck (190. 64) sagt: der Pflug (in Liv- und Estland) ist fast überall ein Hakenpflug(estnisch sahk, lett. arkles, russ. сохá); der einfache Haken oder Schweinsrüssel(estn. adder) ist in der Wiek noch jetzt im Gebrauch. — Alle diese Wörter stehen in Verwandtschaft. Denn das russische сохá findet sich in Ostpreußen wieder als Zogge oder Zoche; dem Ssochá entspricht aber auch das estnische sahk, Pflug, das franz. le soc, Pflugschar, und das deutsche Sech, und das gothische hôha, Pflug, dem wiederum Haken angehört.
Unsere Schriftsteller scheinen das Wort Haken (Pflug) als ein allgemein bekanntes anzusehen. Doch kennt Schiller-Lübben's mnd., und ebenso wenig das brem. Wtb. das Wort in der Bed. von Pflug; selbst Grimms Wtb. belegt es aus Deutschland kaum. Thatsache ist auch, dass es bei unseren landwirtsch. Schriftstellern Gubert und Hermann v. Neidenburg nicht vorkommt, und nur vereinzelt in alten Urkunden. So (vielleicht zuerst) in d. Urk. v. 1252. 18. October: geven von eine jeglichen haken ein culmit roggen; dann in d. Urk. v. 4. April 1253: mit allen landen und wiltnisse, dar die haken gehaket hevet, und ebda, noch ein Mal: mit allen landen und wiltnisse, dar die haken gehaket hebben. Man könnte in diesen Stellen an „die Hacke“ denken; der latein. Text setzt aber: cum terris quas coluerunt unco. — Eine noch nicht aufgeworfene Frage ist, ob das lat. uncus eine Übersetzung des deutschen Wortes Haken ist, oder ob das Umgekehrte stattgefunden. Das classische Altertum kannte uncus weder in der Bed. von Pflug noch von Landmaß.
Von dem Haken oder Pfluge, genauer nach der Zahl der Pflüge, erhoben die deutschen Herren im alten Livland die Abgaben. Schon im J. 1206 (s. Origines Livoniae p. 43) versprechen die Lennewardschen (in Livland) ½ Lispfund Roggen von jedem Pfluge zu entrichten; im J. 1211 wird auf Bitte der Letten der Zehente in die Abgabe eines Scheffels von jedem Pferde verwandelt; bei den Kuren 1220 die jährliche Abgabe eines halben Lispfundes Roggen von jedem Haken oder Pfluge festgesetzt. Indessen ist zu bemerken, dass das livl. Urkundenbuch (399) erst beim J. 1230 den Nachweis von Abgaben liefert, welche die Eingeborenen vom Haken (Pfluge) entrichten sollten: quod de quolibet, unco colverent nobis dimidium talentnm siliginis. Hueck (190. 62) bemerkt: „Da das ursprüngliche landwirthschaftliche Ackerwerkzeug jene Form hatte, die noch jetzt in denjenigen Gegenden Deutschlands, welche früher von Wenden bewohnt waren, gebräuchlich ist und mit dem Namen Haken bezeichnet wird, so wurde die Abgabe auch nach diesem, nach dem Haken erhoben. „Diese Behauptung, der Haken sei slavischen Völkern, der Pflug dagegen deutschen eigen, ist in solch' allgemeiner Ausdehnung nicht richtig; der Haken ist als Vorläufer des Pfluges, sowol in slavischen als deutschen, lettischen und estnischen Gegenden da anzutreffen, wo das Ackerland auf vollkommenere Ackergeräte nicht hinwies, oder die Bevölkerung an den alten Gerätschaften zähe festhielt.
2) ein Landstück gewisser Größe undgewissen Ertrages, von Bunge in 399. „ein Ländereimaß“ erklärt. Die Entwickelung dieser Bedeutung aus dervorhergehenden ist schon oben angedeutet und es gilt fast für zweifellos, dass sich die Bedeutung Pflug in die von Landfläche erweiterte, welche mit einem Pfluge (und vermutlich auch Pferde) in einer gewissen Zeit zur Sat umgebrochen werden kann. Auch das Grimmsche Wtb. sagt, dass man als Maßstab für den Landtheil die Leistungsfähigkeit eines Hakenpfluges in einer gewissen Zeit, etwa einem Tage, zu Grunde gelegt. Die rig. Ztg. (1875. 117) bemerkt, dass das Wort Haken in Verbindung zu bringen ist mit dem Hakenpflug (die Zahl der Pflüge galt als Maßstab für die von den Bauern zu leistenden Frohntage [?]).Von Hagemeister, dem wir die hauptsächlichste Auseinandersetzung über den Haken verdanken, sagt (355. I. 1): Der bei den Letten und Slaven gebräuchliche Hakenpflug gab wahrscheinlich die Veranlassung zu der Benennung; noch jetzt bedeutet das lettische Wort arklis sowol jenen Pflug, als auch den Haken. - Diese Annahme ist indessen insofern zu ergänzen und berichtigen, als auch das lat. uncus und das estnische adder sowol Pflug als Landmaß bezeichnen, bei den Russen diese gleiche Bedeutung nicht, und wahrscheinlich auch bei den übrigen Slaven nicht vorkommt. — Abweichend äußert sich Jannau (157. I. 103 u. f.): „Haken kommt her vom Worte haga, welches einen Zaun bedeutet, oder nach Anderen ein Torf hieß, dabei tiefer Acker war (vgl. Dreger Codex diplomat. Pommerniae, S. 310). Nach dieser einfachen Hagen-, Zaun- oder Dorfrechnung schätzten die Wenden, die Pommern, die Preußen, die Polen ihre Güter und nahmen blos das urbare Land in Anschlag, aber nicht die Waldung. Wenn nun die Verordnung v. 1232 besagt, dass eine Hufe 30 Morgen halten soll, ein Morgen aber 40 Ruthen lang und 10 Ruthen breit sein muß, so folgt, dass damals flämische Hufen, mansi teutonici, galten, und dass ein jeder Morgen, die Ruthe zu 12 Schuh berechnet, 180 Schuh lang und 120 Schuh breit gewesen ist. Die ganze Hufe war also 10,800 Schuh oder 5400 Ellen lang, und 1600 Schuh oder 800 Ellen breit, und also kaum eine volle Tonne Aussaat.“ — Limmer (363) erklärt ähnlich. „Weil man, sagt er, ehemals nur das urbar gemachte Land umzäunte, dieses aber hag oder hack hieß, so entstand der Gebrauch, in Livland, Cur- und Estland die Größe der Güter nach Haken zu bestimmen.“ Nach dem Grimmschen Wtb. lautet das Wort Haken im ahd. hâco, hâgo, hacco und haggo, und Haken könnte somit nichts als Hag, Hagen sein, d. h. „eine aus geschlagenem Holze hergestellte Umfriedigung und sodann der umzogene Ort, mag er nun ein einziges Gebäude, ein Landgut oder ganzer Ort sein; nur bezeichnet Hag nie den eigentlichen Herrensitz“. Hag entspricht in dieser Hinsicht ganz unserem Haken, da diese Bezeichnung sich nur auf Bauerland bezieht. Indessen kommt das Wort Haken bei uns nie in der Gestalt von Hag oder Hagen vor, so dass der anmutenden Behauptung Jannaus keine Berechtigung zuzustehen scheint. — Die lateinische Bezeichnung uncus in der Bed. von Landteil finde ich zuerst in der Urk. vom 11. April 1226 (399. I. 2)): de terra cula centum unci; die deutsche Haken zuerst in der Urk. v. 1252. 18. October.
Auch diese Bedeutung (Ländereimaß) ist in Teutschland unbekannt. Schiller-Lübbens mnd. Wtb. belegt sie nur aus livl. Urkunden. Ob das lat. uncus eine Üebersetzung ist von Haken oder sogar von Hag, und aus dem Latein wiederum Haken entstanden?
Haken und Hufe wurden im alten Livland unterschieden. Nach Jannau (157. I. 104 u. 138) war Haken ein polnisches Maß, gleich 2 Hufen flämisch Maß; Haken = Hakenhufe. Nach Sallmann (390a. 26) weist Haken als Flächenmaß nach Westfalen, wo eine gewisse Art des Pfluges so hieß, wie noch heute in der Oberpfalz.
Zu Anfang des 17. Jahrh. kannte man in Livland 1) herrmeisterliche oder ordensmeisterliche Haken von 177 Tonnen Land; 2) plettenbergische von 96 Tonnen; 3) erzbischöfliche von 66 Tonnen rigisch; 4) polnische große zu 120 und 5) deutsche kleine von 30 Tonnen. Hagemeister in 355. I. 3. Nach einer Angabe in 350. XVIII. unterschied man 1) deutsche Haken, die kleinsten, welche mit 30 Tonnen rigisch besät werden. Das Land von 30 Tonnen wird in 3 Lohten oder Felder abgetheilt; 2) Herr Meister Haken, halten 60 Tonnen und werden gleichergestalt in 3 Löthen eingeteilt; 3) polnische, halten 120 Tonnen Landes, ebenfalls in 3 Lohten getheilt, davon jährlich 2 Lohte besät und das dritte ruht. — Das Privilegium Sigismundi Aug. u. 1561 bestimmt den Gehalt eines livländischen Hakens zu 66 Stricken oder Basten, deren jeder 66 Faden lang ist, d. h. auf 180 Tonnstellen oder 30 Morgen. Dieser livl. Haken Sigisnmnd August's ist demnach der sog. herrmeisterliche, ist gleich 66 □ Basten oder 180 Tonnstellen, d. h. gleich den Landhufen in Pommern, mansi teutonici. Hagemeister in 355. I. 3. Daher 66-bastige Haken, vgl. ebda. S. 14. — Ein alter liefländischer Haken Landes soll in sich haben 66 genierte Bast Landes, oder ein geviertes Stück Land, welches 11 Bast lang und 6 Bast breit ist, oder 748 Faden lang und 408 Faden breit, 350. XVIII. 2; ein rechter Meister Haken: ein Haken Landes hält 66 Bäste, ein Bast 66 Klaster, ebda. In einem Bast Landes, d. h. einem Stück Landes, das 238 rig. Ellen im Umkreis hat, über 5 Lof Roggen säen; in einem Haken aber 8 Last Roggen; des Hakens Umkreis ist 8092 Ellen, ebda. Dieses verschiedene Maß des Hakens hatte wahrscheinlich seinen Grund in der Leistungsfähigkeit eines Pfluges, welche wegen örtlicher Verhältnisse eine verschieden große sein konnte, wie etwa auf ebenem, leichtem, schwerem u. dgl. Boden. Da diese Ungleichheit des Hakens eine ungleiche Belastung des Landes mit Abgaben veranlasste, so wurde zu verschiedenen Zeiten die Hakengröße und Hakenzal revidirt, so namentlich in schwed. Zeit in d. J. 1638 u. 1683. Besonders „berühmt“ ist die Revision, welche nach der Einführung der Statthalterschaften angestellt wurde, vgl. Revisionshaken. „Händereien, die vormals bearbeitet wurden und als solche bei der schwed. Revision angeschlagen oder angeschrieben waren, aber aus Mangel an Menschen liegen blieben, hießen wüste Haken. Von ihnen wurden keine Abgaben erhoben, und in Ansehung solcher sagt man, das Gut könne noch in seiner Hakenzahl steigen, oder: das Gut hält 10 Haken, es kann aber 16 Haken werden, 180. I. Da wüste Haken keine Ansiedler haben, so heißen sie auch unbesetzte, zum Gegensatz der besetzten, d. h. mit Bauern. In demselben Sinne bewohnte und unbewohnte Haken. Die Ausdrücke wuste und besatte haken kommen schon in einer Urkunde u. 1410 vor.
Bis tief in die Zeit der schwed. Herrschaft bildete der Haken ein nach Ort und Zeit wechselndes Flächenmaß und erst durch die königliche Instruction v. 1687 wird das Memorial vom 30. Juni 1686 wurde eine Hakenberechnung geschaffen, die sich neben dem Flächeninhalte auch auf die Güte des Bodens gründen sollte, vgl. rig. Ztg. 1875. 117. Dasselbe Blatt brachte 1862. 272 u. f. sehr ausfürliche Auseinandersetzungen, nach welchen Haken 1) ursprünglich ein Flächenraum von 180 Tonnstellen Bauerlandes war, und bis 1687 90 Tonnstellen Ackerland und 90 Tonnstellen Buschland enthielt. Die Tonnstelle = 5/11 Dessätine. 2) seit 1687, richtiger, seit 1804 ist ein livländischer Haken ein Stück Bauerland verschiedener Größe und ohne bestimmten Flächenraum, welches eine gewisse Menge Brustacker. Wiesen, Garten- und Buschland enthält und eine Bodenrente von 80 Thaler schwedisch gewärt. Oder nach Hueck (190. 119): ein Stück Bauerland, Haken, welches von den 4 Gattungen zusammen für den Wert von 80 Thlr. umfasst. Die Bauer-V. O. von 1804 schreibt vor, dass statt der seit 1638 geltenden 60 Thlr. oder statt des früheren Anschlags von 60 Thlr. 80 Thlr. für einen Katen gerechnet werden, ferner dass jeder Haken mindestens für 60 Thlr. Brustacker und für 20 Thlr. Busch- und Gartenland enthalte. So ist der Haken ein Stück Bauerland, dessen Bodenrente 1687 zu 80 Thlr. angenommen und in eine Anzal dem Hofe zukommender Frontage und Naturallieferungen umgerechnet worden war. Seit der Vermessung Livlands von 1809 bis 1823 muss auf jeden Haken Bauerland ein Stück Hofsland — die Hofsquote — kommen von 60 Lofstellen in jedem Felde des Hofes bei der ehemaligen Dreifelderwirtschaft, vgl. Hagemeisterin 355 I. 14 und 20. — Von jedem Haien hatte der Bauer 6 Thlr. 36 Gr. zinsfrei, d. h. hatte für dieselben dem Herrn nichts zu leisten; für 36 Thlr. 72 Gr. leistete er Gehorch für 27 Thlr. 54 Gr. Hilfsgehorch (unbestimmte Dienste); für 9 Thlr. 18 Gr. Gerechtigkeit (Naturalabgaben) zu liefern, rig. Ztg. 1864.
Während somit früher Haken ein gewisses Landmaß vorstellte, hörte es später auf, ein solches zu sein und wurde ein Landstück verschiedener Größe, welches gewisse Leistungen erfüllen konnte. Daher sagt J. B. v. Fischer (447. 343): Jetzt(1753) werden die Haken auf adeligen oder Privatgütern, ohne die Äcker zu messen, nach der Zahl der Bauern und ihrem Vermögen, die Frohndienste oder, nach unserer Redensart, den Gehorch zu leisten, im gleichen nach ihren Getreide und anderen Zinsen, oder, wie wir sprechen, Gerechtigkeit taxiret, und nach solcher Taxe trägt das Gut die Onera an die hohe Krone ab. Die bei solchen Gütern einträglichen Appertinentien, als Mühlen, Krüge u. dgl. werden nicht taxiret, sondern nur gedachte Prästenda der Bauern und solche mit 60 dividiret, um die Rente von 1000 Rthlr. von einem Haken heraus zu bringen. Bei Domainen oder Publicgütern aber wird zwar die Hakenzahl ebenso gesuchet, aber der Hofsacker wird auch gemessen, und nach einer vorzüglichen Güte taxiret, imgleichen alle gedachte Appertinentien, und darnach die Arrende eingerichtet. Diese so determinirte Haken heißen Revisionshaken. Was man bey uns Bauerhaken nennt, ist eine beliebige Einrichtung eines Edelmannes, wie er ein Bauergesinde oder Bauerhof, nach der Zahl seiner arbeitsamen Einwohner will gehorchen und die Gerechtigkeit Zinsen lassen.
Haken ist, bemerkt Hupel in 182. I, das Maß zur Bestimmung der Größe eines Landgutes und dessen Kronsabgaben; in Estland geben die vorhandenen arbeitsamen Mannspersonen, in Livland das bearbeitete Land und dessen etwaiger Ertrag die Hakenzahl. Zu einem rigischen Haken gehörten, äußert Hupel (182. II.), 1) zwei wöchentliche Arbeiter das ganze Jahr hindurch zu Pferde oder mit Anspann. Man nannte sie auch 2 wöchentliche Pflüge. Wenn daher 4 Bauern auf dem Haken wohnten, so musste jeder dem Hofe 3 Tage hindurch einen Arbeiter mit einem Anspann (d. h. ein Pferd oder 2 Ochsen), mit allem zur vorfallenden Arbeit nötigen Gerät und dem Unterhalt für beide stellen. 2) zwei Fußarbeiter (Oterneken), die nur im Sommer zu Handdiensten gestellt werden, und zwar gewönlich von Georgi bis Michäli; 3) Hilfstage zu Fuß im Sommer, sonderlich zur Heu- und Kornernte; 4) allerlei Abgaben an Geld, Korn und andere Landerzeugnisse, welche der Bauer an den Gutsbesitzer jährlich liefern musste.
Als Flächenraum eines livländischen Bauerhakens kann 2 □ Werst angenom- werden. Die Berechnung dieser 2 □ Werst vgl. in 355. I. 2. Als Zahl der Insassen eines Hakens veranschlagt Hagemeister in 355. I. 19: 4 bis 8 Wirte und etwa 16—26 arbeitsfähige Menschen beiderlei Geschlechts, mit Kindern etwa 60 Seelen. Hueck (190. 119) rechne tauf jeden Hacken 20 arbeitsfähige Menschen (d. h. Männer von 17—60,und Weiber von 15—55 Jahren). Dies entspricht ganz einer Bestimmung, die 1714 in Kurland getroffen wurde: weil es unmöglich wäre, den vormals üblichen Fuß wiederherzustellen, sollten 60 tüchtige Mannespersonen auf einen Haken gerechnet werden, vgl. 180. IV. 22 25. — Für einen Haken, bemerkt v. Hagemeister,(355. l. 13) ist ein solches Gesinde zu rechnen, welches dem Hofe wöchentlich 6 Tage mit 2 Pflügen frönt.
Nach Haken, deren man livländische, estländische, öselsche, Bauer-, Revisions-, Gnaden-, Predigerwittwen-, Land-, Strand-, Tillhaken u. s. w. unterscheidet, bemisst man die Größe der Güter. Man fragt daher, wie viel Haken ein Gut hat, und antwortet, das Gut habe 10 Haken u. s. w. Diese Pauren besitzen einen ganzen Haken, gehorchen für ¾ Haken, 349. XII. I . 1641; der Pastor hat ½ Haken geschmolzen Land und ½ Haken Busch, 350. XXII. J. 1680.
Von dem Worte Haken, als Landmaß, sind eine Menge Zusammensetzungen gebräuchlich, die in Deutschland unbekannt sind.
3) eine selten begegnende, ganz veraltete Bedeutung ist: „ein auf einem Haken angesiedelter Bauer“, wie Bunge in 399. IV. nach einer Urk. v. 1410 erklärt: is min besitlike hake gewest under mi. Ein zweiter Beleg ist nicht vorhanden, und die Stelle daher Zweifelhaft. Schiller-Lübbens mnd. Wb. führt diesen Beleg, als einzigen, auf, — ohne Fragezeichen.
4) Haken, ehemals der schmale Strich Landes an der Semgaller Aa, auch Aahaken genannt. So in 335. 103. Eine rig. Handelsverordnung v. 1562 verbietet, Handel zu treiben auf dem Hacken bei der russischen Brücke. Brotze bemerkt dazu in Livonica XXIV.: „Haken hieß unten am Ende der Spilwe eine Landspitze, die nachher den Namen Ahaken führte, weil sie an der Mitauschen Aa liegt; man sieht, daß der Name russische Brücke einer Stelle unterhalb Riga gegeben wurde, welche es aber ist, weiß ich nicht“. — Haken und Aahaken ist hier die einzige derartige Wortverbindung. In Ostpreußen gibt es viele, z. B. der Marsch-Haken, der Radsen-Haken u. a. Man nennt dort Haken die ins Wasser springenden, sandigen Landzungen, welche durch Dünenbewegung entstehen, vgl. Berend's Dünenbildung, 1871. Der jetzigen Ortsbeschaffenheit nach müsste Haken die am linken Ufer der Aa befindliche Landzunge sein, auf der gegenwärtig Dünamünde liegt. Doch ist Aahaken (oder Bergshof) die Festlandsecke auf dem rechten Ufer der Aa, das Gut, auf dem der Flecken Bolderaa sich befindet. — Taxe für die Prahmbrücke bei Bolderaa oder Aahacken von 1808. Die russische Brücke war demnach, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine Verbindungsbrücke wie die jetzige zwischen Bolderaa und Dünamünde.
5) Haken, in and. Bedeutungen: 1) Haken und Öse, gew. gesprochen Hak' und Öse, und ebenso in der Vz.: Hak' und Ösen. In derselben Bed. wie im nd. haken un eseken. Schon in 349. XXII. 1. J. 1669: Messingshaken und Ösen; dann 349. XXV. 1. J. 1669: für Haken und Ösen. Ebenso in 87. vgl. in Grimms Wb. Häkchen. Nach Bergmann in Niedersachsen: Hefthaken und Ösen, hochd. Heft (der) und Schlinge. Auch in Kurland Haken und Öhsen, wie Stender. schreibt. Bergmann erklärt: Hak und Ösen sind kleine krumm, gebogene Haken von Drath mit zwei Öhren an einem Ende zum Annähen; der Heft greift in eine Schlinge von Drath. Davon festhaken (festhäkeln), zuheften. — 2) Die Kinnlade ist aus dem Haken gefallen, ausgerenkt; in den Haken zurückgegangen, eingerenkt. Gewönlich. In Grimms Wtb. l) als früher gebräuchlich angezeigt Sp. 177/178.

Sallmann 1880, 47
Haken (goth. hoha, lat. occa) als Flächenmaß von relativem Gehalt, dem ursprünglich die Leistungsfähigkeit eines Hakenpflugs in einer bestimmten Zeit, etwa einem Tage, zu Grunde liegt (cfr. Livl. Urk. Nr. 237. 1474. 1824.), nach Westfalen, Pommern und der Oberpfalz, wo noch jetzt eine große Art des Pfluges so heißt. Aehnlich böhm.-deutsch Krombe, d. h. Krümme die Pflugschar. Heyne (Gr. W. IV.) berichtigt denn auch die Grimmsche Meinung, als ob der Haken slavischen Völkern, der Pflug dagegen den Deutschen eigen sei, dahin, daß der Haken als der allgemeine Vorläufer des Pfluges sowohl in deutschen, als in slavischen Gegenden getroffen werde und sich erhalte, wo entweder, wie in Gebirgsgegenden, die geringe Ausdehnung des Ackerlandes auf die Verbeßerung der Pflugwerkzeuge nicht geführt hat, oder wo die Bevölkerung, und das trifft bei uns zu, am Altüberlieferten zäh festhält;

Pantenius 1881, 191
einen Haken haben - eine Vorliebe haben
Dazu kommt, dass sie für Herren, wie es scheint, einen Haken hat.

Transehe-Roseneck 1890, 32ff.
Haken (im 16. Jh.) 1) herrmeisterlicher H. = 177 Tonnstellen Land; 2) großer polnischer H. = 120 Tonnstellen Land; 3) Plettenbergischer H. = 96 Tonnstellen Land; 4) erzbischhöflicher H. = 66 Tonnstellen Land; 5) kleiner dt. H. = 30 Tonnstellen Land; 6) ab 1561: Normalhaken = 180 Tonnstellen Land;

Eckhardt 1896, 29
Haken Flächenmaß (allgemein nd.)

Gutzeit 1889a, 1
Haken, in der Bed. von Pflug, Ackermaß und Gebiet, ebenso im ruß coxa.

Gutzeit 1889b, 532
Hocken, der, öfters st. Haken zu lesen in 349. XXII. 1 und 2. Einen neuen Hocken in ein Holzketten, 349. XXlI. 1; Mauer Hocken, 349. XXII. 2.

Hahn 1911, 29
Haken, wüste 'einstmals bearbeitete Bauernhaken'. Zahl nach nord. Krieg und Pest sehr groß.

Seemann von Jesersky 1913, 124
Haken - Ursprünglich eine Landfläche, das mit einem Pfluge, Haken, mit 2 Pferden an einem Tage umgeackert werden kann, später vielfach verändert und ungleich.

Masing 1926b, 70f.
Haken Flächenmaß; ursprünglich eine Wirtschaftseinheit, die mit einem Zugpferde Hakenpflug und Egge nutzte. [A. v. Transehe, die Entstehung der Schollenpflichtigkeit in Livland. Mitt. livl. Gesch. Bd. 23, 495] (mnd. hake „eine Art Pflug; ein gewisses Landmaß; eine gemeine Hufe enthält zwei Haken"; Frischbier I 267 Haken pltd. Hake „Maß für eine Ackerfläche von 20 Morgen kulmisch.“

Tobien 1930, 79ff.

Masing 1931, 23
Haken m pl. „die einen abgeschrägten vorderen Ecken des Backofens.“

Bosse 1933, VII
Haken a) livländisches Landmass. Der gebräuchlichste ist der Deutsche Haken zu 60 Lof Aussaat, ähnliche Ackermasse sind der Revaler und der Bauerhaken zu rund 30, sowie der Plettenbergsche Haken zu 120 Lof rigisch. Unter der grossen Gruppe der Vermessungshaken (Flächenmasse) ist der wichtigste der Herrmeisterhaken zu 101.5 (oder 108,4) ha. b) Hakengesinde, Vollbauernhof.
[Exkurs S. 457]

HWbGA 1936, 202
Haken 'ein bestimmtes Stück Land als Steuereinheit' urspr. Flächeneinheit, die während einer best. Zeit mit dem primitiven Hakenpflug bearbeitet werden kann.

Kobolt 1990, 122
Haken m altes Flächenmaß in den Berechnungen der Landgüter, nach Zeit und Ort sehr unterschiedlich.
mnd. hake Landmaß


QUELLEN (Informanten)

1 Haken = 660 Bast = ... (11x6)
10 Bast = 66 □Faden (39000 ..? = 35361 ..?); 1 □Faden (= 3 □Ellen)
1 Bauerhake ⁓ 2 □ Werst; 1 Landhaken = 770 □ Rast; 1 □ Rast = 77 □ Faden
1 Pletteb. Haken = 20 Sch...?; 1 Sch...? = 20 □ Ellen

Transehe, N. von: Wolmar; Weinert, Paul: Riga
Haken - Flächenmaß (a.d. Schwedenzeit). In der Bedeutung wohl ähnlich wie „Wacke“.

Hoffmann, Gjert: Reval
der Haken - Pflug
Hölzerner Pflug, die Schar hat 2 Spitzen, mit Eisen beschlagen. War 1939 noch vielfach im Gebrauch beim Anhäufeln der Kartoffeln, auch zum Spalten der Dämme bei der Ernte der Kartoffeln. Estland.

Halang

QUELLEN

Grosberg 1931
... alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälften“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit "Halang", der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Halet
‣ Varianten: Halet

QUELLEN

Eckardt 1868, 439
Der Herbst war die Zeit der Jagden, zu denen man sich auf den Ebenen Rujens vereinigte, um einige Tage lang mit Hallet und Hörnerklang hinter flüchtigen Hasen und listigen Füchse herzujagen.

Grosberg 1931
Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälften“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, "Halet", während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Nottbeck 1987, 36
Halet - Jagdruf (Hase) / E.L.

hälsen

QUELLEN

Grosberg 1931
Wenn ein alter baltischer Jäger hören würde, daß man heutzutage von einer Treiberwehr spricht, die im dritten oder vierten Treiben sich gut gehalten, so würde besagter alter baltischer Jäger wohl mit einem herzhaften Dojahn zur Hand sein und erklären, daß es wohl „Juchzer“ und „Masten“, nicht aber Treiberwehren und Treiber gibt. Der alte baltische Jäger weiß, daß man hier die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälsten" Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit "Haful", das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Hane pl

QUELLEN

Kiparsky 1936, 34f.
hane pl. 'Gänse' ‹ estn. hani 'Gans' (finn. hanhi id.),
In einer Revaler Urkunde vom Jahre 1433 findet sich die folgende Stelle: ... zo sall de moller ... vrii vedrift ... hebben ... mit zodanem beschede, dat des mollers qwek unde hane dem ergenomeden Everd Wekebrode nenen schaden doe[n] an synem korne, hoye unde hoyslagen (UB. I, 8, 413). Nach E. Pabst (Beiträge zur Kunde Ehst-, Liv- und Kurlands II, 228, Nr. 178) soll hane estn. sein und 'Gänse' bedeuten, was jedenfalls einen plausibleren Sinn gibt, als wenn man hier mnnd. hāne nom. sg. 'Hahn' sieht. Man müsste aber eigentlich die Schreibung *hanne erwarten, weil das estn. Wort einen kurzen Vokal aufweist und die Urkunde in der Bezeichnung der Kürzen durch nachfolgende Doppelkonsonanz ziemlich konsequent ist. Da es sich offenbar um ein άπαξ λεγόμενον handelt, kann volle Klarheit nicht gewonnen werden.

Hänge die

QUELLEN

Bergmann 1785, 30
Hänge, die hengen, Thürangel mit ihren Haken, das Hakenband welches sich um die Angel bewegt. Die Fensterhaken. Ein Fenster einhenken f. einhaken.

Hupel 1795a, 93
Henge, die, an Thüren und Fenstern, erklärt Bergm. durch Thürangel mit ihrem Haken, Hakenband , welches sich um die Angel bewegt: doch sagt er nicht dabey, ob er jenen allgemein gewöhnlichen und wirklich passenden Ausdruck zu tadeln Ursache finde; nur erinnert er, daß man nicht sagen müsse, ein Fenster einhenken, sondern einhaken. (Der Liefländer sagt gemeiniglich einhängen; aber durch einhaken versteht er gemeiniglich das Zuketteln, damit nemlich das Fenster nicht losspringe.)

Sallmann 1880, 32
Hänge Thür-, Fensterangelband, Beschlag, Haspe, oft zusammen mit dem Stützhaken, der Angel.

Gutzeit 1889b, 489f.
Hänge, die. Das Grimmsche Wtb. gibt an, dass Hänge in Niederdeutschland den Haken bezeichnet, worin (!) die Thüre hängt, Thürangel, und verweist auf das brem. Wtb. (dem diese Erklärung wörtlich entnommen ist). Es ist aus dieser Angabe ersichtlich, dass in dieser Bed. das Wort im übrigen Deutschland, und im Hoch- nnd Schriftdeutsch unbekannt ist. In Livland, und wol auch in Est- und Kurland, und bei allen Deutschen Russlands, ist die Bedeutung von Hänge meist eine weitere, und Hänge bezeichnet: 1) die Haspe (Hängband, Hakenband), zusammen mit dem Stützhaken oder Hänghaken (Angel), auf dem die Thür ruht und sich bewegt; oder auch die beiden Haspen gleicher Gestalt, welche theils mittelst eines durchgehenden Stiftes ,theils durch einen aufrecht stehenden Dorn (wie bei den Aufsatzhangen), um welchen die Drehung erfolgt, mit einander vereinigt sind. Daher spricht man von einem Par Hängen; daher kauft man Aufsatzhängen zu einer Thür; Hängen und Schubriegel, 172. 1784. 98; Hängen an den Gestühlthüren einer Kirche, 172. 1785. 130; messingene Schaffhängen, 172. 1769. 87. Es scheint, dass die jetzt übliche Bedeutung schon in plattd. Zeit gewönlich war. So steht in einem revaler Schriftstück von 1518; let ik en nighe hengen maken, was E. Pabst in 379. I. 3. 263 und 264 übersetzt: ließ ich ein neues Häng machen; und ebenda: dar dede ik ij olde hengen to to hulpe. nach Pabst: da that ich zwei alte Hängen zu Hilfe zu. Und in einem noch frühern von 1508: de henge to betteren, nach Pabst: die Hänge (d. i. Thürangeln) zu bessern. Pabst scheint als Nominativ der Einzal „das Häng“ anzunehmen. Krickhengen an die Haberbien, 349. XXII. 2. J. 1648—53. — 2) Eine eingeschränktere Bedeutung hat das Wort bei Bauhandwerkern: Thürangel, Haspe oder Hängebank (ohne den Stützhaken. Daher in Rechnungen: eine gerade Hänge nebst Stützhaken. Wenn von zerbrochenen Hängen gesprochen und geschrieben wird, so wird gewönlich darunter die Haspe oder Thürangel gedacht. In den unter 1) angeführten Beispielen sind unter „Hängen“ Vermutlich meist daher die Haspen oder Thürangel gemeint. — Diese eingeschränktere Bedeutung auch schon bei Bergmann: das Hakenband, welches sich um die Angel bewegt.
Schon Hupel hat: die Hänge und die Henge, an Thüren und Fenstern, die Thürangel mit ihrem Haken; ebenso Bergmann: die Hängen, Thürangel mit ihrem Haken; Hengen an der Thür, Lange. — Angel und Haspe sind hier unbekannte Ausdrücke.

Masing 1926b, 57
Hänge „Fenster- und Türangel“ (mnd. henge „Hänge, woran man etwas an- oder aufhenkt oder angreifen kann“).

Kobolt 1990, 123
Hänge f. Angel, Scharnier
mnd. henge, henk Türangel; Br. Wtb. Henge Türangel; lbg. Hing, Heng Türangel; pomm. Häng Tür-Angel;

Haschaba

QUELLEN

Grosberg 1931
Der alte baltische Jäger weiß, daß man hier die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälsten" Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit "Haful", das Elen mit „Halang“, der Wolf mit "Haschabah", das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Haselhuhn
‣ Varianten: Hasselhuhn
et laanepüü

QUELLEN

Gutzeit 1889b, 495
Haselhuhn, Haselnuss, s. Hasselhuhn.
Hasselhuhn, Haselhuhn. Das letztere ist hier nur angelerntes Wort, ebenso wie Haselnuss, da wir stets Hasselnuss sprechen. Beide Ausdrücke sind aber zugleich die einzigen mit Hasel zusammengesetzten, welche hier vorkommen. Gewönlich sind aber auch die Familiennamen Hasselbaum, Hasselbek, Hasselhorst, Hasselquist, — die ebenfalls kein Hasel aufweisen. Zwanzig Hasselhüner, 349. XXI. 1. J. 1641; Haßelhühner, 333. — Die Schärfung des s zu ss erscheint wie ein Mittelglied zwischen hochd. Hasel und nd. haassel, Haselstaude. Auch schwed. hassel.

Masing 1926b, 44
Hasselhuhn 'Haselhuhn, Tetrao bonasia' (mnd. hassel 'Hasel'; Schumann, S. 6; Frischbier I, S. 275.)

Sass 1963, 68
[Bouillon mit Klimpchen] ... Kaseraggengräten drin oder mit angeschimmelten Dörrgemüse. Abends einen Teller Roggenbrei, salzlos, in Wasser gegart, voller Schlauben. Ab und an ein Extrabrötchen aus Kartoffel- und Schnittkohlschalen, ein begehrter Leckerbissen, um der Gerechtigkeit willen auf der Briefwaage abgewogen. Zuweilen gelang es den Müttern (Väter gab es kaum; sie waren in den Freicorps), etwas Eßbares gegen Kleinodien einzutauschen ... Wahllos kaufte man, was angeboten wurde. Unbesehen verschlangen wir Hummer statt Brot, Haselhuhn statt Grütze, Neunaugen anstelle von Kartoffeln und Gemüse. Einmal, erinnert Nora, gab es sogar eine ganze Tafel Schokolade. ...

Kobolt 1990, 124
Hasselhuhn n Haselhuhn
mnd. hassel Hasel; Br.Wb. Haassel Haselstaude; lbg. Haßel Hasel; pomm. Hassel-Hoon Haselhuhn; pr. hassel Hasel; nhd. Haselhuhn

haurum

QUELLEN

Grosberg 1931
Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälsten" Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit "Haful", das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein "Haurum" und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

haurumquit Interj
‣ Varianten: auerquit

siehe auch Interjektionen

QUELLEN

Gutzeit 1892b, 3
auerquit s. haurumquit

Gutzeit 1892b, 25
haurumquit. Einen Hasen, der im Lager gesehen (technisch: versehen) wird, beruft man mit „auerquit". Dieses scheint aus Plattdeutsch und Lateinisch Lettauer quiescit, der Hase ruht, corrumpirt zu fein. Viele rufen auch „Harumquit", E. von Rechenberg-Linten, Zustände Kurlands S. 43; man hetzte mit Hunden, als ein Hase zufällig aufsprang oder als er mit dem abgedachten Auerquit zuvörderst gesehen und dann ausdem Lager gesprengt wurde, ebda 47. Haurumquit könnte man als einen platten Aufruf, die Lagerstätte des Hasen zu umreiten, ansehen weil, wenn man dieses gethan, der Hase wirklich fester im Lager liegt und man ihm besser ankommen kann — Haurum, er ruht! Ebda S. 43. — Alle Vermutungen nicht überzeugend. In Livland scheint das Wort unbekannt.

Grosberg 1931
Wenn ein alter baltischer Jäger hören würde, daß man heutzutage von einer Treiberwehr spricht, die im dritten oder vierten Treiben sich gut gehalten, so würde besagter alter baltischer Jäger wohl mit einem herzhaften Dojahn zur Hand sein und erklären, daß es wohl „Juchzer“ und „Masten“, nicht aber Treiberwehren und Treiber gibt. Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging.
Es war eine Wonne und eine Lust, die „Grob und fein gehälsten" Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf den Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit "Haful", das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er "Haurumquit", und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

herunterfallen V [s]

QUELLEN

Hoheisel 1860, 27
herunterfallen, wo gar nicht an einen Fall aus der Höhe gedacht wird, z.B. Er ging auf der Straße, stolperte über einen Stein und fiel herunter.

Sallmann 1880, 110
wonach jemand herunterfällt, der doch auf ebenem Boden stand; es ist dann zu ergänzen: zur Erde, zu Boden.

Gutzeit 1889b, 519
herunterfallen. Der Verfasser eines Aufsatzes in 175. 1648. Nr. 5., führt als provinzielle Redeweise an, dass man in Livland auf ebener Erde gehend herunterfalle st. niederfalle. — Dieselbe Bemerkung macht Hoheisel (322. 27): er ging auf der Straße, stolperte über einen Stein und fiel herunter. — Mir nicht begegnet. Doch vgl. herunterwerfen.— Das Zäpfchen fällt herunter, wird lang durch Anschwellen, vgl. Hut.

Eckhardt 1896, 31
herunterfallen im Bd. auch beim Fallen zur ebenen Erde.

Eckardt 1904, 45
Was weinst du Junge? - „Ich bin heruntergefallen.“ - Herunter? Von wo herunter? Der Knabe machte ein verdutztes Gesicht. „Auf der Diele, und da hab ich mir den Kopf abgeschlagen.“ - Den Kopf abgeschlagen? - Kein Wort mitleidigen Trostes kam über die Lippen des jungen Magisters. Er schmunzelte vergnügt und zog sein Notizbuch aus der Brusttasche hervor. _ Was hustest du denn so erbärmlich, Karl? _ „Ich - ich habe mich verschluckt, Herr Mezer!“ - Was? dich - verschluckt? Wieder ein Sonnenblick in des Magisters nebelgrauer Schulatmosphäre und wieder ward das Notizbuch um einen Schatz reicher.

Kobolt 1990, 127
herunterfallen st. V. herabfallen, fallen

Holunke der

QUELLEN

Gutzeit 1889a, 15
Holunke, der, Taugenichts, herumtreiberischer Mensch, Herumtreiber. Das Zusammenbringen mit einem slawischen Wort und insbesondere mit dem böhm. holomek hat wol die meiste Wahrscheinlichkeit; aus lomek konnte sich sehr wol lunke bilden. Die Endung unke erinnert nicht blos an Bohumke, sondern auch an Majunke und Marunke. — Ist das Wort aus dem Slawischen herübergenommen, so hat im Deutschen nur die Gestaltung Holunke Berechtigung, nicht Halunke. — Um die Bedeutung Herumtreiber aus holomek herauszuleiten, ist keineswegs nötig, wie Grimms Wtb. tut, auf die in Pommern übliche Bedeutung von Holunke, nämlich herumlärmender Gassenjunge hinzuweisen. Denn das ist eine Bedeutung, die das unverstandene Wort in Pommern annahm, bei uns, wo der ostslawische Einfluss keine Geltung hat, hat das Wort stets die Bedeutung von nichtswürdiger Mensch, oder Herumtreiber — was Letzteres ja aus Bettler (holomek) sehr, wolsich beziehen kann. Das poln. hulday ist liederlicher Mensch, Holunke, und dasselbe das russ гуляка, — ersteres von hulam lüderlich leben, letzteres von гулять, eigentlich spaziren gehen, dann herumschlendern, sich umhertreiben.

Gutzeit 1889b, 542
Holunke, der, nichtswürdiger Mensch. Lange bezieht das Wort namentlich auf einen, der schlecht, zerlumpt gekleidet ist. In demselben Sinn bei ihm das Beiwort: hollunkisch, zerlumpt, hängebastig, schludderig.

Jause

QUELLEN

Gutzeit 1889a, 22
Das slowenisch-kärntische Jushina scheint mit seinem Ju ganz vereinzelt zu stehen; in anderen slaw. Mundarten einfaches u wie im russischen ужинъ. Da slaw. jaus sich nur im Drewanischen zeigt (vgl. Miklosich, Lex. pal. slov.), slawisches jus (a) sich nicht findet, deutsches Jause schon im 15. Jahrh. (?) belegt ist, so müsste Jause aus drewanischem Jaus hervorgegangen sein. Im drewanischen Gebiet aber begegnet Jause nicht, sondern im bairisch-östreichischen. Schwer zu verstehen ist wiederum, wie Jause aus slaw. južina entstanden sein sollte. Es scheint mir daher glaubhafter, dass Jause eine Entstellung aus lat. jus Brühe, Suppe ist. Dies um so glaubhafter, da selbst die Herleitung des Wortes južina aus slaw. jug Süden, was Miklosich annimmt, nicht ganz zweifellos, für russ. ужинъ selbst sehr zweifelhaft sein dürfte.

Kaseragge die
‣ Varianten: Kassarage

QUELLEN

Seemann von Jesersky 1913, 132
Kaseragge, Stichling

Kiparsky 1936, 91
Kaseragge [kazərágə] f. 'Stichling (Gasterosteus aculaetas)' ‹ lett. kazarags 'Stichling, Stecherling (ein kleiner Fisch)'. K. und LL. Belegt z.B. bei Kupffer Landeskunde S. 342, Jesersky 132.

Sass 1963, 68
[Bouillon mit Klimpchen] ... Kaseraggengräten drin oder mit angeschimmelten Dörrgemüse. Abends einen Teller Roggenbrei, salzlos, in Wasser gegart, voller Schlauben. Ab und an ein Extrabrötchen aus Kartoffel- und Schnittkohlschalen, ein begehrter Leckerbissen, um der Gerechtigkeit willen auf der Briefwaage abgewogen. Zuweilen gelang es den Müttern (Väter gab es kaum; sie waren in den Freicorps), etwas Eßbares gegen Kleinodien einzutauschen ... Wahllos kaufte man, was angeboten wurde. Unbesehen verschlangen wir Hummer statt Brot, Haselhuhn statt Grütze, Neunaugen anstelle von Kartoffeln und Gemüse. Einmal, erinnert Nora, gab es sogar eine ganze Tafel Schokolade. ...


QUELLEN (Informanten)
Kerkovius, Martha: Riga
Kaseragge kl. Fisch

Hedenström, Bernd von: Riga
die Kassagare - der Stichling


Kaseragge (weiches s) - kleiner Hering (?) Stichling (?)

Sarfels, Gerda: Reval
Kaseragge - Stichling

Kaus die
‣ Varianten: Kauß, Kaussen

QUELLEN

Lindner 1762, 229
Kaus - Kaussen, ein holländisch Wort, draussen Schaalen, oder gewölbtere Schüsseln.

Bergmann 1785, 35
Kaus, Schüssel oder Napf.

Hupel 1795a, 107
Kaus, der (Ehstn. und Lett.) st. Schale, Napf, kleine Schüssel, pöb.

Gutzeit 1874, 24f.
Kaus oder Kauß, der, und häufiger: Kaußchen oder Kauschen, das, 1) Kannchen, Krüschen, lett. Kauss, 411. In der Kleinerungsgestalt begegnet es vielleicht am Frühesten, und zwar im Denkelbok des rig. Rats unter dem J. 1456: beslagen kouseken, nach der Erklärung Napiersky's: Kaus-chen, Napf. vgl. 196. XI. 1. 171. — Bei Stender: lett. Kausis, Napf, Krüßgen; bei Bergmann: Kaus, Schüssel oder Napf; bei Hupel: der Kaus, Schale, Napf, kleine Schüssel; bei Ullmann (411): Schale, Napf, Schüssel, Becken, Kochlöffel. Diese verschiedenen Bed. mangeln unserm Kauß und die seit wenigstens 50 J. in Riga allein übliche des jetzt etwas veraltenden Wortes ist' einzig und allein: kannenähnliches, etwas bauchiges Krüschen mit kleinem Schnauzchen, aus Steingut, nie aus Holz!
Eine ältere, jetzt ganz verschwundene Bed. ist 2) Becher, Trinkgefäß. In 195. Rüssow heißt es: de groten holtenbekers de man de caussen nomet. Dazu bemerkt der Herausgeber: „Causse, große hölzerne Trinkgeschirre. Provinziell ist noch der Kaus und das Kauschen, Napf, Schale, lett. Kausis und Kausinsch, estn. Kaus.“ Große hölzerne Becher, welche man Kaußen nannte und so groß waren, daß man hätte Kinder darin baden können; diese Kaußen, nebst anderen Trinkgeschirren, ließ man auf den Gelagen ohne Unterlaß herumgehen, Thiel (220. 95) nach Rüssow. Auch liegt da ein ganz Theil gelbe hölzerne Kaußen (holten kauwschen), 406. J. 1582. —Diese Kauße waren indessen nicht blos von Holz. Ein klein Kalte Schal Kauß von Zinn, 349. XXIV. 1. J. 1673/4; ein zinnern Kauß, 349. XXV. 1. J. 1669/70; ein silberne kalte Schal Kauß, 349. XXIV. 2; ein alter Kauß, ebenda; silberne Kauschen, 195. Henning, Chr. 270. In Kelch (215. 204): Kausen, große hölzerne Becher, nach einer Randbemerkung daselbst: „ein russisch-slavonisches Wort.“ Lindner (320) sagt: Kaussen, ein holländisch Wort, auswärts Schalen oder gewölbtere Schüsseln.
Das Grimmsche Wtb. hat: „Die Kausche, deutsch- littauisch: hölzerne Kanne; ein im nd. verbreitetes Wort u. s. w.“ Kausche ist hier wol unbekannt. Doch findet sich in 195. Henning wenigstens geschrieben: Kauschen; ebenso in 174. 1816. 118 (J. 1607): zwei Kauschen.
In den Abendungen: Kaußes, Kauße, Vz. Kauße und (unrichtig) Kaußen. Zwei silberne Kaußen, 349. XXIV. 2.
Zur Herleitung des Wortes vgl. man zu dem Worte Kaus die Wörter Kraus u. Krause (Krus, Krug); das altgriech. κώδων u. κρω..οζ, das franz. casse, Schöpfnapf, Schaumlöffel, estn. Käsik u. Kassik, München, Schöpfgefäß, russ. kovsch, wie nd. Kausse, hölzerner Schöpflöffel und im älteren nd. Kowse, Schale, russ. kuvschín, Krug. Das Wort mögte daher weder blos ein lett. oder estn. sein, wie Hupel annahm, noch ein blos russisches od. slavonisch-littauisches. vgl. Schmandkauschen, Milchkauschen, Spuckkaus.

Sallmann 1880, 19
Kause, f. Schale, Napf, Schüßel (kaus), auch Kaus, m., Kauschen, n., lett. kausts, kausinsch, bei Chytr. kowseken.

Westermann 1887, 388
Kause 'Schüssel' a.d.Estn.

Gutzeit 1889a, 31
Kauß, der u. Kaußchen, das Grimms Wtb. fürt Kausche, die, als deutsch-litauisch auf. Als solches kann Kausche ebensowenig gelten, wie das preuß. Kaußel, da beide genaue Wiedergaben der litauischen Ausdrücke sind: kauszas und kauszèlé. Aber auch unser Kauß u. Kaußchen konnte als nicht deutschen Ursprungs, sondern als dem Lettischen entnommen erscheinen, da Kauß u. Kaußchen im eigentlichen Deutsch felen und im Lettischen als kauss u kausinsch vertreten sind. Doch begegnen Kauß Kausse u. Kauselen (Kauschen) auch im Niederdeutschen, Verdacht erregen konnten die nd Gestaltungen kouwese, kouwesche u. kowse, welche dem russ. kowsch ganz entsprechen, doch finden sie sich im ahd. kafsa, kleiner Kasten od Körbchen wieder. Die Abstammung des zu Kauße u nd. kouwese, kowse gestellten russ. Wortes kowsch (Schöpfkelle, Schöpfeimer, Trinkgeschirr. Kasten für Korn) betreffend, welches sich nur noch im Klein- und Weißrussischen in derselben Lautung, im Polnischen als kausz, kusz, u kauszyk. vorfindet, so bemerkt Mlklosich (etymol. Wtb.), dass das nd. kowse den angefürten Wörtern zu Grunde liegen mag. Die früher aufgestellte Behauptung (vgl. Wörterschatz), Kauß sei ein russisch-slawonisches Wort, kann daher fallen gelassen werden, um so mehr, da das Wort, außer im Russischen, Litauischen, Lettischen u Estnischen, auch im holländischen (was schon Lindner hervorhob: ein holländisches Wort), im Nordischen u. in der Schweiz begegnet u sich bis nach Asien verfolgen lässt. Zu berücksichtigen ist wol noch das bisher übersehene russ. каузъ Stauwasser, Stauung, (durch Abstauung des Flusses gebildeter) Wasserbehälter, es stimmt mit unserem Kaus oder Kauß in derselben Weise wie russ. ковшъ mit nd. kovse, kouwese, konwesche. Es ist hervorzuheben, dass Kauß u. Kause in dem geschärften u. ungeschärften s sich ebenso verhalten wie in hd. Krausz u. Krausefür unser Krus (Krug); und dass hinsichtlich des in Krauß-Krause vorhandenen, in Kauß u. Kause felenden r sich diese Wörter wie gr. κώδων und κρω.. (κρώσσιον) verhalten, selbst wie franz. cruche zu casse.

Seemann von Jesersky 1913, 133
Kauss 'Napf'

Masing 1926b, 20
Kaus 'Schale', mnd. kow(e)se › estn. kaus › vlg. bd.

Sehwers 1936, 272
Kaus - Zum Schöpfen bediente sich der Lette von altersher des aus Holz verfertigten Schöpflöffels, der lett. kaûss heißt. Der Stoßton beweist, daß kaûss nicht entlehnt ist, vgl. das urverwandte lit. káušas '...', dagegen nd. kausse 'hölzerner Schöpflöffel für Wasser' stammt aus dem Baltischen. Kaûss diente des Letten auch als ein Trinkgefäß.


QUELLEN (Informanten)

die Kaus 'Schüssel zum Spülen', auch Spülkaus. 2x im estn. Spr. belegt.

Kocketanz der

QUELLEN

Gutzeit 1874, 69
Kocketanz. Der Kocketanz aus rigischen Hochzeiten wurde schon 1502 „um der Zucht willen“ verboten. War also wol übelberüchtigt oder jeden Anstand verletzend, Tielemann in 410. I. 60. In der rig. Polizeiordnung von 1502. 350. XXIV. 1. 24. steht: Item dat Kocke danscen vnd Kinder bringen umme der tucht willen ganslik aff tolatende, was Brotze übersetzt: Item das Kocke tanzen und Kinder bringen um der Zucht willen ganz abzuschaffen. Wol von kocken, gaukeln, und eine Art Cancan!

kommen V [s]
Vi

QUELLEN

Gutzeit 1874, 72
kommen. Die Formen kommst und kommt gelten auch hier für besser als kömmst und kömmt, vgl. Grimms Wtb. 1629. 7. 6. Gadebusch brauchte durchweg kömmst und kömmt.
Zu Grimms Wtb. 11. 3. kommen oft st. werden oder gemacht werden. Dies Zimmer kommt bei dem Umbau kleiner, d. h. wird kleiner oder kleiner gemacht; die Wohnung kommt leer oder frei im August, d. h. wird frei, miethfrei; diese Bank muss größer, breiter kommen; die Kleider werden etwas enger, weiter kommen (und dann Passen); hier kommt etwas weggehauen, weggeschrägt, zugegeben und dgl.; das Brett müss glatter kommen; die Wand kommt hübscher, bunter u. dgl., wenn sie fertig sein wird, wenn Tapeten statt Malerei benutzt werden. In Grimms Wtb. nur in Vorschriften zum Ausmalen. — Aus Drujaner Reinhanf kommt kein Ausschuß, sondern Paß, 142, fällt.
Nach einer kommen, um sie anhalten, sie heiraten. Wer wird denn nach ihr kommen? Nach der sollte Jemand kommen? Er könnte doch nach ihr kommen! Gew.
kommen, und ebenso gehen, mit nachfolgendem Infinitiv wird von Sallmann in 390. 63 für mundartlich angesehen und soll französischem Einfluss erwachsen sein. Das ist, nach Grimms Wtb. 1638. 5. c., keineswegs der Fall. Sie kamen (mit uns) baden! komm Mittag essen!
Dahin kommen lassen und dazu kommen lassen. Lass' es nicht dahin oder dazu kommen, dass —, d. h. lass die Sache nicht die Richtung, Wendung nehmen, treib' sie nicht bis dahin, lass —. Grimms Wtb. 1648. β?
Unter die Füße kommen. Von Menschen und Dingen: in Verachtung oder Mißachtung.
Es geschieht, wie es gerade kommt, oder: wie es gerade kommt, so geschieht es, d. h. es geschieht gleichviel wie. vgl. bollern. — Wer zuerst kommt, malt zuerst. Zu Grimms Wtb. 1632. 2. a.
Einem saumseligen Menschen sagt man: kommst du mir nicht heute, so kommst du mir morgen, d. h. du verstehst nicht die Zeit zu benutzen. Ein kommst du mir nicht heute, (so kommst du mir morgen), saumseliger Mensch. Gew.
Kommende Woche, kommenden Monat, kommendes Jahr, st. in der kommenden Woche u. s. w. Kommende Woche werde ich Sie besuchen; kommendes Jahr sind 50 Jahre verflossen.

Sallmann 1880, 69
es kommt Schülerausruf bei Annäherung eines Lehrers zur Schulstunde, die gleichsam wie ein unpersönliches Verhängnis empfunden wird.

Gutzeit 1886, 42
angesteuert kommen st. kommen

Gutzeit 1889a, 41
kommen. Nicht blos von wo (venir), sondern auch wohin; im Russ. kein eigenes Wort, sondern Zusammensetzung: при-ходить, d. h. zu (einem) gehen. — „Wohin kommt das?“ d. h. soll es gelegt, gestellt, gebracht werden. „In den Schrank (kommt es)!" — „Wohin kommt er?“ (wird er versetzt). Nach Petersburg, nach Quarta des Gymnasiums. — „Ist das teuer?“ Nein, es kommt mir blos 10 Rbl. (zu stehen). „Wieviel komm' ich denn zum Arbeiten? d. h. wie oft habe ich die Zeit, etwas zu tun od. zu arbeiten. Ich komm' nicht viel zum Arbeiten, gelange nicht dazu, mache es nicht möglich, viel zu arbeiten. Statt zum Arbeiten auch: zu arbeiten.

Eckardt 1904, 58
Kommen Sie gut nach Hause!
Wir haben schönes klares Wetter. Im Kalender steht weder dritter Hungerkummer noch der Andreastag verzeichnet, wir erwarten keinen Eisgang, auch ist es nicht die Zeit der Rekrutenaushebung, im Eisgang, auch ist es nicht über das erlaubte Maß hinaus, wonach also auch eine sarkastische Anspielung auf unsre behinderte Bewegungsfähigkeit völlig ausgeschlossen scheint, und doch versäumt der Wirt nicht, uns scheidenden Gästen die wohlgemeinten Geleitworte mit auf den Weg zu geben. Danach handelt es sich hier also wohl um eine alte überkommene Gepflogenheit, die sich von Vater auf Sohn vererbt hat, - von Generation auf Generation. Sie stammt vielleicht noch aus jenen finsteren Zeiten, von denen uns Andreas (Badendieck) ein so anschauliches Bild entwirft, aus jenen Tagen, in denen die unausgesetzten Händel zwischen Orden und Bürgerschaft zur Signatur altrigischen Straßenlebens in vorgerückter Abendstunde gehörten, und die Jungen zwitschern nun das Lied der Alten trotz „Gorodowois“ und Gasbeleuchtung weiter fort. Die Altvätergewohnheit steckt manchem so tief im Blut, daß er uns noch nach Wochen fragt: „Kamen Sie neulich gut nach Hause?“ oder „Wie kamen Sie neulich nach Haus?“ Als worauf wir dann alle Mühe haben uns zu besinnen, welcher denkwürdige Tag gemeint sei und was den besorgten Frager dazu veranlassen kann, sich so hartnäckig um uns besorgt zu zeigen, maßen doch jahraus jahrein alle die tausende, die abends auf Besuch waren, stets ungefährdet den Herd der heimischen Penaten erreichten.

Seemann von Jesersky 1913, 138
kommt zu stehen, kostet
komm her und tu' mir nichts wenig; zwecklos

Westren-Doll 1921, 178f.
15) 'kommen' mit dem Infinitiv (bes. der Verba 'sitzen, liegen, stehn') und 'zu' dient im Plattdeutschen zum Ausdruck der inchoativen Aktionsart. Auch bei uns zu lande Lande erzählte der Schusterjunge mit Begeisterung: „Aber als ich ihm einen Krummfuss stellte, kam er auf den Bauch zu liegen“.

Kobolt 1990, 155
kommen st. V. zu stehen kommen, kosten
Elb. kommen kosten, z.B.: Was kommt das? pr. kommen kosten.

kräpeln V [h]
Vr

QUELLEN

Gutzeit 1874, 87
kräpeln sich, sich mühen, sich quälen, sich mühsam fortarbeiten, fortbewegen. Sich nach Hause kräpeln; sich sehr kräpeln, um durchzukommen; was hilft all dies Kräpeln, Sich mühen? vgl. Grimms Wtb. kräpeln und kröpeln.

lassen
‣ Varianten: lan

siehe auch Halbdeutsch

QUELLEN

Krüger 1832, 334
lassen b) aus dem Lettischen.
Wem's ist das? kam tas irr. Von wurren ist er? no kurrenes. Laß er! laß er kommen! lai winsch. Besonders los, statt offen, oder auf bey Zusammensetzungen. Die Thür ist los, mach das Fenster nicht los, wallâ. Daraus folgte dann natürlich auch fest, statt zu. Ich habe alle Thüren fest gemacht (welches dem Tischler zukommt).

Gutzeit 1882, 133
lan (-), mhd. zusammengezogene Gestaltung für lan, lassen. Jetzt unbekannt. Was man nicht ändern kann, muß man wol geschehen lan, 195. Henning Chr. 215.

Gutzeit 1882, 149f.
lassen. Grimms Wtb. (Sp. 215. 5.)bezeichnet als urverwandt litau. leidmi, leisti; näher liegt lett. laist und estn. laskma.
Wer lässt ihn (auch) dahin gehen, das thun u. dgl.? d. h. weshalb geht er dahin, wer zwingt ihn dazu. Gew. — Einen in Stich lassen, in Grimms Wtb. Sp. 226: im Stich(e) lassen. — Sich nicht lassen können vor Flöhen, ihrer zu viel haben, vgl. Grimms Wtb. Sp. 227. 13d.
Lassen mit folg. Infinitiv bevorzugt in einigen Fällen den Gebefall, in and. den Accusativ. Lass mich wissen gilt für besser, selbst für allein richtig statt des hier gewönl.: Lass mir das wissen. Letzteres hat indessen seine volle Berechtigung, nach Grimms Wtb. II. 232. 233., welches sogar bemerkt (II. 7), dass bei den Zw. wissen, erfahren, merken, fühlen, empfinden die neuere Sprache den Gebefall mit Vorliebe gebraucht. Ebenso in: er lässt ihm (ihn) es fühlen, dass er sein Vorgesetzter ist. vgl. in Grimms Wtb. 233. Dagegen sprechen wir meist: lass es ihn nicht merken, ahnen, glauben, hören, lesen, sehen. Lassen Sie mir sagen, d. h. melden Sie mir (Grimms Wtb. II. 5a.);
1) lassen Sie ihn sagen, erlauben Sie, dass er sagt (was er weiß u. dgl.). Er lässt sich nichts sagen, erlaubt keinen Vorwurf, keine Bemerkung ihm gegenüber.
Zu Grimms Wtb. H. 2: das Zeug lässt die Farbe, verliert sie. Oft. Es lässt die Farbe, Stender. Der Kater ließ (bei der Balgerei) einige Hare, viel Pelz.
Die in Grimms Wtb. A. 14a angeführte Redeweise ist in Livland ungebräuchlich und auffallend. Das jugendliche Rollenfach läßt ihr nicht mehr (da sie alt geworden), 361. 1881, anstehen, stehen, gelingen. In Kurland häufiger und schon von Stender bemerkt: das lässt schön, garstig; doch auch in Hupels estn. Wtb.
Das läßt sich essen, ist genießbar. St. u. s. w.
Eins lassen, einen Wind fahren lassen. Man lässt das Blut durch einen Durchschlag oder Sieb, seiht. Gew.
Thu', was Du nicht lassen kannst! Wird einem gesagt, der von seinem Vorsatz nicht abweicht, etwas nicht unterlassen will. Auch: thu', wovon Du nicht lassen kannst. Zwei Redeweisen sind in Liv- und Kurland gewönlich, selbst im Munde Sprachgebildeter.
1) Lass er, lass sie, lass es, z. B. lass er arbeiten, lass sie kommen, lass es (das Mädchen) hereintreten. Das erste Beispiel dieser Art findet sich in Stender's lett. Gramm, v. 1765. S. 126: laß er (mag er) arbeiten, wie er wolle, laß er (es) gehen, wie er (es) wolle; dann in seiner Gramm, v. 1783. 194: laß er sich hüten, wie er will, oder er mag sich hüten, wie er wolle, so . . . Krüger (319. 334) erklärt laß er! laß er kommen! lai winsch nah! aus dem Lettischen; Kohl sagt, dass die Livländer (und Kurländer) statt „laß ihn“ kommen sprechen „laß er“ kommen, statt „laß ihn“ das machen, sprechen: „laß er“ das machen u. s. w. Dies sei dem Lettischen oder Russischen nachgebildet. — Diese Behauptungen sind einzuschränken. Man hört z. B. selten oder nie: lass er schlafen, sondern lass ihn schlafen, d. h. störe ihn nicht im Schlafe, wecke ihn nicht; ebenso durchweg: laß ihn schlafen gehen, spielen, saufen. Ferner besteht zwischen lass er und lass ihn ein sehr bemerkbarer Unterschied. Einem Diener, den man itzt, ruft man zu: Lassen Sie ihn (N. N.) kommen, d. h. man beauftragt ihn, den N. N. kommen zu lassen. Sagten wir: lass ihn kommen, so könnte das für denselben Diener beleidigend sein. Zu demselben Diener aber kann sehrwohl gesagt werden: lass er (N. N.) kommen, wenn die Erlaubniss, Aufforderung ausgedrückt werden soll, zu kommen. — „Lass“ ist wiederzugeben mit „mag“, wobei indess zu bemerken, dass das Fürwort (er sie es) dem lass folgen muss, dem mag besser vorausgeht: lass er kommen und er mag kommen! Abweichend von dem Lettischen kann das Fürwort hinter lass nicht fehlen, im Lettischen sehr wohl: lai nahk, lai strahdà, lass er kommen, lass er arbeiten. Drittens folgt unserem lass stets der Infinitiv, im Lettischen vorzugsweise die 3. Person der Einzal, z. B. lai nahk, lai strahdà, wie im russischen пускай он ѣдетъ, пущай онъ приѣдетъ, пусть они черпаютъ. Eine Wiedergabe des lett. oder russ. wäre also nicht lass er kommen, lass er arbeiten, lass er kommt, lass er arbeitet. Die angenommene Uebernahme bleibt somit schwer erklärbar; hat sie stattgefunden, so jedenfalls nur aus dem Lettischen. — Nichts zu thun mit diesem Lass er hat ein andres lass er, lass sie: lass er das sein, d. h. lass das bleiben, lass er die Finger davon (rühre nicht daran); ebensowenig die Redeweisen; lass stehen, lass sehen, was du kannst, lass (es) gehen wie es geht, lass sie das thun, lass es beim Alten bleiben, lass sie (die Kinder) doch spielen. In Göthe's Mitschuldigen (3. 9): ei, lass' er sich den Kopf mit warmen Tüchern reiben!
2) Lass mit folgendem Nenn- statt des Klagefalls (Lass den Teufel Dir kund thun, Schillers Macbeth). Der älteste mir bekannte Beleg in der Inschrift von 1649 am rigischen Waisenhause (vgl. 174. 1868. №5): Laß doch der Stand bedrängter Waisen, Mein Leser, Dir zu Herzen gehen. — Hier fällt laß zusammen mit: mag, wie in der gew. Ausdrucksweise: Lass der Eins rechts, der Andere links gehen! d. h. mag der Eine rechts, der Andere links gehen, was liegt daran? Das Alter dieses Beleges thut dar, dass „lass der“ durchaus keine russische oder lettische Construction ist, wie man gemeint und auch zu finden geglaubt hat in der Uebersetzung eines russischen Gedichts (396. 1860. 283):
„Laß der Herr nur kommen“, denket / Still der Alte, „er wird zwischen uns entscheiden“; / „Laß der Herr nur kommen“, trösten / Sich die Bauern, „lehren wird er / Schon die schlauen Feldvermesser!“
Und noch ein Mal ebda:
Es schreien Groß' und Kleine / Durch einander, fast mit Zanken: / — „Laß der Herr, der Herr nur kommen!“
Beispiele liefert auch Stender in s. lett. Gramm, v. 1765 und 1783: laß ein anderer besser hüten (oder: ein anderer mag besser hüten); laß der Wachtkerl gehen (lai waktineeks eet). Wie im Lettischen ist auch im Russischen diese Construction gewönlich (пусть придётъ господинъ), aber auch schon dem Altlateinischen eigen. So heißt es in Plautus (als Drohung): sine herus adveniat, lass (der) den Herrn nur kommen, d. i. ich will es ihm schon klagen. Der Unterschied zwischen dem Lettischen und livländischen Deutschen einerseits und dem Russischen und Lateinischen anderseits besteht darin, dass dem lass dort ein Infinitiv, hier eine 3. Person des Indicativs oder Conjunctivs folgt. Erinnert man sich noch des latein. licet, welches ähnlich und gern wie lett. lai und unser lass gebraucht wird, so könnte man glauben, dass zwischen dem Lettischen und dem Deutschen eine Übereinstimmung, keineswegs aber eine Entlehnung stattfindet.
Eine dritte Redeweise, welche vorzugsweise Kurland anzugehören scheint, gebraucht ebenfalls lassen im Sinne von mögen. Stender führt auf: Laß (es) sein, daß ich arm bin, d. h. ich will zugeben, es mag sein, daß —. Laß (es) sein, wie es wolle. Es entspricht dem lett. lai, das aber nur lass! (Imperativ von lassen) bezeichnet. In Riga ist, um ein Zugeständniss auszudrücken, gewönlicher: mag sein! f. es mag sein. Mag sein, dass ich Schuld habe, wo mag zusammenfällt mit „kann“ sein, dass ich Schuld habe, während in der Redeweise: kann sein, dass er kommt, für kann nicht mag stehen kann.

Gutzeit 1889a, 57
lassen. Lass Madamm selbst auf den Markt gehen wenn sie unzufrieden mit meinen Einkaufen ist, lass Hugo allein gehen, lass Guste ins Theater gehen (Diese Wendungen sind im Wörterschatz ausgelassen).
Wie bei uns, kommt lassen auch in Preußen vor. Frischbier (476) fürt an: Lass er man, mag er doch! Laß er man kommen! Laß ihn man reden! Laß er das nicht noch einmal thun! Laß er doch gehen! — die letzte Wendung wäre selbst hier ungewöhnlich.
Im Wörterschatz II. 2. 150 felt nach den Worten: Eine Wiedergabe des lett. oder russ. wäre also nicht lass er kommen, lass er arbeiten — das Wort sondern, so dass es dort heißen müsste: nicht lass er kommen, lass er arbeiten, sondern lass er kommt lass er arbeitet.

Gutzeit 1892b, 31
lassen. Sophie soll nicht weg, wir lassen sie nicht! rig. Tagebl. 1890. 264, aus d. Ende d. 18. Jahrh.

Gutzeit 1898, 20
lassen, einem etwas. N. mag ein unangenemer Mensch sein, er ist aber ein schöner Mann, das muß man ihm lassen, d. h. das muß man zugeben, das kann man ihm nicht absprechen, nicht nemen. Gew.

Eckardt 1904, 57f.
„Lass er“ -
Mit besonderem Eifer hat Gutzeit in seinem Wörterbuch das „laß er“ in der Bedeutung „mag er“ oder „möge er“ unter die Lupe genommen.
„Laß doch der Stand bedrängter Waisen, / Mein Leser, dir zu Herzen gehen“ -
finden wir aus der Inschrift vom J. 1649 am Rigaschen Waisenhause als ältesten Beleg für Riga angeführt, es folgen Zitate aus Stender's lettischer Grammatik v. J. 1665, aus Krüger, Kohl und andern mehr, bis auf Frischbier (in Bezug auf die gleiche Redewendung in Preußen), und das Resultat der Erörterungen läuft darauf hinaus, daß, entgegen der gangbaren Annahme, die Ausdrucksweise weder dem Lettischen noch dem Russischen entnommen oder nachgebildet sei. Ich kann mich nicht zur Anschauung Gutzeits bekennen. Der Einwand, daß wir im lettischen „lai winsch nahk“ und im russischen „пускай он ѣдетъ“ die dritte Person der Einzahl, statt des im Deutschen beliebten Infinitivs, angewandt sehen, wiedt meines Erachtens keineswegs schwer genug, um hier eine Anlehnung an die fremdsprachliche Form für gesucht oder gar ausgeschlossen zu halten. Vielmehr erscheint sie durchaus wahrscheinlich, da wir sonst in deutschen Idiomen nirgend dem „laß er“ begegnen, auch in Nordlivland nicht, wo die Wendung dem Estnischen gleichfalls fremd ist. Frischbier als Gewährsmann für einen Winkel Ostpreußens ist jedengalls von geringem Belang. Hier dürften leicht Einflüsse des litauisch-slavischen Idioms mit hineingespielt haben, bei dem wir wohl eine gleiche Ausdrucksweise wie im Lettischen und Russischen annehmen dürfen. Auch steht ihm ein andrer guter Preuße gegenüber, der, wenn auch nicht speziell Sprachforscher, doch überaus vertraut ist mit den Dialekten seiner Heimat und nicht ansteht, das „laß er“ kurzweg als „Russizismus“ zu bezeichnen. Es ist das kein Geringerer als Fürst Bismarck, der uns in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ Bd. II S. 138 die nette Anekdote von Gortschakow bringt, der auf die Frage hin, was etwa Kaiser Wilhelm ihm wohl schenken dürfte, wie es an zitierter Stelle heißt, zur Antwort gab: „Laß er mir (Russizismus) eine tüchtige Dose geben mit guten Steinen“ (avec des grosses bonnes pierres).
Bei uns käme jedenfalls nur eine Anlehnung an das Lettische in Frage, da das weit zurückliegende Datum oben angeführter Inschrift den Einfluß des russischen Idioms ausschließt. Jedenfalls ist das „laß er“ in Riga, auch in Kreisen, in denen man ein gewähltes Deutsch hört, durchaus gang und gäbe. Laß er morgen zu mir kommen, laß er seine Papiere mitnehmen, laß er selbst den Preis bestimmen, laß er hübsch bescheiden bleiben u. s. f.

Seemann von Jesersky 1913, 143
laß er, mag er, möge er, laß er meinswegen kommen, laß er sich zum Teufel scheren, mit gewogen bleiben.

Wistinghausen 1954, 9
lass bringt - möge bringen:
Lass bringt dies kleine Buch ... für jeden was.
(Erklärung: Lass bringt - typische Wendung: möge ... bringen). estn. Halbdeutsch.

Wistinghausen 1954, 18, 28, 44
lassen - verschiedener Gebrauch!
„Doch sie ließ weiter mit Geplärr“ (estn. Halbdeutsch: sie fuhr fort (zu heulen)
„Wesenbergisch ließ man nich hinter deutsche Grenz.“ = schwatzte (Halbdeutsch).
„Wenn ich ... Polka loeß mit ihr“ (Halbdeutsch) = tanzte.

Nottbeck 1987, 53
lassen - falsches Deutsch sprechen, zechen / E.K.L.
Der läßt, als hätte er nie Deutsch gelernt. - Wir haben die Nacht durchgelassen.


QUELLEN (Informanten)
Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland
lassen: 1) „er lässt“ = er spricht Halbdeutsch
2) über die Stränge schlagen

maddern

QUELLEN

Lindner 1762, 232
maddern, eine Sache nicht recht Thun, auch so viel als manschen, Bock. 33.

Hupel 1795a, 148
maddern, sich, st. sich martern, bemühen, beschäftigen: aber es wird hauptsächlich nur bey schmutzigen oder schmierigen Sachen gebraucht.

Hoheisel 1860, 29
maddern: unnützer Weise an einer Sache mit den Händern rühren, um sie zu zerstören; vermaddern = verderben.

Sallmann 1880, 74
maddern und schmaddern

Gutzeit 1882, 201f.
maddern, in langsamer, einigermaßen andauernder, unersprießlicher Weise an etwas hantiren. Madder' doch nicht soviel (oder immer fort) an der Uhr, Du wirst sie beschädigen. Was madderst Du da? — Hohsisel (322. 29) erklärt: unnützer Weise an einer Sache mit den Händen rühren, um sie zu zerstören; vermaddern = verderben. Sallmann (390c. 37) erklärt: stümpern, verhunzen; vermaddern, verstümpern, verderben (390c. 107). Hennig (preuß. Wtb.) erklärt: etwas nicht gehöriger Weise, sondern nur überhin verrichten, wie ein Stümper arbeiten; etwas ergreifen und thun, was man nicht sollte. — Das brem. Wtb. hat dafür maddeln, für martern, quälen, übel handhaben und vermaddeln, verderben. Hupel kennt das Wort nur mit sich, und erklärt: sich martern, sich bemühen, sich beschäftigen; „aber es wird hauptsächlich nur bey schmutzigen und schmierigen Sachen gebraucht.“ Dieser Nebensinn liegt heute, oder in Riga, dem Worte fern. Erkenntlich, dass hinsichtlich der Herleitungan eine Entstellung von martern gedacht ist. Bergmann (210) erklärt, abweichend davon, maddern mit machen, narren. «Was hast Du da zu maddern. vom Mittellatein, madere, engl. mad, närrisch.„Das dem nd. maddeln entsprechende engl. meddle od. medle sich befassen, abgeben (mit etwas) weist jedes Zurückführen auf martern ab; eher könnte an russ. мотать, мотырить gedacht werden.

Westermann 1887, 387
maddern nd. langsam hantieren (engl. meddle)

Seemann von Jesersky 1913
maddern o. hantieren ohne zu fördern, pfuschen, vermaddern - verderben

Kobolt 1990, 177
maddern schw. V. in feuchtem Schmutz oder in einer feuchten Masse stampfen, kneten, wühlen, matschen.
mnd. mode, mudde Schlamm; plattd. Mad Schmutz, Morast, Schlick, Schlamm; pomm. madden unschicklich handhaben; pr. maddern stümperhaft mit einer Sache umgehen.

Mastgeld das

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 219
Mastgeld. Das M. für einen Ochsen, 166a. 17. 203, d. h. was man bezalt, um ihn zu mästen.

mögen

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 246
mögen. Oft elliptisch gebraucht wie müssen, sollen, wollen, dürfen, können: bei-mögen, hin-, her-, dran- u. an-, auf-, durch-, ein-mögen. Ich möchte Thee, Zucker u. dgl. nämlich: haben. Möchte u. möchten wird häufig gebraucht 1) st. würde und würden. Was möchten Sie tun, wenn N. das sagte? — Sie hätten mehr Vorteil, wenn Sie gleich abreisen möchten; möchten Sie ihn kennen, Sie würden anders über ihn denken; möchte er ankommen, so brächte er die Sache in Ordnung; möchte ich auch zu ihm gehen, st. ginge ich auch zu ihm; möchten sie auch dies tun, so —, st. täten sie auch das. —
2) um einen Wunsch auszudrücken. Lieschen, Sie möchten kommen! st. Lischen, man ruft Sie oder wünscht, Sie möchten kommen; sagen Sie ihm, er möchte morgen kommen; möchten Sie hinausgehen! d. h. sein Sie so gut, hinauszugehen; wollen wir Mutter bitten,dass sie auch mitkommen möchte, d. h. bitten mitzukommen; Sie möchten fortgehen, sagte er, d. h. man wünscht, Siem öchten fortgehen. —
3) dies mögte und mögten ist oft nur eine mildere Sprechweise für sollte u. sollen. Wenn gesagt wird (vgl. 2): Lischen, Sie möchten kommen, so wird damit eigentlich nur ausgesprochen: Lischen, Sie sollen kommen. Der gegebene Auftrag wird milder ausgedrückt. Mögten Sie nur diese groben Worte hören, Sie würden — d. h. sollten Sie oder hörten Sie —. —
4) dient es, wie Sallmann (390c. 157) es ausspricht, um den in Deutschland fast erstorbenen und jedenfalls, wo er angewandt wird, steif und geziert klingenden Optativus auszudrücken; — man umschreibt lieber mit wenn doch od. einer ähnlichen Wunschpartikel. Möchte, was er sagt, wahr sein!Möchte sich die Lage bald klären! Möchte es bald aufhören zu regnen! — In Riga u. Livland ebenso, in allgemeiner Übung. Ich möchte Sie um Geld, um den Schlüssel bitten (oder: gebeten haben), d. h. ich wünsche von Ihnen Geld od. den Schlüssel.
Die zweite u. dritte Redewendung mit möchte ist fast nur der Sprache Ungebildeter eigen. Fast scheint bei ihr ein fremder Einfluss mitzuwirken, da sie ebenso bei sog. Halbdeutschen, bei Hebräern und Molenrode. Polen, selbst der besten Gesellschaft, begegnet, wenn sie deutsch sprechen.
Uneigentlicher wird 5) möchte st. könnte gebraucht. Können Sie mir nicht sagen, wo möchte Herr N. wonen? st. wo erwont. Dies möchte brauchen ebensowol deutsch sprechende Letten als Polen. Möchte sein! bedeutet oft: vielleicht oder: das ist möglich, das könnte sein. Ist das so? — „Möchte sein!“ lautet die Antwort. Wie russisch: можетъ быть.
Alle Redewendungen mit möchte scheinen auch in Kurland gebräuchlich und im Dörptschen, von woher, als eine Ausdrucksweise besser Sprechender, schon Riemschneider (vgl. 175. 1858. № 5) anfürte: man schließt jeden Satz mit würde oder möchte. Doch vgl. Grimms Wtb. Sp. 2459. ß.

Seemann von Jesersky 1913, 149
möchte, wird häufig falsch gebraucht statt möge, mag, soll. Wenn er will, möchte er kommen, das möchte er tun. Sag ihm, er möchte sofort kommen.

Mund

QUELLEN

Hupel 1795a, 157
Mund geben hört man oft st. küssen; aber den Mund gönnen heißt reden, besonders mündlich bitten.

Gutzeit 1887b, 257
Mund. Grimms Wtb. sagt, das Wort sei „von dunkelen Bezügen“ zu urverwandten Sprachen. Das Lettische kennt aber mute für Mund und Maul und das Russische музя Mündchen, Mäulchen und музюкъ Saughorn, музюкать saugen und schwatzen. Ein M. bis an die Ohren, oder: ein M., um sich die Ohren abzubeißen, sagt man von einem sehr großen Mund. — Was der M. sündigt, muß der Puckel entgelten, Stender II. — Mund geben, einen Kuß geben, von Bergmann und Hupel erklärt: küssen. In der Kinderspräche. Gib Mund, oder, gewönlicher, Mundchen, gib Mäulchen, d. h. gib einen Kuss. Nie in diesem Fall: Mündchen. — Sein Mund steht nicht still, d. h. er plappert unaufhörlich (der Mund mit einer Müls verglichen). — Den Mund gönnen, nach Hupel, reden, besonders mündlich bitten. In Grimms Wtb. 2678. h ist die Bedeutung nicht zu erkennen. Sich den M. lecken (können) nach etwas, das Nachsehen haben, nichts von dem Verlangten erhalten. Sich den M. nach etwas wischen (können), sich die Lust nach etwas vergehen lassen. Er kann sich den M. danach wischen, d. h. die Sache ist für ihn nicht da oder verloren.
Auf den M. geschlagen sein, keine Worte haben. Er war wie auf den M. geschlagen, als man ihm sagte ... Zu Grimms Wtb. 2679. k. — Aus dem Munde riechen, an Mundgeruch leiden. — Nach dem Munde sprechen, dem Anderen zustimmend sich äußern, vgl. Mundredner.
Mund der Bürger, der Bürger Vormund oder Ältermann, 349. VIII. 2. Was hat das Amt der Ausspeisung mit dem Bürger Worthalter, welcher der Bürger Mund und Anbringer sein soll, für Gemeinschaft? 349. IV. 11. Man kann hier Mund für Sprecher (vgl. Grimms Wtb. 2682 d und 2678 h) erklären; wahrscheinlicher vermischt aber Frölich das Wort Mund mit Mund(e), die, Schutz, Schirm.
Der Contract von 1604, der weit ein anderes im Munde hat, 349. IV. 11, einen anderen Inhalt. Für Mündung. Bei dem Risings-Munde unter dem Walle, 350. XXV. 1. J. 1746. Die ältesten Stellen für diese Bed. sind in Grimms Wtb. aus Olearius (1636) entnommen. Zuweilen bleibt es fraglich, ob Mund, der, oder Munde, die, gebraucht ist. Wenn, wie wahrscheinlich, Mund, der, anzunemen ist, so sind die, unter Munde, herangezogenen Stellen um 100 Jahr älter als die in Grimms Wtb.

muten

QUELLEN

Provinzialrecht II
§ 954 Anm. 6: Das sogenannte Muthen, d.h. die der Gesellen, welche um das Meisteramt ansuchen, obliegende Verpflichtung, vor Einweihung ihres Meisterstücks (ihrer Probearbeit), sich der Prüfung wegen einige Zeit bei einem der zuständigen zünftigen Meister aufzuhalten, wird bloß den Ofensetzern, Zimmerleuten, Maurern, Schlössern und Wagenbauern ... zur Pflicht gemacht.

Gutzeit 1887b, 263
muten, bei Handwerkern. Das Muten ist die Verpflichtung der um das Meisterrecht bittenden Gesellen, sich bei einem Meister eine gewisse Zeit aufzuhalten vor der Vorlegung ihres Meisterstücks. In Grimms Wtb. 3) anders. Da Predigtamtscandidaten ein Probejahr bei einem Prediger auf dem Lande zubringen müssen, so nennt man scherzweise auch dies: muten, — was indessen die Prediger für einen sie kränkenden, beleidigenden Ausdruck erachten.

Nagat
‣ Varianten: Nagata, Nagatt, Nogata

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 275f.
Nagat oder Nagatt, Münze im alten Livland, vom Wert eines Doppelschillings. Statt dieser in unseren älteren Geschichtsschreibern (Nystadt, Arndt, Gadebusch und Brotze) üblichen Schreibung haben die neueren, der russischen 2018, 12, folgend, Nogate gewält. Der erste in dieser Hinsicht scheint Ewers gewesen zu sein in s. Übersetzung des Russischen Rechts; er schrieb Nogata und in der Vz. Nogaten. Alle mir bekannten Zeugnisse lassen das Geschlecht des Wortes zweifelhaft, mit Ausnahme eines, welches das männliche aufweist: ein Nagatt, in einem dörptschen Ratsprot. v. 1590; indessen könnte auch die bei Arndt in s. liest. Chr. begegnende Vz. Nagate darauf deuten. Viele Zeugnisse lassen das Wort unabgeendet, so dasjenige Nystädts: Grauwerksohren mitsilbernen Stiften, welche die Eingeborenen, die Liven, Nagat... geheißen haben. Den Ton legen unsre heutigen Gelehrten auf das erste a, lassen daher das g wol auch doppelt hören. Als Münze begegnet das russ. ногата zuerst im Russischen Recht, sicher aber in d. nowgoroder Chronik beim J. 1122. Der russ. Schreibung vollkommen entsprechend u. ihr ohne Zweifel nachgelautet, kommt das Wort, in lateinischer Gestaltung, als nogata u. nagata. bei Heinrich d. L. vor, unter den J. 1209 und 1210.
Das Wort aus dem Russischen herzuleiten, hat keine Wahrscheinlichkeit; eine solche besitzt nur die aus der estnischen Vielzal nahhad von nahk Haut, Fell. Arndt (liest Chr. I. 80. c.) bringt es zusammen mit lett. nauda u. dem livischen naud; er hält dies livische naud für ein zusammengezogenes Nagat. Ulmanns lett. Wtb. weist dagegen hinsichtlich des lett. nauda (Geld) auf lit. nauda Nutzen, Gewinn. Bergmann (210) erinnert an goth. naut Geld. vgl. W. v. Gutzeit, Nagaten und Mordken, Riga 1887.

Gutzeit 1887b, 292
Nogáta, die, Nagat. Ewers in 459. 307: eine Nogata; ebda 301: zwei Nogaten (Viertel eines Marderfells). In Livland, sagt Gd. Pabst (Heinrich von Lettland S. 123. Amn. 6), galt die Nogata im J. 1362 6 od. 7 nummos lubecenses und hieß später ein Zweischillingsstück Nogat.

GEG 1921, 166
6. Im fünften Kapitel, das da handelt „von anfänglicher Erfindunge und Auffsegelung der löblichen Provintz Lieffland“ wird bei Beschreibung des erstmaligen Handels der Deutschen mit den Eingeborenen Folgendes berichtet: „Wie nun des nächsten Tages ein armer Bettler angekommen ist, haben sie ein Messer, ein Hutband und etliche Stecknadeln ausgeleget, dagegen der Bettler einige Eyer dahin geleget, vermeinend, die ausgesetzten Perselen dagegen auszubeuten: allein es haben die Christen ihm gewincket, dass der Eyer zu wenige wären, und die Waaren dafür nicht ausmachten. Darauff er aus seinem Busen zwey Grauwerk-Ohren geholet, worinnen kleine silberne Stiffte gebeuget gewesen sind; diese hat er bey den Eyern geleget, und zu verstehen gegeben, dass die Waaren nun wohl bezahlt wären. Ob nun wohl die Christen dieses geringe geachtet, so haben sie den Kauff doch zugeschlagen, um dadurch zu veranlassen, dass die Heyden ihre Art der Müntze mitbringen möchten, und man hält es dafür, dass daher bey den Alten die 3 Schilling und 2 Schilling Müntzen den Namen bekommen haben auf Unteutsch: Auss und Nagat, davon die 3 Schillingstücke noch Öre heissen“ (S. 15). — Neben der lettischen Bezeichnung Auss ,Ohren' wird hier auch die livische Nagat erwähnt, die wir in der latinisierten Form nagatae, nogatae bei Heinrich dem Letten (14,2; 15,8) finden und dem ein estnisches nahk, plur. nahad ,Haut, Fell' entspricht. Interessant ist, dass Nyenstädt eine Beschreibung dieses bei den eingeborenen Völkern vor Ankunft der Deutschen gebräuchlichen Geldes bietet und uns seinen ungefähren Wert angibt.

Kiparsky 1936, 107f.
Nagatt n. (bei HEINRICH VON LETTL: [XIV. 2; XV. 8] nogata, nagata) 'Münze vom Wert eines Doppelschillings' ‹ ar. ногата 'Münzeinheit = 1/20 Driwen'. Das r. Wort kommt schon in einer Smolensker Urkunde vom J. 1150 vor und hat eine befriedigende Etymologie (zu r. нога 'Fuss, Pfote'; es war das Fell von den Pfoten der Pelztiere gemeint, im Gegensatz zu r. мордка 'Marderschnauze als Zahlungsmittel' zu r. морда 'Schnauze'), so dass gegen die Herleitung des bd. Ausdruckes, der noch um 1590 für Dorpat belegt ist, aus dem Russ. nichts einzuwenden ist. Nach GUTZEIT II 275-276 und Nagaten und Mordken (Riga 1887), S. 3-5 soll bd. Nagatt aus estn. nahad pl. 'Felle' stammen, was lautlich keineswegs befriedigt.

Arbusow 1951, 148
Nagat. „Der russischbaltische Handel hat nagata beigesteuert, eine altrussische Münze, deren zwanzig auf eine Griwna gingen: ursprünglich das Fell von den Pfoten (noga) der Pelztiere“.
"Nagata XIV 2, XV 8, aus dem Altrussischen, noch im 16. Jh. im balt. Deutsch gebraucht.“

Neunauge der/die/das
'Petromyzon fluviatilis' de Flußneunauge

QUELLEN

Bergmann 1785, 49
Neunaugen, Bricken

Hupel 1795a, 160
Neunauge st. Bricke, Lamprete, sagt man auch hin und wieder in Deutschland.

Inland 1836-1863
[1858, S. 536]

Mitauisches Kochbuch 1876, 101

Sallmann 1880, 126
Neunauge (Petromyzon fluviatilis), mit wechselndem Artikel, bald m., bald f., bald n.

Gutzeit 1887b, 287
Neunauge. Das sind keine Neunaugen, ist nichts von Wert. Och (-) ken Nenoge! Ausruf in den 30. Jahren bei dörptschen Studenten: Auch nichts von Bedeutung. — Rademacher (Erfahrungsheillehre, 1846. I. 835) nennt auch ein Blutschwär Neunauge. Diese Bed. auch für mnd. negenoge bezeugt, „weil bei diesen Geschwüren die Haut sich oft blättert u. abschält“, Brem. Wtb. 3. 229. Diese Deutung ist unwahrscheinlich. So sehr die Herleitung von neun und Auge anmutet, so dürfte doch nicht zu übersehen sein lett. nehgenogs und nehgs oder nehzis Neunauge. Das russ. минога klingt wie eine Entstellung. Das lettische nehgenogs stimmt mit nd. negenoge zusammen.

Haus und Herd 1901, 310
[geräuchert oder mariniert gegessen]

Pantenius 1907, 96
Neunauge Süßwasser- und Fluss-Fisch

Stoll 1931, 8
auch einige Neunaugen (Petromyzon fluvuatilis) haben sich eingestellt und mit ihrem Rundmaul festgesogen.

Habicht 1956, 406
Neunaugen Baltische Spezialität, ein Fisch

Sass 1963, 68
[Bouillon mit Klimpchen] ... Kaseraggengräten drin oder mit angeschimmelten Dörrgemüse. Abends einen Teller Roggenbrei, salzlos, in Wasser gegart, voller Schlauben. Ab und an ein Extrabrötchen aus Kartoffel- und Schnittkohlschalen, ein begehrter Leckerbissen, um der Gerechtigkeit willen auf der Briefwaage abgewogen. Zuweilen gelang es den Müttern (Väter gab es kaum; sie waren in den Freicorps), etwas Eßbares gegen Kleinodien einzutauschen ... Wahllos kaufte man, was angeboten wurde. Unbesehen verschlangen wir Hummer statt Brot, Haselhuhn statt Grütze, Neunaugen anstelle von Kartoffeln und Gemüse. Einmal, erinnert Nora, gab es sogar eine ganze Tafel Schokolade. ...

Nottbeck 1987
Neunauge - aalartiger Süßwasserfisch / E.K.L.R.
Geräucherte oder marinierte Neunaugen sind eine Delikatesse.

Nosze

QUELLEN

Kiparsky 1936, 57
nosze 'ein Mass?' ‹ estn?
In einer Rechnung der Revaler Ratssendeboten v. J. 1509 wird 1 nosze butte 8 s. erwähnt (UB. II, 3, 524). Der Herausgeber, L. ARBUSOW sen. glaubt, dass es sich hier um mnd. nasch 'netzartige Tasche' handele, was aber schwerlich sein kann, da die Urkunde für sch nie sz schreibt und eher a für o, als umgekehrt hat (baden 'Boten' u.a.). Vielleicht handelt es sich um estn. noss 'Tracht, Haufen, Menge' oder russ. ноша 'Tracht, Last, Bürde', das auch in Bezug auf Quantität besser passen würde, da derselbe Preis (= 8 s,) auch für 1,000 stint bezahlt wurde.

nur

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 296
nur. 1) eben. Diese nur erwähnte Bude, 172. 1768. 318. Jetzt kaum gebräuchlich. — 2) Sie stickten nur vor Lachen, sie weinten nur vor Ingrimm, d. h. lachten zum Ersticken, taten nichts als weinen aus Ingrimm; ich schlug ihn, dass es nur puffte (schallte); er ohrfeigte ihn, dass es nur klatschte, vgl. Grimms Wtb. Sp. 1004. D. Ich bitte Sie nur, je vous demande un peu. — 3) In Verb, mit so, in. Antworten, um die Nutzlosigkeit, das Überflüssige, Grundlose, Unabsichtliche dessen, was getan ist, auszudrücken. Warum hat er sich eigentlich bei der Angelegenheit beteiligt? — Ach, nur só. Sallmann in 390c. 158.

Kiparsky 1936, 194
nur so [nurzṓ] zur Bezeichnung der Nutzlosigkeit, Überflüssigkeit, Grundlosigkeit, Unabsichtlichkeit einer Tat oder einer Erscheinung, wenn nach Gründen gefragt wird ⁓ r. (только) такъ id. E.L.K. HUPEL 219, GUTZEIT II, 296, SALLMANN V. 67; N. 158. Z. B.: „Weil [der Baum] spitze Nadeln hat.“ - „Aber nicht solche zum Nähen?“ - „Nein, nur so. -" (WORMS Erdkinder 379). Warum hat er sich eigentlich bei der Angelegenheit beteiligt? - Ach, nur so. (SALLMANN 1.c.) Fehlt in dieser Bed. bei GRIMM.

Anderson 1938, 149
Eine solche Bedeutungsentwicklung des Wortes so findet sich z. B. auch im Italienischen (così).

Nottbeck 1987, 61
nur so - bezeichnet Sinnlosigkeit / E.
Das macht er nur so, ohne damit etwas zu beabsichtigen.

Packneelchen das
‣ Varianten: Packaneelchen, Packenelchen, Packnel, Packnehlchen, Packnelchen, Paknelchen, Paknülchen

QUELLEN

Bergmann 1785, 52
Packaneelchen f. Pack, Packet, Reisebündel.

Petri 1802, 93
Packnēl Packnelchen, ein Paket, Pak, Reisebündel, jemandes wenige Habseligkeit

Gutzeit 1887b, 319
Packenelchen, das, kleines Gepäck. Gewönlich als Vz.: allerlei Bündelchen, oder Päckchen. Zuerst in 210 und geschrieben Packeneelchen; bei Hupel erklärt: Paket, Päckchen, Reisebündel, Habseligkeit, bewegliches Vermögen von geringem Werth. In 382c. 57 Packnelchen; in 390c. 127: Packnēlchen, Päckchen, Packetchen. Im brem. Wtb.: bakkeneel, in Schiller-Lübbens mnd. Wtb. Backeneel. Da wir in derselben Bed. Nälchen benutzen, so könnte in Packenelchen eine Zusammensetzung aus packen und Nälchen vermutet werden, wenn Nälchen auch in Deutschland begegnet; ist das nicht der Fall, so wird eine Entstellung aus franz. pacotille oder auchbagatelle anzunemen sein.

Seemann von Jesersky 1913, 152
Packnelchen, kleines Gepäck, Bündelchen.

Masing 1926b, 60
Packnelehen „kleines Gepäck, kleine Päckchen“ (mnd. packöl „Packen“ und backenēl „kleiner eiserner Topf“; Schumann, S. 18 Packeneten „Gepäck, Kram“; H. B. Grube a. a. O., S. 42Packeneelken „Gepäck“)

Vegesack 1935, 548
Packnelchen das Päckchen

Vegesack 1963, 255
Paknelchen Päckchen

Nottbeck 1987, 64
Packneelchen - Päckchen / E.K.L.R.
Ich erhielt ein geheimnisvolles Packneelchen.

Kobolt 1990, 192
Packnelchen, mit betontem, langen Vokal in zweiter Silbe, n Päckchen, Bündelchen.
mnd. packêl Packen; lüb. Packeneten Gepäck; pomm. Pakkeneelken kleines Gepäck.


QUELLEN (Informanten)
Kerkovius, Martha: Riga; Lemm, Robert von: Reval, Dorpat
Packnelchen Paketchen

Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland
Packnelchen, Packneelchen ? kleines Päckchen
Die Verkleinerungsform hat eine etwas wegwerfende Nuance.
„Na, was hast Du denn in Deinem Packnehlchen drin?“
„Nun nimm mal deine Packnehlchen zusammen und komm!“

Lange, Harald: Riga, Südlivland
Paknülchen Paknehlchen
Bündelchen = gebundenes Päckchen (wurde meist gebraucht, um was lächerlich zu machen)

Peete die
‣ Varianten: Pete

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 339f.
Pete, die. Die Peeten oder Haken an einem Eimer, Lange, lett. kahschi, was Stender erklärt: die Tragschwengel zum Wassertragen, und Ulmann(411): Achseljoch; im lettisch-deutschen Teil hat Lange die Wasserpeeten. In Preußen (476) ist Pede die Wassertrage, Eimertrage, Tragholz auf den Nacken und über die Schultern zu legen, mit herabhängenden Stricken und Haken auf beiden Seiten, um Eimer od. Körbe zu tragen, sonst Schanne genannt, poln. sadi, in preußisch Polen pedy. Schade in W. Wtsbl. V. 56 weist nach, dass das ostpreuß. Pede goth. paida ist. Man kann auch denken an russ. петля, poln. peto, petko und a.

Penar
‣ Varianten: Peener, Pener, Pönar

QUELLEN

Bergmann 1785, 52
Peener f. Feldhügel: Gränzhügel: der Rain.

Hupel 1795a, 169f.
Pener oder Penar, der (Ehstn.) d.i. Ackerscheidung, Rain.
(Bergm. meint man könte dafür Feld- oder Gränzhügel sagen, aber beide Ausdrücke würden zweydeutig und dunkel seyn. Lange schreibt Pöner. Bergm. aber Peener.

Gutzeit 1887b, 335
Pener, der, aus d. Estnischen, bei Bergmann Peener, bei Lange Pöhner, bei Hupel Pener und Penar, nach Bergmann Feld- od. Grenzhügel, nach Hupel Ackerscheidung, Rain; bei Stender Pöner, Feldscheidung, Feldscheide; in 355. Einl. S. 4: Pönart. Wer des andern Peener oder Mistacker umhacket, 179. II. 28 nach d. alt. liv. Bauerrecht. Pener zu seinem Acker. od. Heuschlage, R. R. d. F. E. 150; umgepflügte Wasen od. Pehner, 329. 8.

Gutzeit 1887b, 379
Pönar, der, Pönart, Pener, Rain, das estnische penar. Pöner, Feldscheidung, Feldscheide, Lange und Stender; Feld.Ponarte, 355. Einl. S. 4.

Ojansuu 1906, 88, 94
Penar „Schon wieder ein ehstnisches Wort, dessen gleichbedeutendes deutsches Wort (Ackerscheide) hier ganz unbekannt zu seyn scheint..."
Penar oder Pener, der, Ackerscheidung, Rain = estn. pēnar Feldrain, Feldrand, Beet Striemen (finn. piennar, pientare).

Kiparsky 1936, 58f.
Pener, Peener, Pönar, Pöhnar, Penar [pênər] m. 'Ackerscheide; Rain; Grenzhügel' ‹ estn. peenar 'Feldrain, Beet , Striemen' + liv. piendrõks 'Beet, Rain' (finn. piennar 'Feldrain').
Nach HUPEL 169, GUTZEIT II, 335; 379, OJANSUU 88; 94, SUOLAHTI 119; 120 aus estn. peenar. Das bd. Wort ist zuerst im J. 1357 in Riga (ca. 20 Belege in GU. I, 84-86), dann im J. 1464 in Marienburg (GU. I, 373), im J. 1501 in Tuckum (Samml. BAUER) und erst im J. 1513 in Dorpat (GU. II, 104) belegt, was entschieden auf eine Ausbreitung von Süden nach Norden deutet und um so auffälliger ist, als das lett. Wort für 'Feldrain' eža lautet, also mit den obenerwähnten ostseefinn. Formen nichts gemeinsam hat. Vgl. S. 28.
Heute ist bd. Pener über das ganze Baltikum verbreitet und bildet eine Art terminus technicus.

Pergel

QUELLEN

Bergmann 1785, 53
Pergel [in der Schweiz bedeutete Pergel einen Kienbaum] ein langer Lichtspahn von Kien- oder Birkenholz.

Hupel 1795a, 170
Pergel, der, ist ein Lichtspan von Kien- oder Birkenholz. (Dabey meldet Bergm., daß Perge in der Schweiz einen Kienbaum bedeute.)

Sallmann 1880, 20
Pergel, m. Kienspan, Schindel, vielleicht zusammenzustellen mit Schweiz. Pergel - Kienbaum (perg).

Pantenius 1880, 57, 81
der Pergel Kienspahn

Gutzeit 1887b, 335f.
Pergel, der, zuweilen das, Leucht- od. Lichtspan, Kienspleiße. Gadebusch (325) sagt: Pergel ist ein langer schmaler Spahn aus Kien- oder Erlenholz, den man in Livland in Bauerhütten statt des Lichts brennt; nach Hupel: ein Lichtspan von Kien- od. Birkenholz. In Preußen bezeichnet Pergel (nach 476) einen Kienspahn zum Anzünden des Feuers; Sallmann (390 c. 20) erklärt: Kienspahn und Schindel.
Die Herkunft des Wortes betreffend, so bemerkte Bergmann irrtümlich, dass Pergel in der Schweiz einen Kienbaum bedeute; der Kienbaum, die Kifer, Före, pinus sylvestris, heißt aber Perge, Berge, Ferge, Ferche — deutliche Lautungsänderungen von Fare, Före und Forche u. a. — Frischbier weist auf lit. pihrksznis glühende Asche, lett. prauls Feuerbrand — in diesen Wörtern ist Pergel nicht zu erkennen. Das Finnische u. Estnische gewärt allein Handhabe: finn. päre und estn. peerg.
Hat er den Pergel, wie man es hierzu Lande heisset, zerhauen, 195. Eichh. hist. lett. 593; für Licht und Pergel auf der Kanzellei (des rig. Rats), 350. XV. Kämmereirechg. v. 1639; der Pergel, taeda, 353. 27; Pergel reißen, 330. 16; das Pergel, 176. 1832. 47; Pergel, Kienspahn, 176. 1834. 176; Pergel trocknen. D. Pergeltrocknen verursachte d. Feuerschaden. — Wie ein Pergel ausgetrocknet sein durch Krankheit. Pergel spleißen, spalten, machen. — Der Kienspahn als Beleuchtungsmaterial ist (in den Bauerhöfen nahe Riga) vollständig durch Petroleum-Lampen und Talg- od. Stearinkerzen verdrängt, Paulson, Beitrag zur Kenntniß der Lepra, Dorp. Diss. u. 1886. S. 21.

Gutzeit 1894, 29
Pergel, der, zuweilen in der Bed. von Splittholz. Kärtchen sind Fischfallen, welche aus etwa 9' langen Pergeln hergestellt werden. Die senkrecht neben einander in den Seegrund hineingetriebenen Pergeln bilden zwei omegaförmige Behälter von circa 3½' Breite. Zwischen beiden Behältern läuft eine ebenfalls von Pergeln hergestellte Wand, Dünaztg. 1892. 289. vgl. Kartitze und Wörterschatz.

Eckhardt 1896, 28
Pergel (a. d. Estn.) Kienspan

Pantenius 1907, 99
der Pergel Kienspan
in einem an der Wand angebrachten Ring steckt ein brennender Kienspan.

Hahn 1911, 147
Pergel (Beleg 1666: Amtsordnung 1666) „Keine Pergel in den Emptern von Dannen Und Grenzen zu machen.

Seemann von Jesersky 1913, 154
Pergel, Holzspahn.

Sehwers 1918, 24
Pergel (zum Leuchten)

Mitzka 1923, 17
Pergel Span

Masing 1926b, 13, 18
Pergel „Kienspan zum Anzünden des Feuers“ (bd. auch in weiterer Bedeutung; lit. pirksznis „glühende Asche“, lett. prauls „Feuerbrand“).
preussische Einzelwörter und Wendungen(Kurni, paien, Pastel, Pergel) etc. sind z. B. im ganzen Baltikuminschliesslich Estland üblich; Eckhardt a. a. O. hält sie irrtüm­licherweise für Lehnworte aus dem Estnischen). Es scheint,dass diese Worte von Kurland aus nordwärts gewandert sind.

Kiparsky 1936, 60
Pergel [pərjəl] m. 'Span' ‹ estn. peerg 'Kienspan' + liv. pirg 'Pergel, Kienspan' + liv. pīrgal 'Splitter, abgebrochenes Pergelstückchen'.
Nach SALLMANN V. 12; N. 20 und SUOLAHTI 119 ist bd. Pergel von dem estn. perg mit einem deutschen Suffixe gebildet. Gegen den ersten Teil der Behauptung spricht vor allem die grosse Verbreitung des bd. Wortes (bereits 1488 in der Pagast zu tylen; GU. I, 540; heute im ganzen Baltikum), (über Jummel vgl. 86f.). Das Suffix -el ist im Bd. überhaupt wenig gebräuchlich, was schon durch die nd. Grundlage des Bd. bedingt ist. Doe Quelle wird im liv. pīrgal 'Splitter, abgebrochenes Pergelstückchen' (vgl. finn. pirkale 'Splitter') zu suchen sein. Das kurl. bd. verpergeln 'verprügeln' scheint darauf hinzudeuten, dass unter Pergel auch ein stärkeres Holzstück als ein Span, verstanden wurde, und das stimmt mit der Bed. des finn. pirkale überein, wie aus dem Zitat bei LÖNNROT hervorgeht: „pärepruun laahkot halaistaan ensin pirkaleiksi ja nämät sitten päreiksi" (= die Schindelholzklötze werden zunächst zu pirkale und diese dann zu päre [= Schindeln, Spänen] gespalten). Über irer vgl. S. 59.
MASING NdE. 13 und 18 stellt bd. Pergel mit opr. Pergel m. 'Kienspan zum Anzünden des Feuers' (FRISCHBIER II, 132 nach PIERSON Apr. Monatsschr. VIII, 367) zusammen. In den heutigen Mdaa Ostpreussens kommt aber das Wort, nach den Sammlungen des Preussischen Wörterbuches, nicht vor, und wäre auch, wenn es vorkäme, aus dem Germanischen, Litauischen und Polnischen unerklärlich. Es könnte sich nur um Übernahme des dem Bd. handeln, was vielleicht auf literarischem Wege möglich war (vgl. die Erwähnung von pergelen in einem Briefe des Dorpater Rates an Danzig aus d. J. 1459; UB. I, 11, 663). Am wahrscheinlichsten handelt es sich aber um einen Gedächtnisfehler PIERSONS (siehe oben S. 22).

Kiparsky 1936, 17
zum Gebrauch bei Pantenius: in späteren Werken vermieden.

Grosberg 1942, 23, 52, 317
Pergel Kienspäne
Pergelholz
Die Pergel hat der Nachtwächter aus gradsplissigen, kienigen Kieferklötzen zu fertigen, zu trocknen und zu bündeln.
... in der Spinnstube brennen aus Sparsamkeitsgründen Pergel. ... Die Pergel geben ein schwaches Licht, aber viel Rauch.

Sehwers 1953, 269
Pergel (zitiert Mancelius (17. Jh.) „Jung, zünd Pergel an“)

Hahn 1964, 162, 171
der (das?) Pergel Kienspan
Für Licht wurde weder in den Bauerngesinden, noch in den Herbergen und Herrschaftlichen Küchen und Leutestuben etwas ausgegeben, es wurden und werden noch bis jetzt (1859) - die herrschaftlichen Wohngebäude ausgenommen - "Pergeln", d.h. Kienspäne, gebrannt.
Rund um die Wand saßen Weiber und Mädchen, die beim Schein zahlreicher Pergel (Kienspäne) die Gämse ihre Federn und ihres zarten Flaumes beraubten, dieses der Güte nach in verschiedene Bast- und Pergelkörbe sondernd. ... bewegten sich im rauchenden Pergellichte, das hell geschüttelt wurde, als ... in der Stube erschien.

Nottbeck 1987, 66
Pergel (let.) - Holzspan, Holzschindel / E.L.R. gesp. Kleinholz / K.
Mit Pergeln wurde das Dach gedeckt.

Kobolt 1990, 197
Pergel m Lichtspan, Kienspan, schon 1488 (Livl. Güterurkunden)
vgl. estn. peerg, piirg (Lichtspan; vgl. schweiz. Perge Kienbaum; pr. Pergel Kienspan; lit. pirksznis glühende Asche.


QUELLEN (Informanten)
Hellmann, Ernst-Theodor, Dr.: Riga
der Pergel Anheizholz

Hedenström, Bernd von: Riga
das (der?) Pergel - der Spahn oder Spohn.

Kerkovius, Martha: Riga; Puhze, Magdalene: Libau
Pergel - Span


Pergel 'Sägespäne' WL 6,43.

Pfaffenstückchen das

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 342
Pfaffenstückchen, für Pfaffenbiss, 210. Vielleicht dasselbe, was Pfaffenknochen oder das Fleisch um diesen herum.

Pferd

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 346f.
Pferd (Ferd). In Grimms Wtb. wird von veredus abgesehen und als wahrscheinliches Grundwort paraveredus angegeben. Auf dieses sind indessen doch wol nur die ahd. Gestaltungen parafrai, parevrit, parefret, parfrit, pferfrit zurückzufüren, ebenso die romanischen palafrai, palefroi, palafreno. Pferd dagegen i wol nur mit veredus zusammenzustellen. Demzufolge sind die Bemerkungen in Grimms Wtb., dass paraveredus ursprünglich ein Postpferd für Nebenstraßen bezeichnet habe, oder dass mit dem Beginn des Mittelalters man das einfache veredus fallen gelassen und paraveredus schließlich im allgemeinen Sinn von Pferd überhaupt in Verwendung gezogen, — gleichgültig, da sie sich nicht auf veredus — Pferd, sondern auf das nicht dazu gehörende paraveredus beziehen.
Früher als paraveredus erscheint veredus, bei Martialis (1. Jahrh. n. Chr.), in d. Bed. von Pferd überhaupt oder (?)schnelles, leichtes Pferd; später in d. Pandecten, in d. Bed. von Post- oder Courierpferd; richtiger wol Botenpferd; etwas früher (im 5. Jahrh.) veredarius, Postreiter bei dem Nord-Spanier Sidonius. Da wir somit veredus zuerst u. ausschließlich bei dem aus Nordostspanien gebürtigen Martialis finden, so ist anzunemen, dass es kein echtlateinisches, sondern ein von den alten Spaniern her entlentes Wort ist, was darin seine Bestätigung erhält, dass Sidonius, der im 5. Jahrh. bei den Westgothen Spaniens lebte, mit demselben ebenfalls bekannt gewesen ist, da er einen Postreiter veredarius nannte. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist veredus ebenso latein. Fremdwort wie das bei Martialis sich findende gallische vertagus Windhund, das bei Gratianus sich findende vortrug u. a., um so mehr, da wederdas Lateinische noch Griechische für veredus Anklänge bieten. Diese finden sich zunächst im deutschen faren. Von faren fand eine Begriffsentwickelung nach drei Seiten statt: 1) Färe, in ahd. Gestaltung ferit u. ferid, die mit den ahd. Gestaltungen von Pferd: Pfarid und pferrit ganz u. gar zusammenfallen; 2) Pferd, das was ein Farzeug in Bewegung setzt; 3) Fahrt (Weg): alts. fard, färd, mnl. vaert, nnl. vaard od. vaart (die mit dem heutigen nl. paard Pferd zusammenfallen), altn. for, schwed. färd, dän. färt und fart. Anklingend zu Pferd und veredus stellen sich aber auch slawische Wörter. Altbulgarisch fariž Pferd, kroatisch fariž, altserb. faris u. altruss. фapb — das Polnische bildet auch faryz Reiter — indessen alles Wörter ohne Stamm und Verwandte, nur im Neugriechischen als φάρηζ und im Türkischen als férés sich wiederfindend. Das φαρь ist seines φ wegen als unrussisch anzusehen; doch stimmt es ebenso wie die übrigen slawischen Gestaltungen in überraschendster Weise mit den deutschen phar, phard, phärid, perit u. holl. paard. Die slawischen Gestaltungen lassen eine Entlenung des deutschen Pferd aus veredus ganz bezweifeln; man müsste glauben, dass veredus, Pferd und faris, фарь u. s. w. einer gemeinschaftlichen Wurzel angehören, und keines von dem anderen entlent ist. Dass Pferd nicht aus veredus herkommt, musste sich auch daraus ergeben, dass wir keine Pf-Wörter kennen, welche aus lateinischen V-Wörtern hervorgegangen sind. Das holl. paard, das alts. fard, die slaw. Ausdrücke mit a könnten aber leiten auf eine Verwandtschaft mit gr. πάρδοζ Panther — Thiere u. Pflanzen selbst sehr unähnlicher Art füren in den verwandten Sprachen dieselben Benennungen.
In Grimms Wtb. felt Fahrpferd, das zum Faren gebraucht wird, wie Reitpferd zum Reiten. — Nach den Personen, von denen, und nach dem Orte, wo ein Pferd getauft worden, fürt es ganz gewönlich seinen Namen. Schon Stender fürt an: der Vietinghof, der Janson, der Major, der Schneider, der Zigeuner, d. h. Pferd, das von einem B., von einem J. eingehandelt worden; ferner: der Bausker, der Würzauer, nach dem Geburtsort; ebenso der Pole, der Russe, Araber u. s. w.
Sprüchw.: ein Pferd gut gestriegelt ist halb gefuttert, Stender; stolpert doch ein Pferd mit vier Füßen, Stender.
Pferd' und Wagen halten, Farzeug. Gew. Mit 12 Pferden vorfaren, Aufschneider sein. Ein Tag zu Pferde, in der Landwirtschaft, Pferdetag. Jeder Tag zu Pferde ist mit 4 gl. zu berechnen, 147.
Wenn von Pferden gesprochen wird, gebraucht die gewillte Sprechweise gern er st. es. „Ihr (das) Pferd bleibt allein stehen?“ — „der bleibt ruhig stehen!“ lautet die Antwort. Vgl. er. In Zusammensetzungen jetzt nur Pferde-, nicht Pferd- oder Pferds. Letztes nur etwa in Pferdskopf u. Pferds länge.

Platte die

QUELLEN

Gutzeit 1887b, 367
Platte, die. In Grimms Wtb. wird Platte aus d. Franz. od. Lat. hergeleitet, aber kein zusammenlautendes Hauptwort aus diesen Sprachen angegeben. Das Altfranzösische kennt zwar plate, das Neufranzösische aber für unser Platte plaque; franz. plate stimmt nur in einigen Bedeutungen. Schwerlich wird sich Platte, kale Hochfläche, aus platea. oder plateau gebildet haben; und Platte Sandbank, flaches Felsstück? Die Platte der Mönche soll sich in mlat. platta wiederfinden; ist aber dies nicht aus dem Deutschen hervorgegangen? das was mlat. ist, erregt oft genug Verdacht. — Die Platte am Rhein auf dem Taunus. Lustschloss oder Jagdschloss des ehemaligen Herzogs von Nassau. — Hupel fürt Platte in d. Bed. von Bresan. Die Platte, (das große Pres, estn. sölg) gehört nur für Weiber zu dem Zweck, um das geschlitzte Hemd auf der Brust zusammenhalten, 182. II.
In das Wort Platte drängt sich häufig das in seinem Ursprünge nicht aufgehellte Blatt hinein; so in Tischblatt = Tischplatte, Thürblatt, Stichblatt, Schiferblatt (Blätter im Gestein = Schichten) u. a. Grimms Wtb. II. Sp. 76. 8 bemerkt dazu: In allen diesen u. anderen Ausdrücken gewährt Blatt die Vorstellung des sich Entfaltenden, Schließenden, Deckenden und man braucht dabei nicht aufs ital. piatto, franz. plat zurückzugehen, obgleich sie mitunter können eingewirkt haben.“ Ist diese auffallende Übereinstimmung der Bedeutungen von Blatt u. Platte nicht zu leugnen, so kann das dazu leiten, beide Wörter als eines Stammes anzusehen. Hierauf fürt auch 1) das Platt statt die Platte; 2) ahd. plat für Blatt; 3) die Bedeutungen: in Bezug auf Metall meist Platte (Blechplatte), in Bezug auf Papier u ä. durchweg Blatt — im Lateinischen folium Blatt der Bäume u. Blatt Papier, griech. πέταλον Blatt u. Platte, Tafel, russ. листь Blatt u. Platte (Tafel). Wie das gr. πέταλον Blatt von πετάννυμι, etwas Entfaltetes, Ausgebreitetes ist, so würde Blatt, ebenso wie Platte, ursprünglich etwas Ausgebreitetes, d. h. Flaches, Plattes bezeichnen. Diese, wie anzunemen, ursprüngliche oder Wurzelbedeutung könnte weiter darauf füren, Blatt, Platt(e) und slaw. platu Flick, Lappen (russ. платьauch Steinplatte), goth. plats (Lappen), das viel verbreitete Platz oder Bletz (flacher Kuchen, Fladen), Plätte oder Blette, (flaches Farzeug), endlich Platz (Stelle, Fleck) für ein- und dieselben Wörter zu erachten. Das verdächtige P hat von allem dem absehen lassen!

Kobolt 1990, 204
Platte f Glatze (17. Jh.)
mnd. platte Tonsur eines Geistlichen; pomm. Platte die obere Fläche der Hirnschale; nhd. Platte alltagsspr. für: Glatze.

psch

QUELLEN

Gutzeit 1890, 400
psch, mit zwischenlautendem i, 1) dasselbe was pschi. — 2) Scheuchlaut für Gänse, russ. гыль гыль, psch! psch! Zuruf an die Gänse, um sie fortzutreiben, Pawlowsky-Asmuss russ. Wtb. — Aber auch für andres Geflügel, um sie wegzuscheuchen.

pudeln

vgl verpudeln

QUELLEN

Hupel 1795a, 181
pudeln d.i. fehlschießen, fehlwerfen, nicht treffen.

Gutzeit 1890, 402
pudeln, puddeln, mit den Händen im Wasser herumfahren; eine schmutzige Arbeit verrichten. Entspricht wol unserem buddeln. Verwandt scheint russ. путать verwirren, in Unordnung bringen, ebenso wie pudeln (einen Pudel machen) mit путаться vom Wege abkommen, sich verirren.

Worms 1901, 7
Neben ihm war noch ein runder weicher Körper aufgetaucht, der es mit hastigen Schwimmbewegungen ihm gleichtun wollte. Herrgott, den Jungen hatte er ganz vergessen! Der pudelte ja abscheulich.

Seemann von Jesersky 1913, 159
pudeln, fehlschießen.

Grosberg 1931
Wenn ein alter baltischer Jäger hören würde, daß man heutzutage von einer Treiberwehr spricht, die im dritten oder vierten Treiben sich gut gehalten, so würde besagter alter baltischer Jäger wohl mit einm herzhaften Dojahn zur Hand sein und erklären, daß es wohl „Juchzer“ und „Masten“, nicht aber Treiberwehren und Treiber gibt. Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war ein Wonne und eine Lust, die „grob und fein gehälsten“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Grosberg 1942, 287
Er war ein glänzender Flugschütze, man hatte nie gehört, daß der Alte gepudelt hätte.

Nottbeck 1987, 72
pudeln - daneben schießen / E.K.L.R.
Da hat er aber gründlich gepudelt!

quantsweise Adv

QUELLEN

Lindner 1762, 235
Quantsweys, gerade, als wenn ist niedersächs. Rich. 198.

Bergmann 1785, 56
quantsweise (holländ.) zum Schein, für die lange Weile [quasi].

Gutzeit 1890, 414
quantsweise, nach 210: zum Schein, für die lange Meile, nach dem Holländischen (quasi); nach Stender I: quantsweise, vorwandsweise. In 194. Nystädt 94: quantzweise, vom Herausgeber erklärt: „unter dem Vorwand. Ein livl. Provinzialismus.“ Ist ein solches aber nicht, wie schon Hupel bemerkte! Auch jetzt zuweilen.
In Schiller-Lübben und in Grimms Wtb. erklärt: nur zum Schein, nicht im Ernste. Von Quant, einem Worte unsicherer Herkunft; es muß etwas sein wie Tand, was nur zum Schein etwas ist. — Stender II. 466 hat quants«weise reden: vorwandsweise, verstellt, gleichsam zufälliger Weise; quantsweise rufen, listiglich; quantsweise um etwas kommen.

???, 165f.
Im zweiten Bande der „Monumenta Liv. Ant.“ erschien im Jahre 1839, herausgegeben von Tieleman, die im Jahre 1604 beendete Livländische Chronik des weiland Rigischen Bürgermeisters und kgl. Burggrafen Franz Nyenstädt. Interessant für das estnische Sprachgebiet sind folgende in dieser Chronik sich findende Bemerkungen und Ausführungen.
4. Auf Seite 94 findet sich der Ausdruck „quantsweise“. „Ehe aber der Bescheid vom Könige kahm, da war der Bube Giese mit seinen Practicken vnd seinen Kammer-Rähten, als seinem Bruder Hans dem Kastenschreiber, vnd Hans Sengeisen wegen der kleinen Gilde, vnd Albrecht Müller als per quantzweise wegen der Schwartzen Häupter allewege nach Schweden, daselbst bey dem Könige Schutz zu suchen.“ - In einer Fussnote sagt der Herausgeber Tielemann: „quantzweise, unter dem Vorwande. Ein Livländischer Provinzialismus“. - Es ist ein 1839 noch bekannter, jetzt ganz verschwundener Provinzialismus niederdeutscher Herkunft.

Quaß der
‣ Varianten: Quas

QUELLEN

Gutzeit 1890, 416
Quaß (-), der, mnd. quâs, nd. quas, hd. Quas, Quaß u. Ouaas, Schwelgerei, Böllerei; Gasterei. Das Wort scheint bei uns im 16. Jahrh. aufzukommen u. erhält sofort bei allen unsern Schriftstellern eine Verbreitung, dass man glauben könnte, einer hätte dem anderen nachgeschrieben; auch stets nur in Verbindung mit Fraß. Ein Volk, das in Fraß und Quaß gelebet, 195. Einhorn 732; Fastnachtszeit, in welcher mehrauf Üppigkeit, Quas und Fraß als auf gute Ordnung gesehen wird, 349. IV. 11; ein solch Fraß und Quaaß, 215. 204; Volk, das in Fraß und Quaß gelebet, 192. III. 52 u. 53; außer diesem war noch auf allen Höfen in Livland ein solch Fraß und Quaaß, daß man — 195. Russow. — E. Pabst erklärt unrichtig: „im Saufen u. Fressen. Quas ist in Russland ein gewöhnliches Getränk: hier sprüchwörtlich angewandt.“ (192. III 52 u. 53.)
Dieselbe Verbindung von Quaß mit Fraß auch in deutschländischen Schriften. Frischbier in 476 sagt: „Quas, der und Quäserei, die, auch Questerei und Quôs, der, Schwelgerei, Schlemmerei, Böllerei; Festlichkeit, Schmaus, Gastmahl. Sie leben beständig in Quas und Fraß, Brief des Mönchs Heinrich Borringer an den Hochmeister u. 1428.
Grimms Wtb. sieht das Wort für ein slawisches an; es sei schon früh ins nd. und md. eingedrungen. Diese Anname ist zu bezweifeln. Denn slawisch kvas findet sich in d. Bed. von Schmaus nur im Czechischen, wo auch kvašan conviva, und kvasiti epulari vorkommt, und im Obersorbischen, wo es Hochzeit bedeutet, in derselben Weise wie sich im deutschen Wort Koste die Bedeutungen Schmaus u. Hochzeit vereinigen. Da dasselbe Wort im Russischen, im Polnischen und in anderen slaw. Sprachzweigen eine ähnliche Bedeutung nicht hat, das polnische kvas sogar neben Säure, saurem Getränk auch Feindschaft bedeutet, so ist nicht zu bezweifeln, dass das czechische u. obersorbische kvas, um so mehr, da es in slawischen mit Deutsch durchsetzten Grenzgebieten vorkommt, dem weitverbreiteten deutschen Quaß entlehnt ist, welches überdies in vielfachen Ableitungen begegnet, die dem Czechischen u. Obersorbischen ganz und gar fremd sind. Es ist daher auch sehr fraglich, ob das slaw. kvas in d. Bed. von Schmaus mit dem slaw. kvas Gärmittel und russ. квасъ säuerliches Getränk in Verbindung zu bringen ist. Übersehen ist in Grimms Wtb. das Zusammenfallen von Quaß, welches auch in den Gestaltungen Quast, Quest, Quoß u. Quost vorkommt, mit Kost und Koste (Speise, Aufwand, Schmaus). Ein Wechsel von K und Qu (Kw) könnte hier ebenso gut angenommen werden, wie er in dem gleichlautenden Kost u. Koste für Quast u. Quaste (Besen) begegnet, nicht blos im Deutschen, sondern auch im Dänischen, Schwedischen, Norwegischen nachzuweisen ist: dän. kost, norweg. kvast und kvost, nordschlesw. kost und kwost, altschwed, kaast u. quaesti, schwed. qvast und kost. Qu und K wechseln ja auch in anderen Wörtern: Qual, mhd. kâle, kâl, kôle, kôl; Qualster — Kalster, Kolster, Quandel u. Quändel — Kandel und Kändel, queck — keck, Quappe — Koppe, quackeln u. quakeln (schwatzen) — kackeln u. kakeln u. s. w. Da für Qu auch G auftritt, so kann bei den Gestaltungen Quast u. Quost für Quaß auch an Gast u. slaw. gost gedacht werden. Wenn auch Gast, wie lat. hostis und gr. ξενός, in ursprünglicher Bedeutung einen Fremden bezeichnen sollte, so wird es dennoch statthaft sein, als Wurzel von Gast und gost skr. ghas essen aufzustellen, wie es Bopp getan; Gast wäre ein Fremder, welcher Bewirtung —Speise u. Trank — erhält, ein Beköstigter, wie bopp meinte; nicht aber ein Fremder, welcher als Feind den Göttern geopfert und von den Opfern den als frommes Mahl verzehrt wird, was Hildebrand in Grimms Wtb. IV. 1. 1454 für allein möglich erachtet. Besteht aber die Sanskrit-Wurzel ghas im Sinne von Essen, oder nach Böhtlingk— Roth von Verzehren, Verschlingen, Fressen, so liegt auch nahe, dieselbe Wurzel oder dasselbe Wort ghas in Quas und selbst in Kost (Speise) wiederzufinden und an slaw. kvas nicht weiter zu denken. — Mit Quaß, Quoß, Quost hängt wol auch — aus der niederdeutschen Zeit Livlands — das wenig gebräuchliche u. wenig verbreitete lett. goste oder gohste Schmaus zusammen, nicht aber mit slaw. gost (Gast), was Miklosich annimmt.
Noch heute ist die Verbindung Quaß u. Fraß im Munde einiger alter Leute; doch sehr selten.

Rat

DAZU:
siehe auch Anrede

QUELLEN

Hupel 1795a, 187
Rat, sechsstimmiger; vgl. sechsstimmig.

Gutzeit 1887a, 8
Rat. Grimms Wtb. sagt: Rat gehört mit seinem Zeitwort raten zu denjenigen alten gemeingermanischen Wörtern, welchen kein sicher vergleichbares in den urverwandten Sprachen zur Seite steht. — Im Russ. ist рада Rat, d. h. Versammlung und Hilfe, радчiй, радникъ u. радитель Ratgeber u. Mitglied eines städt. Rats. Wenn auch russ., poln. u. czech. rada, — die, wol bemerkt, alle weiblichen Geschlechts sind — deutschen Ursprungs sein sollten, so ist doch Rat zunächst, wie Grimms Wtb. angibt, Gesammtbegriff für alles, was für die leibliche Fürsorge u. Nahrung anzuschaffen u. zu gewähren war (woraus sich die Bed. 3) von Rat, nämlich Vorsorge, Hilfe erklärt). Es kann auch herangezogen werden russ. радъ bereit (etwas zu tun), радѣть sorgen für etwas, радѣтель Woltäter, рачить Sorge tragen um, рачитель Fürsorger u. a. Das russ. дума wird aus dem Altnord, hergeleitet, wie schon früher, so jetzt auch von Miklosich (etymol. Wtb.) als Entlenung „in der ersten Periode“ angesehen und zu дума und думать u. s. w. gestellt goth. döm Sinn, Urteil, ahd. tuom Tat, Urteil, Gericht. Duma u. s. w. eigentlich nur russisch u. bulgarisch.
Einer Stadt. Auß der Bencke zu Rahte gezhogen, 349. IV. 4. J. 1654, d. h. aus der Ältestenbank in den Rat, Ratsherr werden; einen nicht in dem Rath aufnehmen, er habe denn zuvor dem Landesherrn den Huldigungs-Eid u. dem Rath den Bürger-Eid geleistet, 349. VIII. 2. Einen heimlichen geschworenen Rath aus der Bürgerschaft dienstpflichtig zu machen, 349. VII. 4; mit seinem geschworenen Kammer-Rath seine Practiten fortsetzen, ebda. Darum müssen alle Klagen vordem ganzen Rath, und nicht Kümmeret-Rath erörtert werden, 349. IV. 11. — In den Beugefällen ehemals oft mit d. Einem ehrbaren Rade, 257. — Der sechsstimmige Rath, zur Zeit der Statthalterschaftsverfassung, wurde vom eigentlichen Stadt-Magistrat unterschieden und bestand aus dem Stadthaupt und den Stellvertretern oder Wortführern der sechs Bürgerklassen. Hieß auch der gemeine Stadtrath.
Die Bischöfe hatten weltliche Räte und geistliche, das Capitel. Daher: das Capiteln. die Räthe, 369. 17 u. 18; ein Erzstiftischer Rath (u. Tiesenhausen), 350. IV; der H. v. Tiesenhausen u. die andern Erzstiftischen Räthe, ebda; sechs Personen, zwei von unseren Ruthen, zwei aus unserem Orden u. zwei aus der Gemeinheit, 350. XVIII. 1. J. 1554; geloben, die Ritterschaft u. Räthe über hergebrachten Gebrauch und Gewohnheit nicht zu überfahren, 194. R. R. d. J. E. 138.
Statt Titulärrat. Er ist Rat geworden. Da dieser Dienstrang, bis in die 40-er Jahre, viel Bedeutung hatte, so wurden mit Herr Rat und Frau Rätin Personen angeredet, welche dem besseren Mittelstände angehörten und denen man einen ehrenvollen Titel erteilen wollte. Sehr gew. war diese Anrede im Munde rig. Handwerker.
Es geschehe denn mit freiwilliger Bewilligung, Vollbort u. Raht, 155. Henning Chr. 215: „Genehmigung, Vollmacht“.

Gutzeit 1892b, 37
Rat. Sich auf oder in den Rat begeben, ins Rathaus; auf (in) dem Rate, in der Ratsversammlung. In den Rat gemalt werden, Ratsherr werden. Er war 30 Jahr alt, als er in den Rat gewillt wurde.

Seemann von Jesersky 1913, 162
Rat, 1210 seniores Rigensium. 18. Apr. 1226 erste Sitzung der „consules Rigenses“. 19. Sept. 1786 aufgelöst, Statthalterschaft; 29. Dez. 1796 restituiert; Letzte Sitzung 27. Nov. 1889. Seit der Städteordnung von 1877 nur noch Justiz.
Rat, „Herr Rat! Anrede des Distrikts-Polizeioffiziers“

Tobien 1925, 444f.
Rat, Baltischer = „Balt. Konseil“
je 2 Delegierte der 4 Landtage, der 3 Gouvernementsstädte, 8 Delegierte der Landgemeinde.
1905 einberufen (gleichzeitig mit tempotär ... Generalgouvernement). Aufgaben: Ausarbeitung von Gesetzvorschlägen in allen örtlichen Fragen.

Rechtfinder der

QUELLEN

Hupel 1795a, 188
Rechtsfinder, der, ist in einigen Gegenden ein Dorfs-Aeltester und gleichsam der Polizeymeister des Dorfs. (Lange sagt ein Schultheis). Einige Gutsherrn lassen alle Bauerstreitigkeiten durch solche Leute entscheiden, welches Nachfolge verdient.

Gutzeit 1887a, 14f.
Rechtfinder, ehemals Art bäuerlicher Richter, Urteilsmann, Urteilsfinder in bäuerlichen Rechtssachen; in einigen Gegenden ein Dorfsältester, Schultheiß, Hupel; Rechtsfinder, Bergmann; in 193. II. 111 sagt u. Buddenbrock: vormals hießen die Baueraufseher in Lettland Wagger, jetzt Rechtsfinder. — In neuerer Sprache Rechtsfinder; diese Wortgestaltung schon in 185. 29. vgl. Urteilsfinder.
Keinen Pauren soll man den Halß absprechen; Es sey dabey der Voget mit dem Landknecht, Landschreiber u. Rechtfinders Rechtfindere sind alte Pauren), 192. V. livl. Rechtsgew. aus der poln. Zeit; es ist den Rechtfindern auferlegt, aus zu treten (hinauszugehen aus dem Gerichtszimmer), folgends auch ein Urteil in zu bringen; der Thäter soll sich darin williglich begeben, 174. 1851. 305. 1. 1568. Dazu bemerkt der Einsender: das Urteil gegen den Angeklagten ward damals oft nicht von den Gerichtsherren, welche die Untersuchung führten, sondern von unbetheiligten dritten Personen, den sog. Rechtfindern, gefällt. Eine an die Geschwornengerichte unsrer Tage erinnernde Einrichtung. - A.v.Richter (347. II. 2. 31): daß in Bauersachen noch nach 1629 die alte Methode des Rechtsprechens durch Urtheilsfinder bäuerlichen Standes beobachtet wurde, ersieht man aus einigen Protokollen der J. 1630, 1633 und 36; und Ebda S. 112: die Bauerhochzeiten sollten nicht über zwei Tage dauern und ein Aufseher, Rechtfinder (dergleichen also noch, wenigstens dem Namen nach, vorhanden waren) und Häckner bei Leibes- oder Geldesstrafe nicht mehr als 16 Paar Gäste einladen, acht Tonnen Bier und vier Stof Brantwein zum Besten geben; u. Ebda. S. 115, J. 1696: Vergehen der Bauerwirthe durfte der Arrendator von sich aus nicht bestrafen, sondern es wurde von den bäuerlichen Rechtfindern ein Urtheil gefällt. Buddenbrock (193. II. 111) sagt: vormals hießen, wie noch jetzt in Kurland, die Bauervorsteher in Lettland Wagger, jetzt Rechtfinder, desmitneek, Aufseher über gewöhnlich zehn Gesinder. An Stelle der Rechtfinder treten jetzt (1821) die Glieder des Gutsbauergerichtes, zu Folge der Bauerverordnungen von 1804, Ebda II. 1. 669. Hupel in 444 erklärt Rechtfinder mit Dorfältester oder Dorfvorsteher, estn. külla kubjas, Stender mit teesneeks od. teesneessis, welche Wörter in 411 Richter erklärt werden, wärend das von Buddenbrock angefürte desmitneeks mit Aufseher über zehn, oder überhaupt über eine kleine Anzahl Leute. Es entspricht dem russ. десятскiй Dorfschulzengehilfe oder десятникъ Zehentmann (Vorsteher über zehn Mann od. zehn Häufer). vgl. Rechts- und Urteilsfinder.

Gutzeit 1887a, 15f.
Rechtfinder Rechtfinder. Erzbischof Michael verordnet in seiner Einigung übeer die Auslieferung der Bauern v. 1494: kein Bauer darf am Leben gestraft werden, ohne daß der Voigt, der Landknecht und der Landschreiber dabey sind; und Rechtsfinder und Ältesten aus einem anderen Gebiete, Sonntag in 469 I. 310. vgl. Ölrichs stichtisches Recht. Ähnliches schon in Russow (195) beim J. 1394. - Vergeht sich ein Bauer gegen seine Herrschaft oder einen Anderen, so wird er vorgefordert. Drey oder vier der ältesten Bauern sind als Rechtsfinder dabey. Ist die Sache bürgerlicher Natur, so fällen diese allein das Urtheil, Ebda S. 312 aus d. J. 1601. In jedem Gebiete, welches immer einige Kirchspiele umfasste, mußten vier bis sechs „alte, verständige und fromme Bauern“ ausgemittelt werden zu Rechtsfindern. Diese Leute hatten dann zu untersuchen und mit zu sprechen, nach Bestimmung d. J. 1630, Ebda S. 314. In den betreffenden Protokollen von 1630 heißt es: Sie wurden befragt, „was sie von der Sache hielten;" oder es wurde ihnen aufgegeben: sich unter einander um ein Urtheil zu „bereden.“ Und nun bestimmen sie Todesstrafen, Tortur, Züchtigungen und Geldbußen, und zwar, wie ausdrücklich erinnert wird, „nach ihren alten Rechten und Gebräuchen“. Oft sprach das Landgericht nur aus, was sie gesprochen hatten; zuweilen moderirte es ihre Urtheile, Ebda 314. Sonntag fügt hinzu: es ist eine Freude, zu sehen, wie bieder und herzlich Deutsche und Nationale gemeinschaftlich am heiligen Gotteswerke der Gerechtigkeitspflege arbeiteten.

Transehe-Roseneck 1890, 40, 97
Rechtsfinder Bauernälteste
vgl. Bauergericht.

Hahn 1911, 42, 56

Bosse 1933, VIII
Rechtfinder - bäuerliche Schöffe im Wackengericht.

Rekrut der

QUELLEN

Gutzeit 1887a, 30
Rekrut, der, nicht, wie Grimms Wtb. erklärt, ein „neu ausgehobener Soldat“, sondern ein zum Kriegsdienst auszuhebender od. ausgehobener („abgelieferter“) Mann. Daher spricht man von einem untauglichen Rekruten, d. h. einem zum Kriegsdienst untauglichen Menschen; von einem Rekruten, der sich vorsätzlich verstümmelt, um untauglich zu werden, von einem Bauern, den man zum Rekruten abgeben will, ferner davon, dass während der Rekrutirzeit von den Gutsbesitzern keine Bauern als Rekruten verkauft werden dürfen; daß von 500 männl. Seelen ein Rekrut zu erheben sei, daß wenn ein zum Rekruten Bestimmter den tödtet, welcher ihn „greift“, daß ein Rekrut gesund, statt, nicht älter als 35 Jahr sei und, auf bloßen Fußen stehend, 2 Arschin 4 Werschok halte (Rekrutenaushebungsreglement von 1797), ferner davon, was den Rekruten an Kleidungsstücken u. Sonstigem bei der Ablieferung mitzugeben ist, daß über die Zahl der zu Rekruten bestimmten Seelen Verschläge eingesandt werden müssen (Rekrutenverschlag?); verboten, reiche Bauern zu Rekruten eigenmächtig auszuwählen, wenn em zum Rekruten bestimmtes Subject sich für kränklich ausgibt.

Rektion

QUELLEN

Bergmann 1785, 3, 4
an ich habe viele Worte an mir für angenommen; die Reihe ist an mich, st. an mir
ich sagte auf ihn f. zu ihm Er sagte auf ihn aus, bekannte auf ihn

Petri 1802, 82
an gieb es an ihn; sag es an ihn; er hat es an mir gesagt

Gutzeit 1859, 34
an Die ältere Sprache gebrauchte häufig die Construction mit dem Dativ, wo die hochdeutsche den Accusativ fordert. Beispiele finden sich eine Menge in allen ältern Druckschriften Rigas, so in den Verordnungen für die Handelsämter. Wenn nasses Gut an der Wage gebracht wird; keine von den Russen an der Stadt gebrachte Waren auflegen u.s.w. - So wie man früher sprach und schrieb, schreibt man gegenwärtig nicht mehr; in der gewöhnlichen Umgangssprache findet sich aber diese Dativ-Constrution ebenso allgemein bei an, wie bei auf und in. Namentlich wird noch gern der Dativ gebraucht, wenn auch das Zw. mit an zusammengesetzt ist, z.B. ich will das an der Wand anstellen, st. an die Wand stellen.

Gutzeit 1886, 37f.
an mit Acc. statt einfachem Dativ. Etwas an einen sagen, statt einem sagen. Storch, (454.II.440) sagt, diese Redensart höre man zuweilen sogar unter gebildeten Leuten in Petersburg; er meint, sie sei ein Ruthenismus. In Livland ist derselbe gewönlich, in ähnlichen Wendungen, z.B. er hat das an mich [ge]geschrieben, an mich geschickt; gib das an Karl, sag' das an Ernst, leih das an Fritz. In diesen Wendungen ist an nicht russisch; die russische Sprache kennt sogar diese Wendung nicht und gebraucht den Dativ. Überdies sind die angef. Wendungen auch hochdeutsch, wenn gleich nicht edel.
In der gewönl. Sprechweise oft mit Dativ statt Accusativ. An der Thür klopfen, poltern, seinen Namen (an) schreiben.
In Rechnungen: an ein Frack angefertigt; an 4 Lucht Fenstern; an gelieferte 50 Faden Balken; an das Hausschild geschrieben, an 2 Zimmer ausgestrichen 6 rbl; an 4 Räme 2 Mal gestrichen 80 Kop.
Loch an Loch, Riss an Riss, Blüte an Blüte an einem Zweig.
Er hat doch nichts àn sich, wodurch er lächerlich erscheinen könnte.
Es ist an dém, d.h. verhält sich so. Schon in Russow Chronik 66a. ydt ys an dem.
an waß, nd. an wat, st. woran. In 476: an was ist er gestorben? - Bei uns ebenso gew. wie auf was, um was u.a.

Rige die

QUELLEN

Pantenius 1880, 169
der Rigi - der Rigifluss
Rigi hiess das Flüsschen, dass die Stelle umfloss auf der Riga erbaut wurde und nach ihm dann auch benannt wurde. Späterhin wurde der Rigifluss in Eichenbohlen gefasst und floss nun unterirdisch. Die Risingstrasse in der inneren Stadt war noch die letzte Erinnerung an den Rigi. [Paul Weinert]

Gutzeit 1887a, 39
Rige, die, Reihe, Ordnung, mnd. risse, häufiger rege. Die armen Schülerlein, da sie in ihrer Ordnung und riegen gangen, 195. Hennig Chr. 258.

Gutzeit 1887a, 39f.
Rige, die. Ehemals 1) ein in die Düna fallendes Flüsschen, an dem die Stadt Riga angelegt worden und von dem sie wahrscheinlich ihren Namen hat, da sich wol hier, wie in anderen Fällen die Tatsache offenbart, dass nicht der Name des Hauptstromes, sondern derjenige des Nebenflusses die Benennung des daran liegenden Ortes wird. vgl. 174. 1870. 241 u. 242. Diese Ansicht, dass der Name der Stadt Riga von dem Namen des Flüsschens Rige herrürt, findet sich zuerst bei Pistorius im J. 1548 ausgesprochen: ast alii Rigam dicunt de nomine Rige, exigui rivi praetereuntis eam; später bei J. B. v. Fischer in 447a. 155: Es ist dann wohl von dem Bach (Rige) — der Nahme der Stadt entstanden. In lateinischen Zeugnissen Riga u. Ryga, in plattdeutschen Rige, Righe, Ryge, Ryghe, Rie, Rye u. Rije. Diese nd. Wortgestalten, welche mit mnd. rie, rye, rije, ryge, rîge, d. h. Bach, kleiner Bach zusammenstimmen, lassen erklärlich erscheinen, dass die Benennung des Flüsschens als aus dem Niederdeutschen stammend für mehr od. weniger gewiss erachtet wurde. So vielleicht zuletzt noch von Ed. Pabst(192. III. 259): das plattd. ruje, rüje, d. i. Fluß, Bach, Graben, wovon unter anderm auch Riga und die Reuß ihren Namen haben, vgl. 194. IV. 22. Im Gegensatze dazu glaubte der frühere russische Lehrer Philemon Svätnoi in Riga, später in Reval, die Benennung im Slawischen — reka, kl.-russ. rika Fluß — wiederzuerkennen. Ich habe (196. X. 231) die Ableitung aus nd. rüje für ebenso gewagt und zweifelhaft ausgeben, wie von slaw. rika. Tatsache ist, dass keine inziges Flüsschen Deutschlands je Rige gehießen hat, der Ausdruck hat stets nur ein fließendes kleines Wasser bezeichnet. Da überdies alle Flüsse und Flüsschen Livlands, mit verschwindender Ausnahme, wie Aa, Schwarzbach u. Schwarzbek, einheimische und undeutsche Namen tragen, so ist, alles zusammengenommen, nicht zu bezweifeln, dass auch die Benennung Rige eine nichtdeutsche, eine einheimische ist. Will man anderseits auf slaw. reka — rika zurückleiten, — woran zu denken, die Verwandtschaft des Lettischen mit dem Slawischen Anlass geben könnte, so vergisst man die vielen Sprachen gemeinschaftliche Wurzel: gr. ρέω, lat. rivus u. rigare, altsächs. rîha, nd. rige, hochd. rinnen, rieseln u. s. w., spanisch rio Fluss u. s. w. Auch als lettisch ist die Benennung nicht anzusehen, da sie als lettisch überhaupt nicht zu bezeugen ist; bei den Letten könnte auch, wie ein Kenner der lett. Sprache in 176. 1831. 90 bemerkt, „das Flüsschen nicht Rige, sondern nicht anders als Rihga gehießen haben, wie das Diminutiv Rising d. i. rihsina unwiderleglich beweise.“ Die Benennung Rige ist also ebenso wenig eine lettische, wie die Benennung Düna, da letztere im Lettischen daugawa heißt,—ganz in Übereinstimmung mit den Nachrichten Heinrichs d. L., dass nicht Letten, sondern Liwen in der Umgebung Rigas sidelten; Liwen, welche, wie schon Arndt in 179. II. 110. Anm. sagte, sich von den Esten nicht sowol in der Sprache, als dem Lande nach unterschieden. — Zu erwänen ist noch, dass, wenn Rige das nd. rije oder rige Bach wäre, das Wort ein älteres Zeugniss liefern würde, als die Belege, welche das mnd. Wtb. von Schiller u. Lübben gewären; denn ihr ältester Beleg ist eine Hamburger Urk. von 1300. — Pastor Dr. A. Bielenstein(vgl. Dünazeitung 1891. 169: die Grenzen d. lett. Volks u. d. lett. Sprache 1891) leitet den Namen des auffallend sich krümmenden (?) Dünaarmes (Rige) von dem echt litauischen Worte ringotis sich krümmen ab. Das Litauische kommt aber hier ebensowenig wie das Lettische ins Spiel. Es fragt sich selbst, ob ringotis ein echt lit. Wort ist. vgl. sich ringen, ringeln, Ring. Und wie sollte sich Rige aus dem Zw. ringotis bilden? Zum Wenigsten wäre ein Hauptwort, wie das deutsche Ring, notwendig.
Unsere früheren Heimatsforscher sehen die Rige für ein selbstständiges Flüsschen an. So J. B. v. Fischer (447a. 167. J. 1745): „die Rige ist etwa anderthalb Meilen von der Stadt in einem Morast entsprungen.“ Indessen wird die Frage, ob die Rige ein selbstständiger Nach oder ein Flussarm gewesen, zuerst erörtert in 196. X. 243 und im ersteren Sinne entschieden. Eine spätere Untersuchung von C. Hennings im Notizblatt d. techn. Vereins v. 1866. S. 81 fürte zu der Behauptung, „daß die Sage von einem selbstständigem Rigebache kaum der Widerlegung bedürfe... Wenn auch unsere Vorfahren es 1580 ermöglichten, durch bedeutende Grabungen auf kurze Zeit vom Jägelfluss aus einen Wasserlauf in das Risingbassin zu führen, welcher im Stadtgraben vor der Sandbastion eine Mühle trieb, so wird doch nirgends eine Spur von einer alten, selbstgewählten Abströmung dieses Flusses in der erwähnten Richtung gefunden... Der Rigebach so wie die rothe Düna sind alte verlassene Rinnsale.“ — Bei diesen sehr zuversichtlichen Behauptungen wird übersehen, erstens dass die Herstellung einer Wasserleitung im J. 1580, ebenso wie später dahin zielende Versuche zu russischen Zeiten, nichts als Arbeiten zu einer Wiederherstellung od. Erneuerung des früheren Baches gewesen sind, welcher als Mülbach (flumen molendini) wiederholt schon im 14. und 15. Jahrh. erwänt wird, vgl. 174. 1870. 367 und 1871. 156. Dieser Mülbach, der später sog. Sandmülenbach, fiel in den Stadtgraben auf eine Müle (1449), vor welcher er durch einen Mülendeich bei der Sandpforte (d. h. nahe dem jetzt sog. Pulverturm) aufgestaut war. Berücksichtigen wir nun, dass der uralte Mülbach ebenso wie der spätere Sandmülenbach bei dem Sandturm (neben dem erwähnten Pulverturm) in den Stadtgraben fiel, also gerade da, wo der von den neueren Mauern abgesperrte spätere Rising seinen Anfang nahm; so ist die in 174. 1870. 368 ausgesprochene Vermutung, der Rigebach sei ursprünglich eine Fortsetzung des uralten Mülbachs gewesen, keinem Zweifel zu unterziehen, u. die Rige somit keim Flussarm, sondern ein selbstständiges Flüsschen gewesen, das vom Nordosten der Stadt kommend, beim Marstalltor in die Düna sich ergoss. Zweitens spricht gegen die Anname eines Dünanrmes der Lauf, die Richtung des Wassers in der Rige. In allen Flussarmen folgt die Richtung des Wasserlaufs derjenigen im Hauptstrom. In der Rige verfolgte er die ganz entgegengesetzte: die Düna fließt von S nachl N, die Rige floss von NO nach SW. Drittens erweisen alle Grundpläne des alten Riga Dünaarme nur im Bereiche der auf früheren Hölmern ruhenden Moskauer Vorstadt und im nordwestlichen Teil der Petersburger Vorstadt, genauer des ersten Quartals derselben nach d. polizeilichen Bezeichnung bis z. J. 1888; dagegen trennte dieses und die Moskauer Vorstadt ein Landrücken, — das 2. und 3. Quartal der Petersburger Vorstadt —, u. hier, dem Kubsberg vorbei, rechts oder südlich von demselben, lief der von NO kommende Mülbach, der spätere Sandmülenbach, der Oberlauf des Rigebaches u. spätern Risings Ein Flussarm wäre wol auch nicht zum Treiben einer Müle geeignet gewesen; ein Flussarm hätte auch nie einen eigenen Namen gehabt, auch nicht die Benennungen Rigemünde, Risingsmund, Rigemünder Straße u. ä. veranlasst. — Viertens spricht für die Eigenschaft eines selbstständigen Baches der Umstand, dass die Rige in allen ältesten Zeugnissen sich als Flüsschen erkennen lässt, auch — mit Ausnahme etwa in d. Urk. v. 1299, wo sie, vielleicht mit Absicht, ein kleiner Arm der Düna genannt wird — stets Fluss oder Hafen genannt wird, so z. B. in Urk. vom J. 1258: versus Rigam fluvium; so in Urk. v. 21. März 1801: ponte...constructo in flumine dicto Riga; so in Urk. von 1366, in der gesagt wird, die Stadt Righe sei an dem Fluss Righe gebaut. — Fünftens spricht für den Bach sein selbstständiger Namen, was bei keinem Dünaarm in der Nähe Rigas stattgefunden hat, noch stattfindet. Nur weil die Rige ein selbstständiges Flüsschen war, konnte auch der an ihr gebaute Ort seinen Namen erhalten, d. h. Rige, lat. Riga. vgl. 174. 1870. 241 u. 242. Endlich spricht für einen Bach die Benennung Rigeholm, der am Risingsmunde belegen war und entweder durch die Rige u. einen Rigearm, oder durch die Rige u. einen aus der Düna von SW ins Land tretenden Dünaarm gebildet wurde, vgl. 451. 1874. 42.
Die neueste Untersuchung darüber, ob die Rige selbständiges Flüsschen oder Flussarm gewesen, ist von dem rig. Stadtrevisor Stegman angestellt wor den (Vortrag, gehalten im rig. techn. Verein am 23. Febr. 1889 u. rig. Ztg. 1889. 51 u. 52). Seine Überzeugungen fallen mit denen C. Hennings zusammen; sie können ebenso wenig aufrecht erhalten werden, weil sie sich nur auf Plane des 17. u. 18. Jahrh. stützen, die älteren Zeugnisse der Geschichte außer Auge gelassen haben.
Seit 1500 wird die Bezeichnung Rige allmälig verdrängt von der neuen: Rising.
Behufs Reinigung von Schlamm und Erdmassen wurde die Rige im J. 1535 gepflügt. Sonst hieß das suvern, später:säubern.
2) Der plattd. Name der Stadt Riga; teils mit, teils ohne Geschlechtswort. Im nackenden Brief von 1330: Stadt von Rige; in Urk. v. 1336: Stadt tho der Rige; in Urk. v. 1353: Stadt tho Rige; von 1365: Stadt tho Righe; in Urk. d. röm. Kaisers v. 1481: Stadt Rigen; die Bischöfe zu Riga, 350. IV. Hiervon erhob sich großer Kummer und Jammer zwischen den Brüdern vom deutschen Hause u. der Stadt von der Ryghe, Bardewyks Chronik bei d. J. 1298—1301. (vgl. 174. 1840. 5); in der Stadt zur oder zu der Ryghe, ebda; die Brüder der Stadt zur Ryghe, ebda; der Erzbischof von der Righe, ebda; St. Jürgenshof, den die Brüder binnen der Stadt Righe hatten, ebda; der Rath zu Ryghe, ebda; ritten nach Ryghe, ebda; die Bürger von Ryghe, ebda; kam zu Ryghe der Bote, ebda; mitten des Weges zwischen Dorpat und Righe, ebda; der Rath von der Ryghe, ebda; zogen von der Ryghe nach —, ebda. In den Benennungen to oder to der, von der, zu der oder zur lässt sich erkennen, dass die Benennung der Stadt nach dem Flüsschen gedeutet wurde; in denjenigen ohne Geschlechtswort u. Vorwort, dass der Stadtname ohne Gedenken des Flüsschens dem Schreibenden vorlag. Ebenso wie bei Riga konmmt vor: Stadt to dem Padel (Walk) u. a. — Wenn einige Ausländer Riga nennen Rigau, so liegt dieser Sprachweise wol die häufige au-Endung (ow) der vielen in Nord- und Ostdeutschland ursprünglich slawischen Ortsnamen zu Grunde. Indessen ist zu bemerken, dass auch bei uns eine große Zahl von Ortsnamen auf au ausgeht, so in Kurland Bártau, Eckau, Hasau, Irmelau, Kandau, Rutzau, Würzau, Zirau, welche lettisch heißen Bahrtawa, Eezawa, Uschawa, Irlawa, Kandawa, Ruzzawa, Wirzawa, Zihrawa, obgleich einige, wie z. B. Windau und Libau, ursprünglich Winda (lett. Wente) u. Liva (lett. Leepaja) auf a auslaufen.

Gutzeit 1894, 32f.
Rige, die, ehemaliger Bach, nach dem aller Wahrscheinlichkeit nach die Stadt Riga ihren Namen fürt. Dr. A. Bielenstein (die Grenzen d. lett. B.) hat lit. ringoti krümmen, träufeln, als Ursprungswort der Benennung angegeben, „welches trefflich zu der absonderlich krumm sich windenden, ein- oder mehrfachen Wasserstraße passt, die den portus dictus Riga, einen Bach Riga, gebildet hat“, vgl. Hafen im Wörterschatz I. 467, Riga ebda III. 38 und Rige ebda S. 29.
Im Allgemeinen ist es ein missliches Ding, in dunkelen Benennungen der Vorzeit eine Bedeutung heraus erkennen zu wollen und beispielsweise in Düna— Rige eine Düncn-Aa zu sehen, in lett. daugawa eine Zusammensetzung aus daug (?) groß und awe Wasser, in Domesnes eine Zusammensetzung aus Dom (Kirche)und näs Vorgebirge. Zu solchen gewagten Vermutungen darf wol auch die Herleitung der Benennung Rige (Rigebach) aus lit. ringoti gerechnet werden; dazu habe „sich das echt litauische ringoti in lettischem Munde vocalisirt und habe sich lit. ring in lett. rîg verwandelt“.„Diese Vocalisirung des lit. ring in lett. rîg habe schon vor 1250 stattgefunden.“ In Bezug auf Rige und Riga ist diese Behauptung schon insofern unzutreffend, als die Benennungen Rige — Riga bereits in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts ganz ausnamslos begegnen, niemals dagegen Ringe oder ringa. Bewiesen wird die Herkunft der Benennungen Rige — Riga auch nicht durch die Behauptung, dass die Semgallen „ziemlich bis an die Düna“ noch in historischen Zeiten gesessen und in vorgeschichtlicher Zeit vor den Liven das Land bis an die Meeresküste innegehabt haben. Denn als Tatsache ist nur anzusehen, wie aus Heinrich d. L. Nachrichten erhellt, „daß Liven auf dem Grunde des heutigen Riga und an der Düna aufwärts bis hinter Kirchholm die ortsansässige Bevölkerung gebildet haben. Somit hat die Angabe, dass ein angeblich litauischer Stamm ring schon vor 1250 von den Letten oder Semgallen zu rîg entennt worden, nichts für sich. Vorausgesetzt noch, dass ringoti und der angeblich litauische Stamm ring echt litauisch sind und eine Entennung desselben in lettischem Munde wirklich stattgefunden hat; und vorausgesetzt, daß der Bach Rige einen ganz absonderlich krumm sich windenden Lauf“ gehabt hat — was nicht zugegeben werden kann.
Wenn darauf hingewiefen wird, dass die Deutung der Benennung Rige — Riga aus dem litauisch-lettischen Stamm ri(n)g schon deshalb vor derjenigen aus mhd. rige den Vorzug verdiene, weil 1) das Appellativum rige (Bach) füglich nicht ohne Weiteres als Nomen prop.dienen konnte, namentlich 2) aber deswegen, weil die Gründer Rigas überhaupt nicht hochdeutsch, sondern niederdeutsch gesprochen haben, so ist darauf zu bemerken, daß 1) das Appellativum rige ebenso gut Nomen prop. warden konnte, wie die Bezeichnung Aa in Deutschland und auch bei uns geworden ist. vgl. Bach im Wörterschatz I. 92 und Nachträge von 1886. - Und 2) daß nicht das mhd. rige in Betracht zu ziehen ist, sondem das nd. rige oder rie. Da die Wenden auf dem alten Berge Rigas Slawen waren, so könnte selbst, wie der frühere Lehrer der russ. Sprache am rigaer Gymnasium, Ph. Svätnoi, es tat, das slaw. rika als Ursprungswort für das Flüsschen Rige in Anspruch genommen werden. Dieser Ansicht widerspricht aber die Tatsache, dass rika nur bei den Kleinrussen vorkommt, alle übrigen slawischen Sprachzweige dagegen e festhalten (reka). Es scheint aber auch, daß von nd. rige oder rie ganz abgesehen werden muß. Denn erstlich machten Liven dem Bischof Anzeige von dem Orte, welcher Riga genannt werde. Zweitens müssen wir den Umstand im Auge behalten, daß zur Zeit des ersten Auftretens der Benennung Rige und Riga, d. h. um 1200, Liven die ortsansässige Bevölkerung um Riga, wenigstens auf dem rechten Ufer der Düna bildeten. Diese Tatsachen legen die Anname nahe, daß Rige — Riga Benennungen livischen Ursprungs sind, und lassen ganz und gar bezweifeln, daß ein lit. Stamm ring von der lettischen Zunge jener Zeit in rig verwandelt worden ist, und dass ein litauisches ringoti, die Benennung Rige hervorgebracht hat. Findet sich auch in dem, was wir von der livischen Sprache wissen, kein Wort ähnlichen Geläuts wie Rige — Riga, so dürfen wir, wie schonEingangs erwänt, keineswegs immer ein Wort der neueren Zeit zur Deutung heranziehen, und felt ein solches, wie etwa bei Rige, den Ursprung aus der betreffenden Sprache zurückweisen, vgl. d. folg. [Rigemünde]

Saat die

QUELLEN

Bergmann 1785, 60
Saat und Same wird fast durchgängig mit einander verwechselt: Z.B. man sagt Leinsaat Hanfsaat, Rübesaat, anstatt Flachs = Hanf = Rübensame, und s. f. Saat bedeutet eigentlich das aus dem Samen hervorschießende Getraide. - Die grüne Saat hebt die zarten Spitzen aus dem Schnee empor. Ge... Saat bedeutet auch das Säen. Z.B. die Zeit der Saat.

Hupel 1795a, 198
Saat, die, und der Saame werden oft verwechselt, aber schwerlich lassen sich dawider hinreichende Regeln angeben. Erstere bezeichnet 1) war gesäet wird, z.B. Saatgerste; 2) was auf dem Acker hervorgekeimet ist, z. B. die grüne Saat; 3) das Säen, z. B. er hat seine Saat geendigt; 4) die Zeit des Säens, z.B. er liebt die frühe oder späte Saat. - Die Saat proben oder probiren heißt etliche Körner zwischen 2 angefeuchtete Rasenstücke legen, um zu sehen ob sie auskeimen.

Gutzeit 1887a, 86

Masing 1926b, 43
Saat „Samen“ (mnd. sât; Grimme, S. 159; Frischbier II, S. 241).

Scheiß der
‣ Varianten: Scheise

QUELLEN

Gutzeit 1887a, 105
Scheise. In der vertraulichen Sprache der Männer oft: ja Scheise, da hatte ich mich gewaltig verrechnet; ja Scheise, es kam nicht so, wie er dachte.

Gutzeit 1887a, 105f.
Scheiß, der, 1) entlerter Darmunrat, hauptsächlich des Menschen. In Grimms Wtb. erklärt: crepitus ventris, welche Bedeutung in Liv-, Kur- und Estland, auch bei allen Deutschen Russlands ganz unbekannt ist. Für unsre Bedeutung verzeichnet Grimms Wtb. ein hier unbekanntes und nicht gebräuchliches Scheiße, die; 2) etwas ganz Wertloses, Dreck, Strunt. In Grimms Wtb. fast nur aus nd. Redensarten belegt. In dieser Bed. auch — beschönigend — Schit. vgl. russ. шишъ; 3) in besonderen Redensarten, welche zum Teil in niederdeutschen sich wiederfinden. Die in Grimms Wtb. angefürte nd. Redensart: hê mâkt fan'n schât 'n dönnerlag, er übertreibt, macht großen Lärm um eine nichtige Sache, lautet bei uns: aus einem Furz ein Donnerwetter machen. — Oft hört man: sich ein(en) Scheiß aus einem oder aus etwas machen, d. h. nichts auf ihn oder auf etwas geben; ein(en) Scheiß darauf geben, d. h. sich nicht im Mindesten darum kümmern, nichts darauf geben, nicht den geringsten Wert auf etwas legen. Was habe ich dabei verdient? Einen (wahren) Scheiß!d. h. so gut wie nichts, einen Dreck, ни шиша бе добылъ. — Sich um jeden Scheiß kümmern, um jede Kleinigkeit oder Lumperei. In Grimms Wtb. dafür das auch hier gebräuchliche Scheißdreck. — Das ist kein Scheiß! d. h. keine Lumperei. — Das ist ein Scheiß, d. h. ein Dreck, gleichgültig. Ein Scheiß, ob ich so oder so handele, d. h. gleichgültig, es kommt auf eins heraus. — Wenn man etwas nicht erreicht oder wenn man etwas Verlangtes nicht erfüllt, hört man sprechen: Scheiß áuch oder: ja, Scheiß auch! Er wollte hinüberspringen —; Scheiß áuch, d. h. es gelang ihm nicht. Grimms Wtb. verzeichnet Aehnliches aus dem Niederdeutschen. — Nicht selten auf Männer bezogen im Sinne von Scheißkerl. „N. sagt, daß du im Unrecht bist.“ — Dér Scheiß! d. h. der erbärmliche Wicht (das Geschlechtswort stark betont); sólch ein Scheiß macht sich wichtig, d. h. só ein Lump oder Wicht (das Hauptwort betont), vgl. russ. шишá, Gesindel, Lumpenpack.
Oft in Verbindung mit Hauptwörtern, um den Gegenstand als schlecht oder verachtenswert darzustellen. Solche Scheißpferde würde ich nicht kaufen, d. h. so sehr schlechte; diese Scheißkuchen überlasse ich Anderen; diese Scheißpapiere von Schuldscheinen, d. h. solche wertlose, schlechte. Oft fällt der Ton in diesen zusammengesetzten Wörtern auf das zweite. In derselben Weise sprach schon der alte römische Dichter Catullus von einer Charta cacata, d. h. einer höchst elenden.
In der feineren Sprache ganz gemieden, hat das Wort doch im vertraulichen Umgänge der Männer, selbst der besten Kreise, einen sehr verbreiteten Gebrauch; ebenso wie auch franz. einer (scheißen) in verschiedenen Kraftausdrücken benutzt wird. Im preußischen Wörterbuche von Frischbier (476) sind noch einige andere Redensarten kräftiger Art verzeichnet, die wol auch bei uns vorkommen.

scheuern

QUELLEN

Gutzeit 1887a, 110
scheuern. In Grimms Wtb. erklärt polire, fricare, und „wohl entlehnt aus dem Romanischen, ital. sgurare, span. escurar, franz. écurer (älter escurer) fegen, von lat. excurare. Als deutsche Bedeutungen sind angegeben im Grimmschen Wtb.: 1) durch Reiben reinigen, putzen, poliren; 2) Flecken, Schmutz aus etwas scheuern, herausscheuern, reibend entfernen; 3) reiben, im allgemeinen Sinne. Diese letzte Bedeutung müßte, scheint es, als erste und ursprüngliche voranstehen, die Bedeutungen 1) und 2) dagegen als abgeleitete nachfolgen. Die in Grimms Wtb. gegebene Reihenfolge der Bedeutungen stützt sich darauf, daß der älteste Beleg für scheuern die Bedeutung durch Reiben reinigen erkennen läßt, Das älteste Zeugniß entscheidet aber nicht immer; mancher Ausdruck und manche Bedeutung ist gebräuchlich gewesen, bevor die Schrift sie an den Tag brachte.
Die Reihe der Bedeutungen wäre folgende: 1) reiben. Dieses Zw. gibt übrigens keineswegs die Bedeutung von scheuern wieder; scheuern dürfte, wie franz. frotter und russ. тереть ein Lautwort sein, welches das hörbare Geräusch beim Scheuern wiedergibt. Zu dieser Bedeutung gehören die in Grimms Wtb. unter 3) verzeichneten Belege. Hinzugefügt kann werden: ein Wagenkorb scheuert (sich) an einem Hinterrade; Messer und Gabeln scheuern (um sie zu reinigen). Diese Bedeutung läßt sich nicht aus der Bedeutung reinigen herauserklären; letztere dagegen sehr wol aus jener (reiben). Dies Verhältniss von reiben und reinigen durch Reiben findet sich ebenso im Russischen. Тереть ist reiben, стереть - стирать dagegen abreiben und dadurch reinigen, wegwischen (Staub) und — waschen. Reiben kann also als ursprüngliche Bedeutung angesehen werden; alle übrigen als abgeleitete, vgl. ab-, an-, aus- und durchscheuern, und Scheuerung; — 2) reinigen, Gefäße, Dielen u. a., durch Waschen, Reiben, mit Sand und anderen Mitteln. Hier fällt scheuern vollkommen zusammen mit dem heutigen écurer, eine Diele scheuern, aber auch mit frotter, welches reiben und scheuern bezeichnet, und zugleich dartut, daß aus der Bedeutung reiben die des Scheurns hervorgeht. Dasselbe im engl, scour. Will man deutsches scheuern aufs Romanische zurückfüren, so wird man es auch mit schwed. skura, und dän. skure tun müssen oder sie als entlehnt aus dem Deutschen ansehen, — was beides ebenso unwahrscheinlich ist, als daß alle Ausdrücke des Frühmitteldeutschen (schûren), des Mittelniederdeutschen (schuren) und nnd. (schüren, schören), des Mittelniederländischen(schueren) dem franz. écourerentsprungen sein sollten. — Die inGrimms Wtb. unter 2) angefürte Bedeutungfällt mit dieser Bedeutung mehroder weniger zusammen; das engl. scour ist vertilgen, wegschaffen; — 3) bildliche und übertragene Bedeutungen, welche inGrimms Wtb. unter 1) c. angefürt sind.Einem den Kopf scheuern entspricht demfranz. frotter les oreilles à ql., c^., ihm den Kopf waschen, die Leviten lesen; einen scheuern, d. h. rüffeln, schelten, demselbenfranzösischen Ausdruck (frotter) und demengl. scour, welche beide auch durchprügeln bezeichnen.

Schnitt

QUELLEN

Gutzeit 1898, 152
Schnitt. Zu Grimms Wtb. 2: Seine Hofesländer auf Schnitt außgeben, 330. 13; bei Gütern, die Schnitt haben, wird der Schnitt der 5 oder 6 letzten Jahre inquirirt, um darüber richtige und von gehörigen Schnittmännern unterschriebene Schnittregister zu überkommen, 193. II. 1253. — Der erste Schnitt des Heus war ergiebig; das Heu, der Klee wurde in 2 guten Schnitten geärntet; der Schnitt des Hafers begann nach dem 10. August, rig. Tageblatt 1890. 207. — Zu Grimms Wtb. 1. e: den Sagers für sagen, für jeden Schnitt 3 gl., nebenst 6 gl. Drankgeldt, 349. XV. 1. Was heißt: 68 Schnitt aus Masten schneiden lassen, 350. XV. 2? — Zu Grimms Wtb. 4): die Gastwirte Rigas bezeichnen mit Schnitt ein halbes Seidel. Daher: Bier vom Faß, pr. Seidel 5 Kop., pr. Schnitt 3 Kop. In Anzeigen der Gastwirte in Riga, 1873. — Englisch Schnitt, ein Gebäck aus Mehl, Ei, süßem Schmand, Zucker und Gewürz, das nach der Fertigstellung in einem abgekühlten Ofen in fingerlange und zollbreite Stücke zerschnitten und darauf in Butter langsam gar gebraten wird, 155. I. 325; ebenda S. 351 „Englische Schnitten“ in etwas andrer Zubereitung. — vgl. Mandelschnitte in 155. 1. 338 und Butterschnitte, in rig. Kochbüchern. — Englischer Schnitt. Zu Grimms Wtb. 5. 2: der englische Schnitt wird unter Garantie ohne Anprobe schön sitzend für 3 Rubel gelehrt von der Modistin Braun, rig. Tageblatt 1893. 200.
Beim Schnitt sein, nennen Schülerinnen von Schneiderinnen den jenigen Teil ihrer Arbeiten, welcher sich auf Schnittzeichnen und Zuschneiden nach Schnitten bezieht. Nachdem sie das Nähen erlernt, wozu gewönlich 3 Jare verbraucht werden, beginnt am Schlüsse der Lehrzeit die Unterweisung im Schnittzeichnen und Zuschneiden, wozu gewönlich einige Wochen hinreichen. Das „beim Schnitt sein“ ist übrigens angreifend, da die Mädchen den ganzen Tag über stehen müssen, da nur stehend zugeschnitten werden kann.

Schnittkohl der
‣ Varianten: Schnittkol

QUELLEN

Mitauisches Kochbuch 1876, 77
Schnittkohl Kohlrüben

Sallmann 1880, 72
Schnittkohl Unter-Kohlrabi

Gutzeit 1898, 152
Schnittkol, der. Schnittkohl nennt man in den baltischen Provinzen die Kohlrübe, 388. I. 6. Anm.; in 390c. 72: Unter-Kohlrabi. — Es ist brassica oleracea napobrassica, deren Knolle stets in der Erde liegt, wärend bei Kohlrabi die Knolle über der Erde sich entwickelt. — Daß Schnittkohl in Liefland nach Campe Name des Geißfußes ist, ist unrichtig.
Man spricht: zu der Suppe brauchte ich einen Schnittkol, d. h. eine Knolle von Schnittkol; ich kaufte 3 Schnittkole, weil ich gestowten Schnittkol zum Mittag haben wollte.

Seemann von Jesersky 1913, 169
Schnittkohle, brasica Napus rapifera, Kohlrübe, Wruke

Mitzka 1923, 18
Schnittkohl Kohlrübe

Masing 1924-1926, 93
Schnittkohl Kohlrübe (Brassica napus)

Taube 1944, 49
der Schnittkohl = die Kohlrübe
.. (die) Kohlrüben, die bei uns nicht nur Leutekost waren, sondern in verschiedenen Zubereitungen auch auf den Herrentisch kamen. Wir liebten es, die im Freien im Feuer zu backen; sie mußten bis ins Innerste weich werden, waren dann äußerlich meist ganz verkohlt; man schnitt sich Stücke heraus - daher der Name 'Schnittkohl', der in Estland für diese Pflanze üblich war - und aß sie mit Salz und frischer Butter.

Graf 1958, 10
die Kohlrübe, schles. Oberrübe, in Pommern Wrucke, heißt drüben Schnittkohl.

Sass 1963, 68
[Bouillon mit Klimpchen] ... Kaseraggengräten drin oder mit angeschimmelten Dörrgemüse. Abends einen Teller Roggenbrei, salzlos, in Wasser gegart, voller Schlauben. Ab und an ein Extrabrötchen aus Kartoffel- und Schnittkohlschalen, ein begehrter Leckerbissen, um der Gerechtigkeit willen auf der Briefwaage abgewogen. Zuweilen gelang es den Müttern (Väter gab es kaum; sie waren in den Freicorps), etwas Eßbares gegen Kleinodien einzutauschen ... Wahllos kaufte man, was angeboten wurde. Unbesehen verschlangen wir Hummer statt Brot, Haselhuhn statt Grütze, Neunaugen anstelle von Kartoffeln und Gemüse. Einmal, erinnert Nora, gab es sogar eine ganze Tafel Schokolade. ...

Nottbeck 1987, 83
Schnittkohl - Steckrübe, Kohlrübe / E.K.L.R.
siehe Kaalikas*

Kobolt 1990, 242
Schnittkohl m Steckrübe
pr. Schnittke rote Rübe.


QUELLEN (Informanten)
Hehn, Bernd von: Druweln, Kreis Wenden
Schnittkohl Kohlrübe

Vietinghoff-Scheel, Robert von: Groß-Jungfernhof Kreis Riga
Schnittkohl (baltisch) Kohlrüben (hochdeutsch)

Weiss, Lis-Marie: Reval
Schnittkohl, Kohlrübe, Steckrübe (bekannt)

Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland
Schnittkohl [= Steckrübe] bekannt.

Tode, (Jo)hanna: Riga
Schnittkohl nicht Unter-Kohlrabi, sondern Gelbe Rübe, flache mit rauhen, gezackten Blättern (Mir ist wohl nach ihrer mündl. Ge.... = Wrunke ? [s. Abb.]

Hoffmann, Gjert: Reval
Schnittkohl

Kerkovius, Martha: Riga
Schnittkohl, der Oberkohlrabi.

Offenberg, Regina: Reval
das Schnittkohl

Becker, Edith: Riga
Schnittkohl Wruke (?)

schuppsern

QUELLEN

Gutzeit 1898, 167
schuppsern, was schuppsen 2), nur stärker: allerlei Bewegungen, namentlich mit Hals, Schulter und Armen machen, um die Oberhaut mit der Kleidung in Reibung zu versetzen.

Teemaschine die

QUELLEN

Hoheisel 1860, 30
„Die Teemaschine kocht“ statt: das Wasser in der Teemaschine kocht.

Pantenius 1880, 54
die Teemaschine der Samowar

Gutzeit 1892a, 19
Theemaschine. 172. 1773. 80; 172. 1805. 17, Die Theemaschine machen, aufstellen, aufsetzen, d. h. sie mit Kohlen und Wasser versehen, um das Wasser in ihr zum Sieden zu bringen. — In Grimms Wtb. erklärt: Maschine zur Theebereitung — was ganz falsch ist.

Munier-Wroblewski 1927-1931, 270
mit der singenden Teemaschine

???, 222
Samowar nennt der Livländer Teemaschine.

Nottbeck 1987, 91
Teemaschine So wurde der Samowar im Baltikum genannt
Auf dem Stummen Diener stand die Teemaschine.

Kobolt 1990, 268
Teemaschine f russischer Samowar.

Tod der

QUELLEN

Gutzeit 1892a, 27f.
Tod. Der Tod läuft über mein Grab, wenn ein Schauder einen überläuft; in 476: über den Rücken, vgl. Grimms Wtb. 549. 5. a.
Das ist mir in den Tod nicht eingefallen oder in den Sinn gekommen, d. h. nicht im entferntesten. — Er ist mir in den Tod zuwider. Zu Grimms Wtb. 542. 7. — Es handelt sich um Tod und Leben, — bei großer Lebensgefar, man weiß nicht, ob man mit dem Leben davon kommt oder den Tod erleidet. — Der Kutscher färt (jägt)auf Tod und Leben, d. h. übermäßig, so dass er den Hals brechen, den Tod finden kann. — Tod und Schlaf. Was ist der Tod? Der süßeste Schlaf, ohne Traum und Erwachen, Voltaire: c'est le plus doux sommeil sans rêve et sans rêveil, 372. II. 396. — Der Tod sitzt ihm auf dem Nacken, er ist Todescandidat, 476.

Worms 1899, 74
Benni schüttelte sich, es lief ihm kalt über den Rücken. Der Tod tritt über sein Grab, sagt man in Kurland wohl.

Träger der
‣ Varianten: Dreger

QUELLEN

Gutzeit 1864, 197
Dreger, nd. für Träger, u. insbesondere wol Lastträger. — Es hat Streit gegeben, was unter Dreger zu verstehen sei, ob Goldträger, Trossleute od. eine besondre Art Söldner, undeutsche Goldknechte (nach 347. I. 2. 405). Die Dreger werden unter anderm erwänt in einem Entwurf von Maßregeln, die genommen werden sollten bei d. Einzug des Erzb. u. O. M. in Riga 1547. Im 10ten Punkte dies. Entw. heißt es: wann man Musterung halten wird, dass alsdann die Träger (dregers) und sonst andere Undeutschen in u. außer der Stadt ein jeder mit seinem Gewehr von denj., so darüber zu gebieten haben, dazu angehalten werden, dass sie bei ders. Musterung auch erscheinen; im 11ten Punkt, dass man allen Bürgern, Inwohnern, Trägern u. Jedermann ernstlich gebiete u. s. w. Man sieht, dass die hier erwänten Träger Undeutsche waren, Lastträger oder Tagelöhner, die Schievelbein als „Nessieneker“ unter den undeutschen Ämtern aufführt. — Das Buch der Älterleute (335. 101) erzält, dass 1556 unsre Kriegsleute von Riga abzogen nach Kokenhusen, nämlich dritthalbhundert gute Landsknechte, anderthalbhundert auserlesene Dregers mit aller Notdurft und Nachfuhr und mit 6 gegossenen Stücken; weiter auf S. 112: als „die Russen 1559 vor Riga zogen, waren in der Stadt samt den Lantzknechten wol bei 3000 Deutsche, ohne die undeutschen Dregers u. Arbeitsvolk u. Bauern, die auch wol 2000 waren; auf S. 107 (1558): nach Fellin wurden von Riga gesandt 230 Knechte und 200 Dregers, die Dregers mit Harnisch und Ober- u. Untergewehr. Die Dregers hatten sich ungeschickter gehalten als die Knechte, verzehrten alle ihr Geld, Harnisch und Gewehr, und wurden beurlaubt, nach Riga zu ziehen. — Im J. 1562 nach d. Tode des Erzb. Wilhelm sandte die Stadt Riga de dregers und 2 Stadtdiener aus, um einzelne ihr schädliche Gebäude an der Düna beim erzb. Hofe abzureißen. — Es mögte hieraus erhellen, dass die Dreger weder Trossleute noch Söldner waren, sondern undeutsche Lastträger. Im Fall der Not mussten sie Kriegsdienste leisten. — Zuweilen ist unter Dreger Salzträger zu verstehn, wie in der Stelle:wi hedde de dregers nha oldem gebruck. vgl. 335. 148, J. 1570. Denn die Salzträger wurden seit Alters auf der großen Gildstube zu Fastnachten bewirtet, vgl. Gildgesetze v. wahrscheinlich 1613 in Monum. Livon. ant. IV. CXCVI. 46 u. 47.

Gutzeit 1886, 219
Dreger, Träger, Lastträger u. insbesondere die den 4 undeutschen Ämtern Rigas: den Vier-, Salz-, Wein- u. Kalkträgern ungehörigen Genossen, vgl. 475. 75.

vatern

QUELLEN

Gutzeit 1889c, 2
vatern, einem eins, wie einem eins malen, pfeifen u. ä., einen als Vater nicht berücksichtigen. Du nennst mich Vater? Ich will Dir was vatern! d.h. du nennst mich Vater, um das von mir zu erhalten, das wird aber nicht geschehen vgl 390c. 158.

verschlucken

QUELLEN

Eckardt 1904, 45, 48
Was weinst du Junge? - „Ich bin heruntergefallen.“ - Herunter? Von wo herunter? Der Knabe machte ein verdutztes Gesicht. „Auf der Diele, und da hab ich mir den Kopf abgeschlagen.“ - Den Kopf abgeschlagen? - Kein Wort mitleidigen Trostes kam über die Lippen des jungen Magisters. Er schmunzelte vergnügt und zog sein Notizbuch aus der Brusttasche hervor. _ Was hustest du denn so erbärmlich, Karl? _ „Ich - ich habe mich verschluckt, Herr Meyer!“ - Was? dich - verschluckt? Wieder ein Sonnenblick in des Magisters nebelgrauer Schulatmosphäre und wieder ward das Notizbuch um einen Schatz reicher.
Man schlägt sich in Riga so gut den Kopf ab wie in Pernau oder Reval, verschluckt sich hier wie dort ein paar Mal des Tages, ohne an seinem Wohlbefinden Schaden zu nehmen. In Riga so gut wie in Mitau oder am Embach setzt man sich con amore in den Fuhrmann oder auf den Fuhrmann und beide Teile sind es zufrieden. Mit all derlei Arten oder Unarten der Lebensführung, zu denen wir uns als gute Balten gemeinsam bekennen, haben wir es hier also nicht zu tun, wir belauschen dagegen unsre mit unverfälschtem Dünawasser getauften Mitbürger in ihrer harmlosen Unterhaltung und achten lediglich auf jeden Laut und jede Wendung, die auch uns Provinzlern ungewohnt und fremd ans Ohr klingen.

Seemann von Jesersky 1913, 183
verschlucken, är hat sich verschluckt (sich selbst?)

versehen

QUELLEN

Bergmann 1785, 75
versehen daran ist nicht viel versehen - für verlohren, verdorben.

Hupel 1795a, 249
versehen heißt zwar irren; aber daran ist nicht viel versehen, bedeutet dabey ist nicht viel verlohren oder daran ist wenig gelegen. Ein versehen Mensch (eine versehene Weibsperson) heißt die zu Falle gekommen ist, ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hat: und dies ist ein schicklicher Ausdruck als Hure.

Grosberg 1931
Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war ein Wonne und eine Lust, die „grob und fein gehälsten“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“ damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Haschabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sein „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.


QUELLEN (Informanten)
Weiss, Lis-Marie: Reval
[zu Bergmann] unbekannt


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